Alexander Maier Foto: Gaby Weiß - Gaby Weiß

Dass die Esslinger Stadtbücherei im Pfleghof bleiben wird, ist mittlerweile klar. Nun packt die Stadt die nächsten Schritte an - dabei ist auch die Meinung der Bürger gefragt.

EsslingenZwei Wochen nach dem Bürgerentscheid, der ein klares Votum für die Modernisierung und Erweiterung der Esslinger Stadtbücherei im Bebenhäuser Pfleghof gebracht hat, drücken die Verantwortlichen im Rathaus aufs Tempo. In einer gemeinsamen Sitzung haben vier Ausschüsse des Gemeinderats über das weitere Vorgehen beraten und Zustimmung zum Zeitplan der Stadtverwaltung signalisiert. Beschlossen wird der Terminkalender am 11. März. Doch das breite Einverständnis der Stadträtinnen und -räte mit den Vorschlägen der Verwaltung lässt erwarten, dass sich nichts Entscheidendes mehr ändern dürfte. Ein zentraler Baustein im Konzept des Oberbürgermeisters ist eine breit angelegte Bürgerbeteiligung, für die man sich nun mehr Zeit nehmen will als zunächst vorgesehen. Ende Juli 2026 soll die neue Bücherei im Bebenhäuser Pfleghof fertig sein.

Die gemeinsame Sitzung von Verwaltungsausschuss, Kulturausschuss, Ausschuss für Technik und Umwelt sowie Betriebsausschuss Städtische Gebäude fand hinter verschlossenen Türen statt. Doch für die Zukunft hat sich die Stadt mehr Transparenz vorgenommen. „Der Bürgerentscheid hat gezeigt, wie sehr sich die Esslinger für ihre Stadtbücherei interessieren“, sagt OB Jürgen Zieger. „Deshalb wollen wir die Bürgerinnen und Bürger bei Planung und Bau der neuen Bibliothek intensiv einbeziehen und ihnen Gelegenheit bieten, sich mit ihren Ideen und Wünschen einzubringen. Oberstes Ziel muss sein, die bestmögliche Lösung für eine zukunftsorientierte Bücherei im Pfleghof zu finden. Der Fahrplan zur Realisierung trägt diesem Wunsch Rechnung.“

Bereits am 15. März beginnt eine erste Phase der Bürgerbeteiligung. Bis Ende Juni werden Abgesandte unterschiedlicher Interessensgruppen mit externen Fachleuten, Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs und Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer die Grundlage für einen Architekturwettbewerb schaffen. In der Expertenrunde werden Vertreter des Fördervereins der Bücherei, der Initiative zum Bürgerbegehren, der Schulen, des Gesamtelternbeirats, des Jugendgemeinderats, des Stadtseniorenrats, des Fachrats für Migration und Integration, der Fachstelle für das Bibliothekswesen sowie drei ausgeloste Büchereinutzer vertreten sein. Auf Wunsch von SPD und Grünen wird außerdem ein Experte aus dem Bereich Inklusion berufen. Dieses Gremium wird über das Raumprogramm, das Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs und ihr Team erarbeitet haben, beraten. In einem zweiten Schritt werden alle Bürgerinnen und Bürger dann am 10. Mai zu einem öffentlichen Workshop ins Neckar Forum eingeladen. Dort wird das Raumprogramm vorgestellt – anschließend können die Besucher in Arbeitsgruppen Vorschläge zu den einzelnen Funktionsbereichen der Bücherei machen. Was beim öffentlichen Workshop aufs Tapet kommt, wird erneut im Expertengremium beraten, ehe der Gemeinderat das Raumprogramm der künftigen Stadtbücherei am 22. Juli als Grundlage für den Architekturwettbewerb absegnet.

Sobald der Architekturwettbewerb abgeschlossen ist, beginnt die zweite Phase der Bürgerbeteiligung. Dann werden auf der Grundlage des Architektenentwurfs in einem „Design Thinking“-Prozess Büchereikonzeption und Raumprogramm in konkrete Inhalte übersetzt. „Diese intensive Form der Beteiligung löst Gestaltungsfragen der Bücherei ausgehend von den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer“, erklärt Rathaus-Sprecher Roland Karpentier. „Dazu werden zahlreiche Interviews geführt und auf deren Grundlage Gestaltungsideen entwickelt.“ Diese Ideen werden von Büchereinutzern begutachtet, kommentiert und bewertet. Um einen anschaulichen Eindruck zu vermitteln, werden in dieser Phase beispielhaft konkrete Büchereiräume, Ausstattungsmöglichkeiten oder Funktionen präsentiert. Diese zweite Phase der Beteiligung ist während des gesamten Zeitraums bis zur Eröffnung der neuen Bücherei Ende Juli 2026 vorgesehen. „Bibliotheken entwickeln sich kontinuierlich weiter“, erklärt der Oberbürgermeister. „Deshalb kann der Prozess des ‚Design Thinking’ mit dem Baubeginn nicht abgeschlossen sein.“

Der Fahrplan für den Weg zur neuen Bücherei

Untersuchungen zu Statik, Geologie, Altlasten und Denkmalschutz im Bereich des Bebenhäuser Pfleghofs sind vom 11. März bis zum 9. Juni 2019 geplant.

Bürgerbeteiligung: Zunächst berät ein Expertengremium vom 15. März bis zum 12. April 2019 über das Raumprogramm der künftigen Stadtbücherei, dann können die Bürger in einem öffentlichen Workshop am 10. Mai im Neckar Forum ihre Meinung sagen. Anschließend sind vom 13. Mai bis zum 30. Juni 2019 wieder die Experten am Zug. Der Gemeinderat soll das Raumprogramm am 22. Juli beschließen. Das so genannte „Design Thinking“, in dessen Verlauf das Raumprogramm der neuen Bücherei mit Inhalten und gestalterischem Leben erfüllt werden soll, soll vom 1. April 2020 bis 31. Juli 2026 als kontinuierlicher Prozess laufen.

Wettbewerb: Nach den Vorgaben der Stadt wird es einen Architektenwettbewerb geben, den der Gemeinderat am 20. Mai 2019 förmlich beschließen soll. Offiziell ausgelobt wird der Wettbewerb am 26. Juni 2019, bis 26. November 2019 entscheidet das Preisgericht, welcher Entwurf weiterverfolgt wird. Der Planungsbeschluss des Gemeinderats ist bis zum 15. April 2020 vorgesehen, dann beginnt auch das förmliche Bebauungsplanverfahren, das bis 8. September 2021 abgeschlossen sein soll. Und bis zum 21. Januar 2022 sollen Planung, Ausschreibung und Vergabe der Baumaßnahmen endgültig in trockenen Tüchern sein.

Baumaßnahmen: Der Baubeschluss des Gemeinderats für den Rückbau der so genannten Nanz-Halle ist für den 15. September 2021 geplant. Am 4. Oktober 2021 sollen die Abbrucharbeiten im nicht denkmalgeschützten Teil der heutigen Bücherei und anschließend die archäologische Erkundung des Baugrunds starten. Die Neubau-, Erweiterungs- und Modernisierungsarbeiten sollen dann am 4. April 2022 beginnen und nach aktueller Planung bis Ende Juli 2026 dauern.

Kommentar von Alexander Maier

Die Bürger haben gesprochen – und sie haben sich mit breiter Mehrheit für Modernisierung und Erweiterung der bisherigen Stadtbücherei im Bebenhäuser Pfleghof und gegen einen wenig überzeugenden Neubau in der Küferstraße ausgesprochen. Dass mehr als 15 000 Esslingerinnen und Esslinger für den bisherigen Standort und gegen die Entscheidung des Gemeinderats votiert haben, ist ein klares Signal: für den Pfleghof – und für mehr Bürgerbeteiligung. Vielen war es sauer aufgestoßen, dass weite Teile der Standortentscheidung hinter verschlossenen Türen stattfanden. Dabei ist die Zukunft der beliebtesten Kultureinrichtung der Stadt ein Thema, das außergewöhnlich viele beschäftigt – und zu dem die rund 1000 Besucherinnen und Besucher, die täglich in der Bibliothek gezählt werden, einiges zu sagen haben. Die Quittung dafür, dass man im Rathaus zu wenig auf die Menschen gehört hat, gab es beim Bürgerentscheid.
Doch die Stadt scheint ihre Lektion gelernt zu haben, und sie will dem Wort der Bürger auf dem Weg zur neuen Bücherei deutlich mehr Gewicht geben. Dass OB Jürgen Zieger zuletzt darauf gedrängt hat, den ursprünglichen Zeitplan noch etwas großzügiger auszugestalten, als seine Mitarbeiter zunächst vorgesehen hatten, ist ein ermutigendes Zeichen. Wer es mit der Bürgerbeteiligung ernst meint, muss genügend Raum für Diskussionen lassen. Sonst bleibt die Bürgerbeteiligung nur ein zwar wohlklingendes, im Grunde aber inhaltsleeres Wort. Wenn die Stadt nun die Bürger nicht nur zu Wort kommen lässt, sondern deren Anregungen und Wünsche wirklich ernst nimmt, könnte daraus etwas entstehen, das über das Bücherei-Thema hinaus wirkt. Oft und gern wird die Bibliothek neben Wohnung und Arbeitsplatz als „dritter Ort“ der Identifikation genannt. Wer diesen Begriff nicht nur gebetsmühlenhaft bemüht, sondern ernst nimmt, muss auf diejenigen hören, die die Bücherei schon jetzt zu ihrem „dritten Ort“ machen. Nichts wäre schlimmer, als die Bürger zwar zu befragen, am Ende aber doch zu machen, was man ohnehin vorgesehen hatte.