Erinnerung an die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944: Im Zentrum der diesjährigen Gedächtnisvorlesung der Stauffenberg-Gesellschaft im Neuen Schloss stand Fabian von Schlabrendorff, ein Mann, der sich Hitler frühzeitig und entschlossen entgegenstellte.
Der Mann, der Hitler töten wollte . . . unwillkürlich denkt man bei dem Satz an Georg Elser oder an Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Weniger an Fabian von Schlabrendorff, jenen Mann, der am 13. März 1943 eine Bombe, versteckt in einer Kiste mit zwei Flaschen Cointreau, in das Flugzeug schmuggelte, das Adolf Hitler zu einem Frontbesuch brachte.
Schlabrendorff, der den Nationalsozialismus frühzeitig ablehnte und als Generalstabsoffizier im Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte an der Ostfront eingesetzt war, hatte den Zünder vor dem Abflug wie geplant aktivieren können, die Zündvorrichtung funktionierte jedoch nicht, mutmaßlich wegen der Kälte. Er selbst blieb zunächst unentdeckt.
Als Sachverständiger arbeitete er mit Fritz Bauer zusammen
Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 geriet auch Schlabrendorff ins Visier der Gestapo. Der in Halle an der Saale geborene gelernte Rechtsanwalt hatte als Verbindungsmann zwischen Oberst Hennig von Tresckow, seinem Vetter, und den Verschwörern in Berlin um Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler fungiert. Er wurde verhaftet, gefoltert, vor dem Volksgerichtshof angeklagt, durchlief die Konzentrationslager Sachsenhausen, Flossenbürg und Dachau – und überlebte.
Nach dem Krieg war er Berater der Alliierten in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und spielte eine wichtige Rolle als Sachverständiger in dem vom hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer angestrengten Remer-Prozess, bei dem es um die Rehabilitierung der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 ging. Er hatte eine Anwaltskanzlei in Wiesbaden und war von 1967 bis 1975 Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. 1980 verstarb er. Begraben ist er in Morsum auf Sylt.
Er pochte auf die Rolle der Widerstandskämpfer als „Patrioten“
Diesem Fabian von Schlabrendorff widmete die Stauffenberg-Gesellschaft ihre diesjährige Gedächtnisvorlesung, die musikalisch traditionell von Schülerinnen und Schülern des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums begleitet wird, der ehemaligen Schule Stauffenbergs.
„Schlabrendorff war einer der wenigen Widerstandskämpfer, die überlebten“, betonte Cornelia Hecht-Zeiler, die Direktorin des Hauses der Geschichte, am Samstag im gut besuchten Weißen Saal des Neuen Schlosses. Als „publizierender Zeitzeuge“ habe er bereits unmittelbar nach Kriegsende eine wichtige Rolle bei der Würdigung des deutschen Widerstands gespielt, als die Widerstandskämpfer vielfach noch als „Vaterlandsverräter“ geschmäht wurden.
Der wie Stauffenberg 1907 geborene Schlabrendorff habe „trotz Hass und Hetze auf ihre Rolle als Mahner und Patrioten gepocht“. Sein 1946 erschienenes Buch „Offiziere gegen Hitler“ war das erste, das den militärischen Widerstand gegen das Nazi-Regime thematisierte. Justiz-Staatssekretär Siegfried Lorek würdigte zudem die Rolle Schlabrendorffs als Mitbegründer des Hilfswerks 20. Juli 1944, das sich für Hinterbliebene der Widerstandskämpfer einsetzte.
Dieprand von Schlabrendorff, einer von sechs Kinder Fabian von Schlabrendorffs und seiner 1999 verstorbenen Frau Luitgarde von Bismarck, berichtete in seinem Vortrag von der Ferne und Nähe des Vaters, den er erst nach Kriegsende bewusst wahrnahm, wobei es zunächst hieß, er sei nicht mehr am Leben, ehe er nach kurzzeitiger Internierung auf Capri und einem Aufenthalt in Ascona in einem Jeep der US-Armee in Bruch in Oberfranken erschien, wo die Familie nach Kriegsende untergekommen war.
Der 83-jährige Dieprand erinnert sich an „goldene Äpfel“, die der Vater mitbrachte. Es waren Orangen, eine Frucht, die sie zuvor noch nie gesehen hatten. Der Tag seiner Rückkehr, der 12. Juli 1945, wird in der Familie als „Feiertag“ begangen.
Die „goldenen Äpfel“ des Vaters
Seinen Vater beschreibt Dieprand von Schlabrendorff als einen dominanten und zugleich humorvollen Mann, „der als Anwalt immer auf Achse war“. Die Zeit als er ihn in jungen Jahren zu Terminen an vielen Orten in Deutschland chauffieren durfte, hat er in „besonders schöner Erinnerung“.
Dieprand von Schlabrendorff spricht von seinem Vater voller Respekt, der sich auch daraus speist, „dass er es zeitlebens als seine Aufgabe gesehen hat, die Erinnerung an die Widerstandskämpfer aufrechtzuerhalten“. Darin ist ihm der Sohn mit der Gedächtnisvorlesung nachgefolgt.