Die Eßlinger Zeitung ruft auf zum großen Straßen- und Plätzeraten. Wir stellen Details in Wort und Bild vor, unsere Leserinnen und Leser raten den Namen. Es gibt tolle Gewinne! Heute gibt es Teil zwei unseres Straßenrätsels.
Esslingen - Es riecht nach Benzin. Es hat den sterilen Charme glatten Betons. Straßenlärm. Viel davon. Mitten in die dumpfe Geräuschkulisse klingt ein helles Glockenspiel. Wassergeräusche.
Ich probiere ein Gedankenspiel: Ich bin blind. Der Verkehrslärm hält mich ab, weiterzugehen. Stattdessen taste ich mich an einer glatten Betonwand mit Eisengeländer ein paar Schritte zurück und komme zu einer Treppe. Ich steige hinab. Das Wasserplätschern wird lauter. Wenn ich die Ebene erreicht habe – ich vermute, ich bin jetzt unter dem Straßenlärm – spüre ich etwas halliges. Die Geräusche, Schritte, Musik aus einem billigen Recorder haben ein leichtes Echo. Es ist eine Art Unterführung, allerdings nicht eng wie eine Röhre. Von den Ausmaßen ist es eher eine Kathedrale. Hätte ich sehende Augen, ich würde erkennen, dass der Raum groß und leer ist und die glatten Betonwände geben ihm ein fahles Gesicht. Gäbe es einen Marketingchef für die Halle, so würde dieser auf ein paar hochformatige Tafeln hinweisen, die eher versteckt an eine der Wände geschraubt sind und etwas Stadtgeschichte zeigen. Geschenkt. Liebe Leserinnen und Leser, wie heißt die Straße, die über dieser Betonhalle verläuft?
Jetzt, wo Sie’s sagen, kann ich wieder sehen. Betonsäulen in feinster Regelmäßigkeit durchziehen den unterirdischen Raum, der im Hang liegt und deshalb zur unteren Seite ebenerdig wird. In einer der Ecken wohnen manchmal obdachlose Menschen. Unter der Straße, gewissermaßen unter der Brücke – also ganz klassisch. Nur, dass hier kein Fluss fließt. Die Wassergeräusche kommen aus einem Brunnen. Es gibt hier auch eine Tauschbörse, einen wilden Mini-Flohmarkt. Nur Krimskrams und Bücher, die mal da und mal wieder weg sind. Es gehört zu den unerforschten Rätseln dieses Ortes, wie die Dinge dahin kommen und wer sie wegnimmt.
Der Ort unter der Straße, deren Name wir suchen, ist etwa 50 Jahre alt. Er stammt also aus einer Zeit, als der zunehmende Reichtum in der Gesellschaft zu einem zunehmenden Straßenverkehr führte und es als das Wichtigste überhaupt in der Stadtplanung galt, Raum für Autos zu schaffen. So entstand unsere Straße in all ihrer Größe nebst Unterführung (eben jene Halle). Nebensächlich war in den 1970er Jahren, dass einige sehr schöne und alte Gassen durch die Autotrasse einfach abgeschnitten wurden vom Rest der Altstadt. Nun ja, fast abgeschnitten. Es gibt ja noch unsere Betonkathedrale.
Die Unterführung oder wie auch immer man dieses Bauwerk nennen möchte, gehört zu den Hässlichkeiten der Stadt, auch wenn sie ziemlich nützlich ist und es etliche Esslinger gibt, die sie „gar nicht so schlimm“ finden. Und sie haben aus ihrer Perspektive recht: Auch das ist Esslingen. Man kann sich daran gewöhnen.
Als ich aus der Betonhalle trete, schließe ich wieder die Augen. Das Leben empfängt mich. Stimmengewirr, wie man es auf Märkten und sommerlichen Caféhaus-Plätzen hört. Es riecht nach Gemüse und Käse und Brot.
Wer sich am EZ-Straßenrätsel beteiligen will, kann die Lösung innerhalb der kommenden fünf Tage per E-Mail an lokales@ez-online.de schicken. Die Auflösung von diesem Rätselteil veröffentlichen wir in der kommenden Woche.