Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht wendet sich mit einem Brief an die Belegschaft. Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Daimler will in seinen Werken in Untertürkheim Tausende Arbeitsplätze abbauen. Der Betriebsrat kritisiert die Pläne: Dadurch fehle die Zeit, die Transformation für die Beschäftigten fair zu gestalten. Daimler widerspricht: Die Veränderungen seien notwendig.

Stuttgart - Der Daimler-Gesamtbetriebsrat hat den Vorstand um Ola Källenius dazu aufgefordert, gesellschaftliche und soziale Verantwortung zu übernehmen. „Der Wandel gelingt nur mit uns Beschäftigten, nicht gegen uns“, schreiben Betriebsratschef Michael Brecht und sein Stellvertreter Ergun Lümali in einem Brief an die Beschäftigten. „Wir brauchen Antworten und Perspektiven für unsere Kolleginnen und Kollegen, vor allem in den Produktionsbereichen.“

Produktion könnte verlagert werden

Anlass für den Brief sind die Pläne von Daimler, unter anderem im Motorenwerk in Stuttgart-Untertürkheim bis zum Jahr 2025 rund 4000 Stellen abzubauen – das wäre fast ein Viertel der Belegschaft. Auch das Motorenwerk in Berlin soll demnach bis zu 1000 Jobs verlieren. Die Produktion soll stattdessen in Werke in Osteuropa verlagert werden, auch könnten künftig mehr Teile eingekauft werden. Außerdem soll es zumindest in Deutschland offenbar keine Investitionen mehr in den Verbrennungsmotor geben.

„Solche harten Schritte rauben uns die notwendige Zeit, die wir für eine faire Gestaltung der Transformation benötigen“, schreiben Brecht und Lümali. Das könne der Betriebsrat „so nicht akzeptieren“. Derzeit laufen an allen Daimler-Standorten Verhandlungen über deren jeweiligen Beitrag zum gesamten Sparziel des Autobauers. Vom Vorstand verlangen die Arbeitnehmervertreter „Klarheit darüber, welche Funktionen, Produkte und Technologien wo ansässig sind und weiterentwickelt werden“.

Zeit für Qualifizierung schaffen

Für den Übergang von fossilen Antriebsformen hin zu emissionsfreier Mobilität brauche es „Zeit für Qualifizierung, Zeit für Weiterbildung, Zeit für die Entwicklung von Beschäftigungsalternativen und Zeit, um Arbeit innovativ und sinnvoll umzuorganisieren“, fordern die Betriebsräte. Andernfalls könnte am Ende „ein großer Teil etablierter Arbeitsplätze in unserer Industrie mit gnadenloser Brutalität wegfallen“. Für die Übergangszeit werben Brecht und Lümali in dem Brief außerdem für synthetische Kraftstoffe, mit denen konventionelle Antriebe nahezu emissionsfrei zu nutzen seien.

„Wir lassen die Menschen bei der Transformation nicht außer Acht“, sagte Daimler-Produktionsvorstand Markus Schäfer bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten. „Es ist aber keine Option, in Untertürkheim am Verbrenner festzuhalten.“ Es werde ihn noch lange geben, allerdings in Verbindung mit elektrischen Antrieben wie im Plug-in-Hybrid.

Die frei werdenden Flächen in Untertürkheim brauche Daimler, um dort Komponenten für die E-Mobilität zu fertigen, betonte Schäfer. Klar sei aber auch, dass die Veränderungen in Antriebswerken wie Untertürkheim mit einem geringeren Bedarf an Arbeitnehmern einhergingen. „Wir gestalten einen Abbau sozialverträglich über Fluktuation, nicht nachbesetzte Stellen und freiwillige Abfindungen.“