Eins der Duos wird künftig die SPD führen: Olaf Scholz und Klara Geywitz (links) oder Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Am Samstagabend steht fest, wer künftig die SPD führt. Das Ergebnis ist nicht nur wichtig für die Sozialdemokraten – es könnte sogar die Bundesregierung zum Wanken bringen. Was ist von der Entscheidung zu erwarten – und wie geht es danach weiter?

Berlin - Fast ein halbes Jahr nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Vorsitzende bekommen die Sozialdemokraten eine neue Parteiführung. Am Samstag ab 18.00 Uhr wird in der SPD-Zentrale das Ergebnis des Mitgliederentscheids verkündet. Neu ist, dass künftig eine Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann an der Spitze der Sozialdemokraten steht. Das Ergebnis wird zudem nicht nur ein Richtungsentscheid für die SPD sein, auch die Zukunft der Großen Koalition hängt davon ab.

Wer könnte künftig die SPD führen?

In der Stichwahl stehen sich Vizekanzler Olaf Scholz und die brandenburgische Landespolitikerin Klara Geywitz auf der einen Seite sowie die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und der frühere Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, auf der anderen Seite gegenüber. Da es bis zuletzt keine verlässlichen Umfragen gab, ist eine Prognose über den Ausgang des Votums schwierig. Das Scholz-Duo gilt als leicht favorisiert, da der Vizekanzler und Finanzminister mit Abstand der bekannteste Kandidat ist.

Wie wird abgestimmt?

Die Entscheidung liegt bei den Mitgliedern der SPD. Diese konnten im ersten Wahlgang zunächst zwischen sechs Teams aus je einer Frau und einem Mann entscheiden. In der Runde beteiligten sich gut 53 Prozent der rund 425.000 stimmberechtigten Mitglieder. Scholz und Geywitz lagen mit 22,7 Prozent Zuspruch vorne und knapp vor Esken und Walter-Borjans, die 21 Prozent erhielten. In der SPD wird darauf gehofft, dass die Wahlbeteiligung in der Stichwahl zwischen den beiden Duos höher als in der ersten Runde liegt. Die Abstimmung lief über Briefwahl und eine Online-Beteiligung. Überwacht wird das Verfahren bis zur Auszählung von einem Notar.

Was unterscheidet die beiden Duos?

Scholz und Geywitz stehen zu der aktuellen großen Koalition. Sie wollen die laufende Legislaturperiode gemeinsam mit der Union beenden und sich dann nach der nächsten Bundestagswahl um andere Bündnisse bemühen. In den vergangenen Tagen erklärten mehrere Amts- und Mandatsträger, dass sie dem Duo ihre Stimme geben. Esken und Walter-Borjans gelten als Kandidaten des linken Parteiflügels, sie werden etwa von den Jusos unterstützt. Die beiden stehen der schwarz-roten Regierung ausgesprochen kritisch gegenüber. Sie wollen zudem zu Gunsten von Investitionen die von Scholz verfochtene Haushaltspolitik der „Schwarzen Null“ ohne neue Schulden aufgeben. Sie haben bereits angekündigt, dass sie nach einer Wahl an die SPD-Spitze der Union eine Reihe von Forderungen für eine weitere Zusammenarbeit vorlegen werden. Es ist zweifelhaft, dass CDU und CSU zu weitgehenden Zugeständnissen bereit sind, eine Nachverhandlung des Koalitionsvertrags haben die Unionsparteien bereits klar abgelehnt. Gewinnen also Esken und Walter-Borjans, gerät die Groko ins Wanken.

Wie geht es nach Samstag weiter?

Da die Mitgliederbefragung noch nicht rechtlich bindend ist, muss das Gewinnerduo auf dem am 6. Dezember beginnenden SPD-Parteitag noch von den Delegierten bestätigt werden. Auf dem dreitägigen Treffen will die Partei zudem über den Verbleib in der großen Koalition entscheiden. In welcher Form dies geschehen soll, ist noch nicht klar. Eine einfache Ja-Nein-Frage soll den Delegierten nicht vorgelegt werden. Es könnte aber darauf hinauslaufen, dass mehr oder weniger harte Bedingungen für eine weitere Regierungsbeteiligung genannt werden. Die neuen Parteichefs werden einen entsprechenden Antrag mitformulieren und haben somit maßgeblichen Einfluss auf das Endergebnis.

Ist die SPD nach Samstag bereit für einen Neustart?

Zunächst einmal muss das Gewinnerduo sich darum bemühen, die eigenen Reihen zu schließen. In den letzten Wochen war eine Lagerbildung zwischen den Unterstützern der jeweiligen Bewerber zu beobachten. Dazu trug auch heftige Kritik bei, die besonders Esken immer wieder an der Politik ihrer Partei in den vergangenen Jahren und somit auch an Scholz äußerte. In einer ZDF-Sendung am Donnerstagabend weigerte sie sich, der Aussage zuzustimmen, Scholz sei ein „standhafter Sozialdemokrat“. Am Freitag entschuldigte sie sich per Twitter, ihre Äußerungen seien in der „Hitze der Schlussphase“ gefallen. Der Vorfall verdeutlicht aber, dass je nach Ausgang der Stichwahl ein Teil der Partei erst einmal eine Niederlage und große Enttäuschung verdauen muss. Ob die in Umfragen bei 13 bis 15 Prozent stehende SPD mit neuer Parteispitze und nach einer Klärung der Groko-Frage politisch und inhaltlich wieder in die Offensive kommt, muss sich dann erst noch zeigen.