Der Bahnverkehr rund um Stuttgart kommt nicht aus den Negativschlagzeilen. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Die Mitteilung der Bahn, für den wegen Stuttgart 21 nötigen Einbau einer neuen Signaltechnik in wenigen Wochen wichtige Strecken in der Region über Wochen und Monate zu sperren, hat einen heftigen Sturm der Kritik ausgelöst.

Selten sind Wut und Zorn auf die Bahn in Baden-Württemberg und insbesondere in der Region Stuttgart so einhellig gewesen. Die kurzfristig angekündigten Streckensperrungen rund um Stuttgart, um die komplexe neue Signaltechnik ETCS für Stuttgart 21 einzubauen, haben die Politik vollkommen unvorbereitet getroffen.

„Wir sind von der Ankündigung der DB völlig überrascht worden,“ sagt der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) über den Plan, schon in wenigen Wochen damit zu beginnen, wichtige Zulaufstrecken auf Stuttgart komplett zu sperren: „Vollsperrung heißt maximale Störung des Schienenverkehrs. Das ist ein miserables Management des Projektes und der Kommunikation der Deutschen Bahn.“ Ausbaden müssten das nun die Fahrgäste und Kunden, ob im Nah- und Fernverkehr oder im Güterverkehr. Die Bahn müsse nun die Ersatzverkehre schnellstmöglich organisieren und die Fahrgäste entschädigen.

Sorge um Starttermin von Stuttgart 21

„Dass die Kabel für die Digitalisierung des Schienenknotens Stuttgart verlegt werden müssen, steht außer Zweifel“, sagte Herrmann. Aber die Bahn hätte viel früher planen und das Ganze kommunizieren müssen. Er appellierte eindringlich an die Deutsche Bahn, ihre Zusage einzuhalten, den S-21-Tiefbahnhof Ende 2025 in Betrieb zu nehmen. Dafür müsse die neue Signaltechnik stehen. „Weitere kostenträchtige Verzögerungen bei Stuttgart 21 wären fatal.“

Verband Region Stuttgart erinnert an S-Bahn-Chaos

Der für die S-Bahn rund um Stuttgart politisch zuständige Verband Region Stuttgart zeigte sich ebenfalls überrascht. Die Bahn habe solche Sperrungen nie angedeutet. Der Verbandsvorsitzende Thomas Bopp (CDU) zog eine Verbindung zum aktuellen S-Bahn-Chaos: „Der Großteil der aktuellen Störungen und Einschränkungen bei der S-Bahn sind bedingt durch Defizite bei der Infrastruktur.“

Es sei klar, dass diese schnellstmöglich behoben werden müssten. Dazu gehöre auch die neue Signaltechnik: „ Wir müssen jetzt sofort die digitale Schiene installieren, um ein belastbares und verlässliches S-Bahn-Angebot bieten zu können.“ Die Bahn müsse aber garantieren, dass es nicht zu weiteren solchen drastischen und kurzfristigen Einschränkungen komme.

Verkehrsausschuss der Region lädt Bahn vor

Regionaldirektor Alexander Lahl sagt: „Für uns ist die aktuelle Situation ein großes Ärgernis und wir teilen den Unmut der Fahrgäste und aller Betroffenen.“ Aber die Bahn müsse nun zwingend handeln: „Nichtstun würde bedeuten, dass die derzeitige Situation mit unvorhergesehenen Störungen und Ausfällen anhalten und sich verschlimmern würde.“ Die Deutsche Bahn müsse aber den Fahrgästen entgegenkommen. Die überraschende Ankündigung der Bahn wird auch am kommenden Mittwoch in der Sitzung des Verkehrsausschusses der Region zur Sprache kommen.

Stuttgarts OB sieht Riesenärgernis

Der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) bezeichnet die Ankündigung der Bahn als „Riesenärgernis“. Er sagte: „Das ist eine ganz bittere Pille für uns alle, gerade auch für die Pendler und Bahnnutzer.“ Nun müsse die Bahn zügig bauen, um die Beeinträchtigungen zu verringern. Vor allem müsse ein guter Ersatzverkehr organisiert werden.

Auch bundespolitisch schlägt der Plan der Bahn Wellen. Matthias Gastel, grüner Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Nürtingen/Filder und Fraktionssprecher für Bahnpolitik spricht von einem Totalversagen der Bahn:„Es drängt sich gerade im Bereich der S-Bahn Stuttgart immer mehr der Eindruck auf, dass die Deutsche Bahn ihre Infrastruktur und ihre Infrastrukturplanung nicht mehr im Griff hat.“ Die vielen Störungen in den vergangenen Monaten seien dafür der Beleg.