Die königlich-württembergische Post eröffnet 1901 am Esslinger Bahnhofsplatz ein repräsentatives Post- und Telegrafenamt Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

1901 öffnet die königlich-württembergische Post am Bahnhofsplatz – und was sonst in Stadt und Welt passierte.

EsslingenZum Abschluss des Kolonialkriegs in China werden dem Land zu Beginn des Jahres 1901 Friedensbedingungen mit großen Einschränkungen der Souveränität und enormen Entschädigungszahlungen diktiert, von denen auch das Deutsche Reich profitiert. In Westafrika nutzen die deutschen Kolonialtruppen die Niederschlagung eines Aufstands der Bevölkerung zur Annexion weiterer Gebiete.

Im Januar 1901 stirbt die britische Königin Viktoria nach 64 Jahren auf dem Thron im Alter von 82 Jahren. Ihr 60-jähriger Sohn Albert Edward wird als Edward VII. König. Dessen designierter Thronfolger Georg, Herzog von York, findet in der Eßlinger Zeitung wegen seiner Verbundenheit mit der Region besondere Aufmerksamkeit. „Letzterer ist vermählt mit der Fürstin von Teck, Victoria Mary, als Tochter des Herzogs Franz von Teck, Grafen von Württemberg.“

Der deutsche Auswanderer Gustav Weißkopf arbeitet in den USA an Flugmaschinen und reklamiert den ersten Flug mit Hilfe von Motorkraft für sich. Die vorgelegten Beweisfotos werden jedoch angezweifelt. Luftfahrthistoriker schreiben den Brüdern Wilbur und Orville Wright den ersten Motorflug im Jahr 1903 zu. In Wuppertal wird die Schwebebahn eröffnet. Dem italienischen Ingenieur Guglielmo Marconi gelingt die erste drahtlose Übertragung von Funksignalen über den Atlantik.

Wilhelm Conrad Röntgen erhält für seine Entdeckung der nach ihm benannten Strahlen den Nobelpreis für Physik. Das städtische Krankenhaus Esslingen schafft einen Röntgenapparat an, dessen Funktionsweise bei einem Vortrag des Lehrervereins für Naturkunde erläutert wird. Die Eßlinger Zeitung berichtet davon in einem mit medizintechnischen Details gespickten Artikel. Darin werden auch weitere Anwendungsmöglichkeiten erwähnt: „Daß auch die Zollbehörden sich der Röntgenstrahlen schon bedienen, um die armen Reisenden zu schikanieren, ist bekannt.“ Im Dezember erhält Esslingen am Bahnhofsplatz nach 18 Monaten Bauzeit ein repräsentatives Postgebäude. Die Eßlinger Zeitung druckt die Reden der Honoratioren anlässlich der Eröffnung ab. Der Präsident der königlich-württembergischen Oberpostdirektion Eberhard von Böltz begründet den manchen Zeitgenossen als überdimensioniert erscheinenden Bau mit Zahlen. Demnach ist die Zahl der Postsendungen von 681 000 Stück im Jahr 1881 auf mehr als 2,7 Millionen im Jahr 1901 gestiegen, das 44 Bedienstete zählende Personal werde „nach Herübernahme des Telegraphen- und Telephondienstes aus 66 Köpfen bestehen“. Die Reichsregierung setzt weiter auf eine protektionistische Wirtschaftspolitik. Ein neues Zolltarifgesetz mit starken Erhöhungen der Einfuhrzölle für Agrarprodukte soll die heimische Landwirtschaft vor Billigimporten schützen. Die Eßlinger Zeitung befürwortet die restriktive Politik und fordert höhere Zölle, da sie den heimischen Wein- und Gemüsegärtnern Verdienst sicherten. Sie seien nicht in der Lage, „mit dem Auslande, Frankreich, Holland, Österreich, die weniger auf Qualität als auf billige Ware sehen, zu konkurrieren“. Die Einnahmen der Esslinger Landwirte hätten „einen ganz wesentlichen Einfluss auf das Geschäftsleben in Stadt und Land“, denn das Geld käme durch Anschaffungen vor Ort „wieder im weitesten Sinne des Wortes unter die Leute“.