Im Bild die Gründer des Start-ups Globe Fuel Cell Systems – Steven Oji, Bernhard Wienk-Borgert und Steffen Bäuerle (von links) – entwickeln Brennstoffzellen für Gabelstapler und andere Fahrzeuge der fabrikinternen Logistik. Das ist eine der Ideen, die von 1886Ventures verfolgt werden. Foto: Globe Fuel Cell Systems

Vor neun Monaten hat Daimler sein ehrgeiziges Innovationsprojekt Lab1886 verkauft. Was ist daraus geworden?

Stuttgart - Von der Ideenfabrik zur Start-up-Schmiede. So kann man die Verwandlung beschreiben, welche das einstige Innovationslabor Lab1886 von Daimler vollzogen hat. Vor neun Monaten wurde das ursprünglich 2007 lancierte Innovationsprojekt aus dem Konzern herausgelöst und schlüpfte unter das Dach einer Start-up-Plattform. Hinter ihr steht Ulrich Dietz, Gründer und Aufsichtsratschef des Stuttgarter IT-Unternehmens GFT. Der Grund für die Zäsur: Wie auch andere, große Unternehmen, die mit der unternehmensinternen Innovation (Corporate Innovation) experimentierten und mit Bordmitteln Start-up-Ideen hochziehen wollten, stieß Daimler an die Grenzen dieses Konzepts. Auch wenn beispielsweise das Carsharing-Angebot Car2Go daraus hervorgegangen ist.

Der neue Eigner will rascher Geschäfte machen

„Für Daimler ging es zunächst darum, möglichst viele innovative Ideen zu sammeln und zu entwickeln – uns geht es nun darum, sie möglichst schnell umzusetzen“, sagt Dietz. Seine Firma GFT ist mit IT-Lösungen für die Finanzbranche groß geworden, ist aber inzwischen auch in anderen Bereichen aktiv. Die neu gegründeten 1886Ventures, an denen er die Mehrheit hält, sollen nun zeigen, wie aus Ideen lukrative Geschäfte werden können. Auch Daimler ist bei einigen Projekten noch dabei und hält an der Start-up-Holding einen Anteil von zehn Prozent.

Die Spreu vom Weizen getrennt

Der erste Schritt nach der Übernahme war erst einmal, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Hälfte der zehn von Daimler übernommenen Projekte wurde nicht weiterverfolgt. So wurde beispielsweise die Entwicklung eines Geräts zur automatischen Schadenanalyse von Autos gestoppt. Die Zielkunden wären Autohäuser gewesen. Doch die Marktchancen erschienen nicht groß genug.

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Übrig geblieben sind nun fünf Innovationen, die man konkret umsetzen will. Am weitesten gediehen ist ein Start-up, das für Spezialanwendungen wie Gabelstapler oder Notstromaggregate Brennstoffzellen entwickelt (Globe Fuel Cell Systems). Bereits gegründet ist zudem ein Unternehmen, das Autos im Abo anbietet (Carve8). Drei weitere Projekte stehen kurz vor der Unternehmensgründung. Flinc, eine Plattform fürs Carsharing in Unternehmen. Cida, ein Konzept, das zur Verschrottung freigegebene Ersatzteile in Designermöbel verwandeln will, und ein fünftes Projekt, das auf Wunsch eines beteiligten Partners geheim bleiben soll.

Kulturbruch auch für die Mitarbeiter

Auch für einige der rund 60 Mitarbeiter, die den Wechsel von Daimler zur neuen Plattform gewagt hatten, war es ein Kulturbruch: vom Angestellten und Manager zum Gründer. Solange die Gründung ihres Start-ups nicht abgeschlossen ist, sind sie zwar bei 1886Ventures angestellt, danach werden sie aber echte Unternehmer. Mit vollem Risiko. „Für ein Start-up ist wichtig, dass der Gründer ein großes Eigeninteresse damit verbindet“, sagt Ralf Glaser, bei 1886Ventures für das Marketing zuständig.

Nicht jeder hielt mit

Er gehört zu einem Stab an zentralen Mitarbeitern, welche die einzelnen Start-ups bei verschiedenen Themen unterstützten. Auch der IT-Dienstleister GFT besitzt Anteile, was den Start-ups auch Zugriff auf IT-Entwicklungen ermöglicht. Die Ziele sind anspruchsvoll: Spätestens binnen zwei Jahren will man die Firmen zum Erfolg führen – ein anderer Takt als bei firmeninternen Projekten, wo vielfältige Genehmigungen und Prozesse ein solches Tempo unmöglich machen.

Es habe durchaus einige von Daimler übernommene Mitarbeiter gegeben, die gemerkt hätten, dass die gewachsenen, temporeicheren, unternehmerischen Ansprüche dann doch nichts für sie waren. „Wir haben denen dann neue Möglichkeiten eröffnet“, sagt Dietz.

Es geht um Tempo

Schnelligkeit ist das Schlüsselwort. Und dies ist letztlich in den verschiedensten Kategorien der entscheidende Unterschied zu einem Innovationslabor unter dem Dach eines Konzerns. Zwei Wochen dauerte es beispielsweise nach der Übernahme von Daimler, bis das Brennstoffzellenprojekt Globe im Dezember 2020 als Start-up gegründet wurde. Um alle Prozesse und Genehmigungen, Budgetbewilligungen und Rücksprachen innerhalb eines Konzerns zu absolvieren, hätte es ansonsten wohl noch Monate gedauert, sagt Ralf Glaser. Er zählt noch andere Unterschiede auf: Es sei flexibel möglich, auch externe Investoren hinzuzuziehen und könne die teils komplexen IT-Fragen in der Partnerschaft mit GFT sehr schnell zu lösen.

„Ein externer Investor steigt einfach nicht in eine Firma ein , bei der ein Mutterunternehmen die Mehrheit hat“, sagt Dietz. Risikokapitalgeber wollten schnell entscheiden können. Das sei etwas ganz anderes als der Budgetprozess innerhalb einer Firma. „Daimler hat schon auch viel investiert, um die Ideen zu entwickeln“, sagt Dietz. Und so manche Ideen hätten auch Impulse für das Unternehmen gesetzt. Doch der Schritt zur dynamischen Start-up-Entwicklung sei in bestehenden Strukturen nicht möglich.

Erfahrungen fließen in Beratungszweig ein

Zweite Standbein des noch jungen Unternehmens ist die Beratung. Vor allem mittelständische Firmen sollen von dem in der Praxis gesammelten Know-how profitieren.

Das Vorzeige-Start-up von 1886Ventures

Start-up
Das Start-up Globe Fuel Cell Systems wurde schon Mitte Dezember 2020, zwei Wochen nach der Übernahme des Lab1886 gegründet. Es entwickelt Brennstoffzellen für Gabelstapler und andere Fahrzeuge der fabrikinternen Logistik. Außerdem ist der Markt für Notstromaggregate im Visier, unter anderem auch für große Datenzentren, wo man die bisherigen Dieselaggregate ablösen will. Von vorneherein plant man hierbei eine umfangreiche Datenvernetzung, die etwa die Wartung vereinfachen soll. Dabei kooperiert das Start-up auch mit GFT.

Gründer
Das Gründerteam besteht aus ehemaligen Mercedes-Benz-Mitarbeitern, die dort in der Brennstoffzellenforschung tätig waren. Sie hatten in Jahr 2019 an einem Daimler-Ideenwettbewerb teilgenommen und gewonnen. Heute sind sie Unternehmer und besitzen Anteile an ihrer Firma. Insgesamt arbeiten aktuell etwa 30 Menschen für das Start-up. Nächste Schritte sind unter anderem eine Kooperation mit Gabelstaplerherstellern sowie der Aufbau von Produktionskapazitäten für die Brennstoffzellen.