Ein Stuttgarter Start-up stellt in Leinfelden-Echterdingen neben die Biogasanlage eine Anlage zur Pflanzenkohle-Produktion. Möglicherweise feiern die beiden Anlagen bald Hochzeit.
Auf einem Feld in Leinfelden-Echterdingen betreiben seit mehr als zwei Jahrzehnten 14 Landwirte gemeinsam mit den Stadtwerken Leinfelden-Echterdingen eine Biogasanlage. Ziel der Anlage: Aus selbst angebauter Biomasse und Pferdeäpfel Gas herzustellen. Strom und Wärme wird produziert. Das Ganze ist finanziell allerdings wenig erfolgreich. Spätestens wenn im Jahr 2028 die EEG-Förderung ausläuft, muss die Biogasanlage zurückgebaut werden. Es droht der Wegfall einer kostengünstigen Wärmeversorgung.
Durch ein Stuttgarter Start-up gibt es nun die Möglichkeit die Anlage sinnvoll weiter zu nutzen. „Das könnte ein Gewinn für alle geben“, sagt Bürgermeister Benjamin Dihm. Thorsten Alxneit, einst Unternehmensberater und heute Geschäftsführer der SCS GmbH (Sustainable Century Stuttgart), hat vor drei Jahren beschlossen, etwas Neues zu machen. Er hat die Produktion der Pflanzenkohle für sich entdeckt – „als ein Mittel gegen die Klimakrise“, wie er sagt.
Seine Firma stellt diese Kohle aus Biomasse wie Holzhackschnitzel, Pflanzen und Büschen, die entlang von Straßen wachsen oder aus Weinreben her, für die es keinen weiteren Verwendungszweck gibt. Notwendig ist dafür ein sogenannter Pyrolyseprozess. „Wir bringen die Biomasse in einen sauerstoffabgeschlossenen Raum und erhitzen diesen bei 550 bis 750 Grad“, erklärt er. Und: „Wir erzeugen mehr Energie, als wir für diesen Prozess brauchen.“ Neben der Pflanzenkohle entsteht Strom und Wärme.
Die Stadt Stockholm pflanzt Bäume auf Pflanzenkohle
Pflanzenkohle könne vielfach eingesetzt werden. „Sie hat eine sehr große Oberfläche und kann so sehr viel Wasser speichern“, erklärt Thorsten Alxneit. Die Stadt Stockholm beispielsweise pflanze alle ihre Bäume auf Pflanzenkohle. Der Vorteil: Dadurch werde unter den Bäumen ein großer Wasserspeicher angelegt, „sie werden so resilienter gegen Klimaereignisse wie lange Trockenperioden“. Auch Weingüter und Golfplätze könnten von Pflanzenkohle profitieren.
Die Firma hat gemeinsam mit einem Allgäuer Unternehmen eine Pyrolyse-Anlage erstellt und wird diese Großanlage vom 19. November an in Leinfelden-Echterdingen aufstellen – direkt neben die Biogasanlage. Auf einer Fläche von 250 Quadratmetern will das Unternehmen, das die Anlage finanziert hat, zunächst einmal ihre Pflanzenkohle produzieren, also sein eigenes Ding machen. Die Firma bekommt dafür den Platz neben der Biogasanlage kostenfrei zur Verfügung gestellt. Sie will dann Schritt für Schritt testen, ob die beiden Anlagen „miteinander verheiratet werden“ können, wie der Geschäftsführer sagt. Will heißen, dass das wasserstoffreiche Synthesegas, welches beim Herstellungsprozess der Pflanzenkohle entsteht, in die Biogasanlage eingespeist werden kann. „Die Bakterien der Biogasanlage mögen das eigentlich sehr gerne“, erklärt der Geschäftsführer.
Wenn diese Heirat klappt, hat das Unternehmen auch Interesse daran, die Biogasanlage einmal zu übernehmen. Deren Betrieb wäre dann auch nach 2028 abgesichert. Dafür müsste aber noch ein Übernahmevertrag ausgehandelt und unterschrieben werden. Thorsten Alxneit hofft, dass die Landwirtschaft auf den Fildern ein breites Feld an Biomasse für den Pyrolyseprozess bieten wird. Die Pflanzenkohle könne derweil den Boden auf den Fildern für die Landwirtschaft verbessern. Der Maisanbau zur Energiegewinnung könne zurückgefahren werden zugunsten des Anbaus von Nahrungsmitteln. Gerade wird noch verhandelt, ob sich die Stadt verpflichtet, die Pflanzenkohle der Firma zumindest in kleinen Paketen für Stadtgrünprojekte abzunehmen. Im Gegenzug könne das Grüngut als Abfallprodukt der Stadt an das Unternehmen weitergegeben werden. Ein weiterer Vorteil für die Kommune: Sie könnte künftig als sogenannte Schwammstadt für sich werben.
Kohleanlage in Obertürkheim scheitert
Keine gute Erfahrungen hat der ehemalige Unternehmensberater in Stuttgart-Obertürkheim gemacht. Von November 2022 an hatte Thorsten Alxneit dort eine Anlage für die Herstellung von Pflanzenkohle aufgebaut. Allerdings eine kleinere als sie nun in Leinfelden-Echterdingen aufgebaut wird. Nach knapp zwei Jahren lief dann aufgrund von Schwierigkeiten „mit bestimmten Verwaltungsbereichen der Stadt“, wie er sagt, der Rückbau.
In Leinfelden-Echterdingen kommen seine Geschäftsideen dagegen prima an. „Wir unterstützen das Projekt, das ist eine super Idee“, sagt Stadtwerkechef Peter Friedrich. Er ist an einer langfristigen Zusammenarbeit mit der Firma interessiert. „Wir wollen die Wärme für unsere Kunde abnehmen.“