Die gesamte Balkenkonstruktion der Turmstube der Stadtkirche muss saniert werden Foto: Stadtkirche/Granville

Bei den Reparaturarbeiten am Turm der Leonberger Stadtkirche wurden weitere gravierende Schäden an der Holzkonstruktion entdeckt. Die müssen nun zügig behoben werden.

Kein Frohlocken am Tag der Geburt Jesu, keine Begrüßung des neuen Jahres – nur Stille. Vom morgigen Dienstag an werden die Glocken der Leonberger evangelischen Stadtkirche für voraussichtlich mehr als ein halbes Jahr schweigen. Schuld daran sind jüngst entdeckte, gravierende Schäden an der Holzkonstruktion des oberen Teils des Turmes. Die gefährden hier die Stabilität des Bauwerks, können aber mit großem Aufwand behoben werden.

Dass es Probleme mit dem Kirchturm gibt, ist nicht neu. Vor drei Jahren wurden abgebröckelte Steinteile am Fuß des Turmes gefunden. Ein Alarmzeichen, dass die Bausubstanz angegriffen ist. Deshalb hat die Kirchengemeinde beschlossen, das Bauwerk von Fachleuten untersuchen zu lassen. Die haben festgestellt, dass die Sandsteine, die im oberen Teil des Turmes verbaut sind, abbröckeln. Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass auch die Holzkonstruktion des Daches Schäden aufweist.

Im Sommer wurden die Steinarbeiten an die auf Denkmalschutz spezialisierte Firma Dengel aus Schöntal und die Holzarbeiten an der Turmhaube und der Dachkonstruktion an das Eltinger Zimmergeschäft Jürgen Ziegler für rund 940 000 Euro übergeben. Die sind auch beide zügig am Werk und so sollten die Arbeiten bald abgeschlossen sein.

Marode Sandsteine

Auf Order des Landesdenkmalamtes sind die Steinmetze bei der Sanierung der maroden Sandsteine dazu angehalten, diese soweit abzumeißeln, bis kein Material mehr abbröckelt. Dann werden die Schadstellen angeschrägt, damit kein Wasser eindringt und weitere Schäden verursacht. Doch aus Erfahrung weiß man, dass das für gut 20 Jahre hilft. „Nur in seltenen Fällen, in denen die Steine so stark beschädigt sind, dass diese Methode nicht hilft, dürfen wir Vierungen einsetzen“, sagt der Eltinger Architekt Wolfgang Hartmann. Er begleitet für die Kirchengemeinde Leonberg Nord die Reparaturarbeiten. Vierungen sind etwa acht Zentimeter dicke Steinplatten, die an Stellen eingesetzt werden, wo der Stein so marode ist, dass er abgetragen werden muss.

Die Balken am oberen Turmkranz hatte ein Fraßpilz ausgehöhlt. Foto: Simon Granville

Die Eltinger Zimmerleute haben sich das Dach des Turmes vorgenommen. Sie haben die historischen First- und Gratziegeln, dazu die Dachplatten abgedeckt und zwischengelagert sowie die Turmzierde, mit vergoldetem Kreuz, Hahn und Kugel abmontiert. Keine Überraschung war es, dass das Holz der Turmhaube und der Dachkonstruktion in keinem guten Zustand war. Die Balken am oberen Turmkranz hatte ein Fraßpilz ausgehöhlt und Käfer hatten ihnen zugesetzt.

Dieser obere Turmkranz schließt die Turmstube ab und trägt die Dachkonstruktion der Turmhaube. Die Stube ist der Raum aus dem die Turmbläser und Besucher des Kirchturmes den Rundgang betreten können, der wie ein Kranz den Turm umgibt. Die Wände der Turmstube sind in Fachwerkkonstruktion errichtet und tragen auch die vier riesigen Zifferblätter der Kirchenuhr. Sie liegt über der Glockenstube in der das tonnenschwere Läutwerk der Kirche untergebracht ist.

Als nun die Zimmerleute an einen der unteren Balken des Fachwerkes eine Verstärkung anschrauben wollten, drehten die Schrauben schon nach wenigen Zentimetern hohl – ein Zeichen, dass der Balken morsch ist. „Das Schlimme an der Sache ist, dass die Schäden von außen nicht sichtbar sind“, sagt Wolfgang Hartmann. Fachleute wurden hinzugezogen und deren Expertise ließ aufhorchen. „In fünf, sechs Jahren hätten wir erhebliche Probleme bekommen“, sagt der Architekt.

Verfaulte Balken

Der gesamte Putz von der Sanierung im Jahre 1915 wurde abgetragen und dahinter zeigt sich Gravierendes. Die meisten Balken sind bis auf wenige Zentimeter verfault. Und schnell war auch die Ursache klar. Die Handwerker von 1915 hatten auf die Balken und die Wände Bitumenbahnen genagelt und darüber einen sehr dicken Putz auf Zementbasis aufgetragen. Das sollte wohl vor Regenwasser schützen, verhinderte aber auch, dass die Feuchtigkeit aus dem Holz entweichen konnte. So wurde der Fäulnisprozess begünstigt.

1915: Handwerker haben damals bereits die Kirche saniert – und dabei unwissentlich Fehler begangen. Foto: Simon Granville

„Ein weiterer Fehler war, dass sie die Gefache zwischen den Balken der Fachwerkkonstruktion mit Bimsstein ausgemauert haben“, schildert der Architekt. Der sei zwar leicht, aber ziehe auch Feuchtigkeit an. Zudem wurde wohl aus Gründen der Sparsamkeit, an mehreren Stellen Balken aus Nadelholz anstatt aus resistenter und teurerer Eiche eingebaut.

Kosten: weitere 85 000 Euro

Nun muss die gesamte Balkenkonstruktion der Turmstube saniert werden, was zusätzlich weitere 85 000 Euro kosten wird. Dafür wird dieser Tage in der darunterliegenden Glockenstube ein solides Gerüst eingebaut. Das soll zum einen den Handwerkern erlauben auch von unten an die morschen Balken heranzukommen und zum anderen die marode Holzkonstruktion der Turmstube zu stützen. Deshalb dürfen die Glocken nicht mehr geläutet werden.

„Zum Glück wurde das alles jetzt entdeckt, sodass es behoben werden kann, aber es bringt unsere gesamte Kalkulation durcheinander“, sagt die Stadtpfarrerin Heidi Essig-Hinz. Nun sei man noch mehr auf Spenden angewiesen.

Wer helfen will, kann das tun: Über die Internetseite www.ev-kirche-leonberg unter „Helfen“ und dann „Spenden“.