Trotz der Entfernung zur Heimat lässt Schmuckstandbetreiber Arian Nárez aus Berlin den Weihnachtsmarktstress nicht zu sehr an sich heran. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Standbetreiber auf dem Mittelaltermarkt erzählen, wie besinnlich für sie die Festtage tatsächlich sind – nach all den Wochen zwischen Deko-Artikeln und Weihnachtsmusik.

EsslingenDie Lichterketten auf dem Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarkt leuchteten seit Ende November, die geschnitzten Figuren in der Kuppel der Glühweinpyramide drehten ihre Runden, und in den Gassen zwischen Marktständen und anderen Attraktionen tummelten sich Tag für Tag Besucher aus nah und fern. Wer sich in vorweihnachtliche Stimmung versetzen lassen wollte, fand zwischen Marktplatz, Hafenmarkt und Postmichelbrunnen reichlich Gelegenheit. Und manche sind ein bisschen traurig, dass der Markttrubel schon wieder vorbei ist. Nun heißt es, den Christbaum zu schmücken und zuhause weiterzufeiern. Und wie verbringen diejenigen, für die das bunte Treiben vor allem Arbeit bedeutet hat, die Festtage? Ein Gespräch mit Marktbeschickern gibt Aufschluss.

Konsumdruck als Stressfaktor

Der selbsternannte „Suppenkasper“ Adrian Conrath hat schon so manche dampfende Schüssel über den Tresen seines gleichnamigen Standes gereicht. Er ist bereits seit Langem dabei, allerdings steht das ständige Dem-Weihnachtsmarkt-Ausgesetzt-Sein für ihn nicht im Konflikt mit einer besinnlichen Weihnachtszeit in seinem Privatleben: „Das ist überhaupt kein Problem. Zu Hause ist es mittlerweile etwas ruhiger und beschaulicher, jedoch feiere ich immer noch sehr gerne!“ Nur von Weihnachtsmärkten und anderen Großveranstaltungen hat der Kirchheimer dann aufgrund seiner Tätigkeit doch genug: „So Sachen wie den Heiligen Vormittag mache ich mittlerweile nicht mehr so gern.“ Er sieht, dass die Weihnachtsstimmung bei vielen immer noch nicht ganz angekommen ist. Grund ist seiner Ansicht nach vor allem der vorweihnachtliche „Konsumdruck“: „Dieser Druck, Geschenke kaufen zu müssen, macht Weihnachten stressig“, sagt er, und erklärt, dass ihm das auch so von vielen Standbesuchern mitgeteilt werde. „Wie wäre es mit weniger Geschenken und mehr Singen? Oder wenn es ein Geschenk gibt, dann vielleicht etwas Nützliches. Da reicht doch der Topflappen oder die Krawatte.“

Michael Smith ist ein gebürtiger Amerikaner, der sich gerade an Conraths Stand zusammen mit seiner Familie Getränke holt. Er ist ein großer Weihnachtsmarktfan, schließlich gibt es diese in den USA schlicht und einfach nicht. „In den USA müsstest du so einen Markt abriegeln, wegen der ganzen Kriminalität. Das sieht man schon bei den Jahrmärkten, auch die sind vollständig von Zäunen umschlossen.“ „Hier ist es noch nicht so kommerzialisiert wie in den USA. Der Weihnachtsmarkt wirkt für mich eher wie ein Flohmarkt mit Weihnachtsthematik“, sagt er.

Abspannen im Merkel’schen Bad

„Manchmal hängt mir Weihnachten dann schon zum Hals raus, aber wir werden den Stress bei einem Saunabesuch im Merkel‘schen Bad wieder los“, lacht Arian Nárez, der seit über 20 Jahren aus Berlin auf den Esslinger Mittelaltermarkt reist, um seinen Schmuck zu verkaufen. Während ihm seine Tätigkeit an Weihnachten wegen der großen Entfernung zu seiner Heimat auch etwas Stress einbringt, lässt er diesen nicht zu sehr an sich heran. Vermutlich gelingt ihm das auch, weil alle Standbesitzer auf dem Markt Freunde sind, die Atmosphäre also allgemein eher entspannt ist. An Weihnachten kehrt er dann wieder zu seiner Familie zurück, worauf er sich schon jetzt sehr freut.

Für Standbesitzer Joachim Kritz ist das lang anhaltende schöne Wetter ein „Weihnachtsstimmungskiller“. Trotz seine Tätigkeit auf dem Markt wird aber auch bei ihm zu Hause Weihnachten immer noch besinnlich im Kreise der Familie gefeiert, die für ihn im Vordergrund des Festes steht.

Allerdings bemerkt auch Kritz, der mit seinem seit 15 Jahren auf dem Esslinger Weihnachtsmarkt jährlich aufgebotenen Stand ein wahrer „Glühweinveteran“ ist, bei manchen Kunden in der Vorweihnachtszeit: „Besonders am Wochenende sind manche Leute einfach gestresst“. Er fügt aber hinzu, dass er bei seiner Arbeit auf dem Cannstatter Wasen im Sommer oft eine ähnliche Mentalität beobachtet. In der Konsequenz empfindet er auch den weihnachtlichen Konsumdruck nicht als Auslöser für den Stress der Marktbesucher, sondern viel mehr die familiäre Situation in Kombination mit fehlenden Parkmöglichkeiten, einer dem großen Andrang geschuldeten schlechten Verkehrslage und dem vorweihnachtlichen Druck im Beruf. Er ist überzeugt: „Die Leute machen sich den Stress selbst!“

Im Großen und Ganzen scheint zumindest der Weihnachtsmarkt nicht zum ominösen Weihnachtsstress beizutragen – finden zumindest die Standbesitzer. „Ich verdiene damit natürlich mein Geld und gebe auch zu, dass ich selbst noch nicht den richtigen Weg gefunden habe“, schmunzelt der Suppenkasper zum Thema vorweihnachtlicher Konsumstress.