Kein Kinderwunsch? Viele Frauen wenden sich dann erst einmal an ihren Frauenarzt (Symbolfoto). Foto: imago images / photothek/Ute Grabowsky/photothek.net

Wenn eine Frau weiß, dass sie keine Kinder bekommen möchte, kann sie sich sterilisieren lassen. Auch junge Frauen gehen diesen Weg und treffen dabei auf Ärzte, die ihnen diese Entscheidung noch nicht zutrauen.

Nadine Pungs hat sich vor zwei Jahren sterilisieren lassen. „In diesem Moment, als ich aufgewacht bin aus der Narkose, war ich so sehr mit mir und meinem Körper im Reinen. Ich habe mich sehr glücklich gefühlt, und das hält noch immer an“, erzählt sie. Die Sterilisation ist für Pungs eine Befreiung und ein Akt der Selbstbestimmung gewesen.

In ihrem Buch „Nichtmuttersein“ (Piper-Verlag) erzählt sie ihre Geschichte und geht der Frage nach, warum es vielen Menschen so schwerfällt zu akzeptieren, wenn Frauen wie sie sich gegen Mutterschaft entscheiden.

„Ich habe mich glücklich gefühlt“ – Nadine Pungs Foto: Piper-Verlag

Eine Sterilisation kostet zwischen 600 und 1000 Euro

Bei der Sterilisation werden die Eileiter unterbrochen, sodass die Eizelle nicht mehr in die Gebärmutter gelangen kann. Die Sterilisation ist eine der sichersten Verhütungsmethoden. Nur eine von 1000 Frauen, die sich haben sterilisieren lassen, wird dem Berufsverband der Frauenärzte (BVF) zufolge pro Jahr schwanger. Bei der Verhütung mit Kondom sind es 20 von 1000 Frauen.

Die Sterilisation ist – sofern sie nicht aus medizinischen Gründen stattfindet – keine Krankenkassenleistung, und es wird nicht erfasst, wie oft sie in Deutschland auf Wunsch der Frau durchgeführt wird. Die Frauen zahlen die 600 bis 1000 Euro für die Sterilisation selbst, wenn es keinen eindeutigen medizinischen Grund für den Eingriff gibt.

Eine Studie zur Nutzung verschiedener Verhütungsmethoden aus dem Jahr 2018 gibt an, dass fünf Prozent der befragten Frauen sich haben sterilisieren lassen. Mit zunehmendem Alter sind es mehr Frauen. Bei den 40- bis 49-jährigen Frauen gaben 13 Prozent an, sterilisiert zu sein.

Rein rechtlich dürfen Frauen ab einem Alter von 18 Jahren eine Sterilisation machen lassen. Aber: Die Ärztinnen und Ärzte müssen diese nicht vornehmen. Viele Gynäkologen befürchten, die Frauen würden die Sterilisation hinterher bereuen – etwa weil sie sich eines Tages noch Kinder wünschen.

Eine Sterilisation der Frau ist – anders als die Vasektomie beim Mann – nur schwer rückgängig zu machen. Die Folge: Viele Ärztinnen und Ärzte versuchen, Frauen von der Idee einer Sterilisation abzubringen, gerade wenn sie kinderlos und unter 30 Jahre alt sind.

Webseite hilft bei der Suche nach Ärztin

Damit Frauen mit einem Wunsch nach Sterilisation zu den Medizinern gelangen, die den Eingriff bei ihnen vornehmen, hat sich der Verein Selbstbestimmt steril gegründet. Auf der Webseite des Vereins können Frauen nach passenden Ärztinnen und Ärzten suchen.

Susanne Rau hat den Verein mitgegründet. Im Videointerview spricht die freiberufliche Übersetzerin über ihre Sterilisation und darüber, dass sie nie Mutter sein wollte. Sie zieht den Ärmel ihres linken Armes hoch. Auf dem Unterarm prangt ein Tattoo des Logos von Selbstbestimmt steril, dazu zwei Daten: das Datum der Vereinsgründung und ihrer Sterilisation. Damals, vor einigen Jahren, war sie 28 Jahre alt.

Vereinsgründerin Susanne Rau Foto: Robert Maciejewski

Rau sieht ein großes Problem in der gesellschaftlichen Rolle der Frau als Mutter. „Das Problem ist, dass Ehemann, Haus und Kinder allgemein in der Gesellschaft und bei vielen Gynäkologinnen und Gynäkologen dazugehören zum Leben.“

Viele Frauen berichten ihr, dass Ärzte ihnen nicht glaubten, dass sie keinen Kinderwunsch haben. „Wenn du deinen Uterus nicht benutzt, stimmt etwas nicht mit dir – das wird den Frauen vermittelt“, sagt Rau. So erlebten es viele – gerade junge kinderlose Frauen –, wenn sie sich sterilisieren lassen wollten.

„Es gibt Lebenssituationen, die man nicht endgültig überblicken kann“

Axel Valet ist Gynäkologe. Er arbeitet sowohl in seiner Praxis in Herborn als auch in der Frauenklinik Dillenburg als Belegarzt, wo er circa zwei bis drei Sterilisationen im Monat durchführt. Er ist im Bundesverband der Frauenärzte Sprecher für die Belegärzte und ambulanten Operateure.

Valet erklärt das Vorgehen im Falle des Wunsches nach Sterilisation so: Im Gespräch mit der Patientin werde nachgeschaut, welche Verhütungsmethode am sinnvollsten sei. Als Arzt kann er nachvollziehen, dass sich eine Patientin eine Sterilisation wünscht, statt sich ein Leben lang um Verhütung kümmern zu müssen.

Das Problem sei, dass der Eingriff schwer zurückzunehmen sei. „Es gibt einfach Lebenssituationen, die man nicht endgültig überblicken kann“, erklärt Gynäkologe Valet. Mit einem Partnerwechsel oder anderen Veränderungen im Leben könnte es noch zum Kinderwunsch kommen.

Sterilisation bei kinderlosen Frauen unter 30 Jahren ist problematisch, erklärt der Gynäkologe

In den fast vierzig Jahren seiner Tätigkeit als Gynäkologe habe er nur sehr selten eine Frau unter 30 sterilisiert, die keine Kinder hatte. „Wenn zu mir eine 23-jährige Patientin käme und eine Sterilisation wünscht, da würde ich mit ihr diskutieren, dass es andere Möglichkeiten gibt.“ Er verweise dann auf seine Erfahrung, dass manche Frauen nach einer Sterilisation doch einen Kinderwunsch entwickelten und die Entscheidung bereuten.

Eine viel zitierte Studie dazu stammt aus den USA. Dabei wurden 1999 über 11 000 sterilisierte Frauen befragt. Sechs Prozent der über 30-jährigen Frauen gaben an, die Entscheidung zu bereuen. Bei den unter 30-Jährigen waren es 20 Prozent. Die Studie zeigte auch, dass bei jungen Frauen, die keine Kinder hatten, die Reue deutlich geringer ausfiel als bei Frauen, die schon Kinder hatten.

Vera Schoeder gehört mit ihrer Praxis Gyndocs zu den Anlaufstellen, die auf der Webseite des Vereins Selbstbestimmt steril gelistet sind. Hier können sich Frauen jedes Alters und in jeder Familiensituation sterilisieren lassen.

In Schoeders Praxis kämen vor allem junge Frauen, die meist schon bei vielen anderen Ärztinnen und Ärzten waren und dort teilweise schroffe Ablehnung erlebt hätten. „Uns rufen Frauen an, die schon am Telefon in Tränen ausbrechen, wenn sie hören, dass wir für ihre Lage Verständnis zeigen und bereit sind, ihnen zu helfen“, berichtet Schoeder.

Nadine Pungs, die Autorin von „Nichtmuttersein“, fragt sich manchmal: Was, wenn ich Mutter wäre? „Ich weiß, ich wäre dann nicht glücklich“, sagt sie. Sie ist sehr froh, dass sie sich hat sterilisieren lassen und dass sie auf der Webseite von Selbstbestimmt steril dafür die richtige Ärztin fand.

Info

Literatur
Nadine Pungs „Nichtmuttersein. Von der Entscheidung, ohne Kinder zu leben“. 2022, Piper-Verlag, 18 Euro

Karte und Liste
von Ärztinnen und Ärzten, die Sterilisationen vornehmen: https://www.selbstbestimmt-steril.de/karte/

Berufsverband der Frauenärzte (BVF)
zu Sterilisation: https://www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/sterilisation-vasektomie/