Mit Musik wurde der zehnte Geburtstag der Stadtbibliothek am neuen Standort gefeiert. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Am Samstag feierte die Stadtbibliothek ihren zehnten Geburtstag am heutigen Standort. Höhepunkt war ein effektvolles Balkonkonzert.

Stuttgart-Mitte - „Warst Du da schon mal drin?“ fragt Laura (17) ihren Freund und deutet in Richtung Stadtbibliothek. „Nein“,entgegnet der. „Ich weiß gar nicht genau, was das ist, aber es sieht cool aus. Ich glaub, die Fenster leuchten Nachts blau, oder?“ Der Bücherhort mag noch nicht jeden zu einem Besuch verlockt haben. Der markante Kubus, der vor zehn Jahren beim Umzug der Institution vom Wilhelmspalais an den Mailänder Platz teils heiß diskutiert wurde aber hat sich fraglos zu einem Wahrzeichen der Stadt gemausert. Am Samstag ist die erste Dekade am Standort im Europaviertel Grund, zumindest ein bisschen zusätzliche Aufmerksamkeit zu erregen. Im Rahmen eines dank Corona eher unauffällig zelebrierten Jubiläumstages.

Wer nach Anzeichen für einen Feier-Tag sucht, muss sich zunächst aufmerksam umsehen. Wenig offensichtlich steht der Aufsteller mit den samstäglichen Angeboten zum Zehnjährigen neben dem Haupteingang. Im zweiten Stock etwa können Kinder Wimpel gestalten. Einige hängen bereits. Ein kleiner Junge hat sich alternativ dafür entschieden, auf der Rückseite des Vordrucks zu malen. Begeistert hinterlässt er mit dem Wachsmalstift bunte Spuren. Lina (5) sichtet derweil mit ihrer Mutter die Bilderbücher. „Wir sind regelmäßig hier“, sagt diese. Die Atmosphäre sei freundlich, gerade auch für den Nachwuchs. Man könne in Ruhe aussuchen. Sie fühle sich in der Stadtbibliothek heimisch. „Kennst Du Pippi Langstrumpf?“ fragt sie die Tochter und blättert in einem Band mit der rotbezopften Heldin. Vermutlich erinnert sie sich für einen Moment an die eigene Kindheit. Um Erinnerung geht es auch drei Stockwerke höher. Hier sind Erinnerungskoffer ausgestellt. Die neu zur Verfügung gestellten halbdurchsichtigen Plastikbehältnisse enthalten Bücher, Gegenstände oder CDs zu verschiedenen Themenwelten: Männer, Haustiere, Musik und Tanz, Weihnachten – die Auswahl ist breit gefächert. Entliehen werden können die Köfferchen ab sofort von Demenzkranken und Angehörigen. Sie sollen sich aktivierend auf das Gedächtnis auswirken.

Lernen in der Sonne

Im Max-Horkheimer-Kabinett auf Ebene Drei hat sich eine Gruppe Schülerinnen versammelt, um Italienisch zu lernen. „Hier ist es ruhig und heute auch noch sonnig“, erklärt eine von ihnen begeistert. Sie seien schon mehrfach zum arbeiten hergekommen und würden dies auch sicher wieder tun. Jana (19) hingegen ist zum ersten Mal im Gebäude. Sie hat sich im 8. Stock in der Graphotek niedergelassen, wo zur Feier des Tages eine Auswahl an kurzen Animationsfilmen gezeigt wird. Nachdenkliches wie „Immer Müder“ von Jochen Kuhn, Spaßiges wie „Rob’n’Ron“, ein schräger Cowboystreifen aus Dänemark. Die Kunst der Animation hat seit zehn Jahren ihren festen Platz im Hause, auch in Form der Online Animation Library des Internationalen Trickfilm Festivals Stuttgart (ITFS). Es gibt eine weitere Jubiläums-Spur: Das Dach des Bibliotheks-Modells auf Ebene Vier zieren eine 10 und ein Geburtstagskuchen. Auch eine Theaterpremiere findet am Nachmittag in der Bibliothek statt, die jährlich von anderthalb Millionen Menschen besucht wird. Ausgelegt war sie eigentlich auf eine Million Besucherinnen und Besucher.

Musik aus den Fenstern

Um 14 Uhr richtet sich dann doch noch die Aufmerksamkeit vieler Passanten auf den Bibliotheksbau. Jugendliche blicken von den Bänken her zur Fassade auf. Paare bleiben stehen. Eine Posaune klingt über den Platz. Suchende Blicke mühen sich, den Musiker Eberhard Budziat auszumachen, der im oberen Stockwerk rechts auf einem der Balkone steht. Ein Altsaxofon, gespielt von Magnus Mehl, antwortet. Etwas tiefer im 5. Stock. Das akustische Erlebnis der aus verschiedenen Richtungen erklingenden Instrumente (bald schon gesellen sich Martin Keller am Tenorsaxofon und Trompeter Hans-Peter Ockert, mal solo, mal gemeinsam improvisierend hinzu) die sich langsam mehr und mehr verweben, findet interessierte Zuhörer und eifrige Smartphonefilmer. Dann setzt das Trio Philipp Tress, Yaron Stavi und Ferenc Mehl an Gitarre, Bass und Schlagzeug ein. Funkig. Jazzig. Die drei haben auf direkt nebeneinanderliegenden Balkonen Stellung bezogen. Das erleichtert das Zusammenspiel und bildet eine Basis für die Bläser, die sich nach und nach aus dem Gebäude begeben, um zwischen den Menschen zu musizieren. Das halbstündige Konzert ist der Höhepunkt des Jubiläumssamstags. Von größeren Feierlichkeiten hat man in diesem Jahr abgesehen. Sie hätten aufgrund der geltenden Corona-Vorschriften große Einschränkungen mit sich gebracht. In der Hoffnung, dass sich die Lage bis dahin entspannt, wurden sie, trotz bereits erfolgter Vorbereitungen, auf 2022 verschoben.