Lewin Fricke zeigt, wie das modulare System von Triqbriq funktioniert. Foto: Judith A. Sägesser

Das Stuttgarter Start-up Triqbriq will zwei Probleme zu einer nachhaltigen Lösung verbinden: Schadholz zu Bausteinen für Gebäude veredeln. In Produktion geht das Unternehmen in Kürze in Tübingen.

Gemessen daran, dass von hier aus in Kürze eine kleine Revolution losgetreten werden soll, ist es an diesem Tag sehr ruhig, Lewin Fricke ist allein. Erkältungswelle, auch bei der Triqbriq AG. Und es ist eben nicht wirklich etwas zu tun im Moment, alles ist vorbereitet fürs neue Jahr 2023. Dann soll eine Innovation in einem Gewerbegebiet in Tübingen zwei Probleme zu einer Lösung vereinen: Schadholz zu einem kreislauffähigen Baustoff für Häuser zu verarbeiten.

Im Zentrum des Geschäftsmodells stehen Briqs, das sind mikro-modulare Holzbausteine für Gebäudewände. Es gibt den Briq in drei Längen, die Breite beträgt jeweils 30 Zentimeter. Die ersten Ein- und Mehrfamilienhäuser seien geplant, und mit Vonovia baue Triqbriq eine Kita. Die Art, wie alles zusammengefügt wird, sei das Ergebnis von einem Jahrzehnt an Forschungsarbeit. Die Briqs werden aufeinandergesteckt und mit Buchenholzdübeln verriegelt. Triqbriq, ein investorenfinanziertes Stuttgarter Start-up-Unternehmen, hat das Patent auf diese Fügetechnik. Die Bauweise sei etwas teurer als mit Ziegelsteinen, aber günstiger als herkömmliche Holzbauten, sagt Lewin Fricke. Triqbriq war 2022 einer von drei Preisträgern beim Innovationspreis von Vonovia.

Zur Eröffnung des Tübinger Stammwerks Ende November 2022 ist auch Christine Lemaitre gekommen, die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Sie bezeichnet Triqbriq auf Nachfrage unserer Zeitung als einen „Lösungsbaustein“für die Bauwende. Es gebe es nicht das eine Konzept, man müsse mit verschiedenen Möglichkeiten ans gemeinsame Ziel kommen, sagt Christine Lemaitre. Eine Sache findet sie an Triqbriq besonders interessant. Das Start-up hat die Idee, Briqs an Orten zu produzieren, wo gerade aufgrund eines Sturms beispielsweise viel Schadholz angefallen ist, unter Umständen direkt an ein Sägewerk angeschlossen. Gerade dieser Regionalisierungsgedanke, also dass die Produktionszellen zum Sturmholz reisen, gefällt Christine Lemaitre.

Das Holz kommt von einem nahen Sägewerk. Die ersten Stapel Kanthölzer liegen in der Halle einer ehemaligen Schreinerei bereit. Lewin Fricke läuft rüber und zeigt die Enden der Hölzer. Sie haben nur etwas mehr als zehn mal zehn Zentimeter Durchmesser. Manche haben blaue Verfärbungen, die aber der Statik nichts anhaben könnten. Er sagt dazu Kalamitätsholz. Gemeint ist Käferholz, oder Holz, das bei Stürmen angefallen ist, einfach Holz, das sonst keiner will, außer vielleicht zum Verfeuern. Wird es indes zum Baustoff veredelt, bleibt es ein CO2-Tresor.

Kleiner Testbau in Stuttgart-Weilimdorf

Sobald die Produktion Anfang 2023 hochgefahren wird, gelangen die Kanthölzer über die Hobelmaschine in die Produktionszelle. Dort werden sie von sechs Industrierobotern in Empfang genommen. Diese sind darauf programmiert, aus dem Fichten- und Kiefernholz Briqs zu machen. 10 000 Stück würden sie im Monat schaffen, sagt Lewin Fricke. Schnell zusammengefügt seien auch die Briqs zu einer Mauer, ein kleiner Testbau nahe der Zentrale in Stuttgart mit drei Wänden und einer 50 Quadratmeter Bodenplatte sei in vier Stunden hochgezogen gewesen.

Momentan hat Triqbriq die Zulassung für zweieinhalb Geschosse. „Möglich wären sechs bis acht Stockwerke“, sagt Lewin Fricke. Dazu liefen derzeit entsprechende Tests. Die Bundesregierung habe das Ziel ausgerufen, 400 000 Wohnungen im Jahr zu bauen. Da wollen sie mitmachen. „Das können wir auch.“ Zunächst werden rund zehn Mitarbeiter am Standort Tübingen arbeiten. Und was, wenn die Nachfrage explodiert? Fürs Erste wäre am neuen Stammsitz Platz für zwei weitere Produktionszellen.

Nachhaltig bauen

Baustoffe
Bei den nachhaltigen Baustoffen sieht Christine Lemaitre, die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, Holz ganz vorne. Interessant seien aber beispielsweise auch Lehm oder nachwachsende Dämmstoffe wie Stroh oder Schilf. Sie spricht von einer „Wiederentdeckung“ von altbekannten Baustoffen. Dass es innovative Technik nicht richten wird, „da hat man mittlerweile realisiert, dass das nicht geht“.

Urban Mining
meint die Stadt als Rohstofflager. Die Idee: Werden Gebäude abgebrochen, werden die Baustoffe recycelt und in neuen Bauprojekten wiederverwertet. Dieser Logik folgend sollten nur noch kreislauffähige Gebäude erstellt werden, um so wenig wie möglich Ausschuss zu produzieren. Erstens wegen der zur Neige gehenden Rohstoffen, zweitens wegen der Kosten. Ein Knackpunkt sind die Flächen, die es lokal braucht, um die Baustoffe zu lagern.