Lockerungen im Einzelhandel: Die Zahl der Kunden ist allerdings eingeschränkt, in diesem Fall auf 35 Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Von diesem Montag an gilt die Maskenpflicht für den öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen. Am Wochenende zuvor ist das Stimmungsbild dazu in der Stuttgarter Innenstadt extrem gemischt.

Stuttgart - Der Flaschensammler in der Büchsenstraße winkt ab: „Schlecht, schlecht!“ Er meint damit nicht die Maske, mit der er Mund und Nase bedeckt, sondern seinen Sammelertrag. Dabei sind an diesem Samstag in der City wieder „deutlich mehr Leute unterwegs“ als an den zwei Corona-Wochenenden davor, stellt der Mann fest, der „gleich um die Ecke“ wohnt: „Es kehrt wieder Leben ein!“, sagt er und freut er sich, wobei ihm aber „ein bisschen mulmig“ ist: „Leute mit Maske sind hier eine absolute Minderheit.“ Seine selbst genähte, die er schon länger nutzt, hat er „leider vergessen“, weshalb er jetzt gut Abstand halten will: „Die Leute werden nachlässig, unterschätzen die Gefahr. Aber das Virus wird uns noch Monate oder Jahre beschäftigen. Die Maske ist sinnvoll als Teil eines Puzzles, mit dem wir uns durchtasten. Wir werden uns daran gewöhnen müssen“, glaubt er.

Deutsch-vietnamesisches Paar trägt seit vier Wochen Masken

Den „ganzen Corona-Mist nicht mehr hören“ will dagegen ein Verkäufer in einem kleinen Modegeschäft. Sechs Kunden hatte er bis zum Mittag, alle „auf Abstand“ bedient: „Und ab Montag muss ich mir wohl auch so ein Ding überstülpen.“ Begeisterung klingt anders. Schon gar nicht wie die Routine, mit der ein deutsch-vietnamesisches Paar „seit vier Wochen“ Maske trägt, wenn es aus der Wohnung geht. Die Frau kennt das aus ihrer Heimat, hat von dort „eine ganze Kollektion“ besorgt. Kariert, unifarben oder grasgrün-fröhlich mit weißen Schäfchen drauf für den Dreijährigen im Buggy.

„Fasching, Fasching!“ höhnt angesichts des Bildes ein Passant auf dem Schillerplatz. „Mich kotzt das an, diese Bevormundung!“, legt der „Ur-Stuttgarter“ nach, was ein junger Vater, das Töchterchen an der Hand, argumentativ unterstützt: „Das ist ein bedenklicher Eingriff in Freiheitsrechte. Und unverhältnismäßig. Was machen wird denn bei Abgasen und Alkohol?“ fragt er, leicht herausfordernd. Mehrfach taucht bei Ablehnungen der Maskenpflicht das Argument auf, dass der textile Schutz „vor ein paar Wochen noch als untauglich galt, und jetzt plötzlich soll es helfen“.

„Freiwilligkeit hilft in dieser Situation nicht“

Zum Stimmungsbild gehört aber auch, dass die überwiegende Mehrheit die Maskenpflicht als sinnvoll bezeichnet: „Das hätte früher kommen sollen“, findet etwa Walter Geisse aus Stuttgart-Ost, „Freiwilligkeit hilft in dieser Situation nicht. Nicht in einer Gesellschaft, in der jeder das letzte Wort haben muss.“ Spargelverkäufer Harry Delgas ist froh, dass er seine Maske nun bei der Arbeit aufbehalten darf. Leonie und Carla, 16 und 17, stehen im Gerber ohne Maske in der Young Fashion-Schlange. Für die eine liegt eine Maske von Papa bereit, „der ist Heimwerker“, für die andere eine von Mama genähte. Sie nehmen’s leicht: „Geht ja nicht anders!“