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Der Trend zeigt sich seit einigen Jahren: Die Werkrealschulen (WRS) verabschieden sich nach und nach aus der Bildungslandschaft. Derzeit geht es in Plochingen um die Abwicklung dieser Schulart. In der heißen Diskussion spielen unterschiedliche Interessen eine Rolle: Trends in der Wahl der weiterführenden Schule, Geldmangel und Personalnot. Wer dabei am Ende den Kürzeren zieht, sind womöglich die Schüler.

Die Zeiten, in denen ein Vierer-Zeugnis in der Grundschule dafür gesorgt hat, dass ein Kind auf die Werkreal- statt die Realschule geht, sind vorbei. Heute entscheiden die Eltern – und zwar vor allem gegen die WRS. Die Landesregierung reagierte mit der Möglichkeit, an der Realschule in Klasse 9 eine Hauptschulprüfung machen zu können. In Plochingen, wo nun sowohl an der Realschule als auch an der Burgschule auf den Hauptschulabschluss hingearbeitet werden kann, sieht die Stadtverwaltung das als Doppelstruktur. Die klamme Kommune, die das Mammutprojekt der Sanierung des Unteren Schulzentrums angehen will, hat darum die Abwicklung des WRS-Zuges angestoßen.

Werkrealschulzüge, die noch bestehen (grünes Symbol) und auslaufende Werkrealschulzüge (rot). Die schwarzen Symbole weisen auf ehemalige Werkrealschulen hin, die in andere Schularten umgewandelt wurden. Durch Klicken auf die Symbole erscheinen Informationen zu den Schulen. Grafik: Buschhaus mit googlemap

Es hatte nach einem Dissens mit Wernau und Reichenbach ausgesehen, die ebenfalls von ihren Werkrealschulen weg wollen. Doch nun gibt es eine Einigung: Die Nachbargemeinderäte haben dem Plochinger Plan zugestimmt, in der Erwartung, dass Plochingen sein Veto gegen das Ende der Wernauer WRS zurückzieht und nicht bremst, wenn Reichenbach dem Beispiel folgt.
Im Plochinger Verwaltungsausschuss ging es am Dienstag dennoch heiß her. Denn die Plochinger Schulen halten wenig von dem Vorhaben. Die Meinung der Burgschulgemeinschaft ist bekannt. Schulleiterin Eva Marggraf sieht einige ihrer Schüler weder in Gemeinschaftsschulen noch in der Realschule ausreichend versorgt. Zum einen, weil in der Realschule zuerst auf mittleren Niveau unterrichtet werde und erst ab Klasse 7 eine Differenzierung in Leistungsniveaus komme, erläutert sie im Namen der Schulkonferenz. Das sei für schwache Schüler nur schwer zu erreichen. „Es ist sicher davon auszugehen, dass ein Kind in einer solchen Situation frustriert und demotiviert ist.“ Das selbst organisierte Lernen in Gemeinschaftsschulen, so Marggraf, sei nicht für jeden Lerntyp geeignet. Wenn auch die Reichenbacher Werkrealschule schließe, bliebe nur noch die Fahrt nach Kirchheim, wo die Alleenschule letzte ihrer Art wäre. Angesichts dieses Schulwegs ist sich Marggraf sicher, würden viele Eltern ihr Kind doch an der Realschule anmelden. Für Aufruhr sorgte zudem Realschulrektorin Alexandra Denneler, die nur in der Zuhörerschaft saß und auf Anfrage aus dem Gremium sagte, dass auch sie eine Schließung der WRS schade fände: „Wir haben Schüler auf der Realschule, die besser auf der Werkrealschule aufgehoben wären.“ Sie seien schlichtweg überfordert. Zwar würden der Schule zur Förderung der unterschiedlichen Niveaus zusätzliche Differenzierungsstunden zur Verfügung gestellt, doch aufgrund personeller Engpässe würde dort zuerst gespart.
Bürgermeister Frank Buß kritisierte das Land heftig. Er erinnerte an die Bemühungen Plochingens zur Rettung der Werkrealschule über einen Verbund mit der Realschule. Der wurde von der Kultusverwaltung abgelehnt. Der Bürgermeister verwies auf den Zeitdruck unter dem die Stadt mit der Sanierung des Unteren Schulzentrums steht: Sie ist in der favorisierten Version nur dann möglich, wenn durch den Wegfall der WRS Räume frei werden. Sonst müssten Interimsbauten finanziert werden. „Wir reden hier von Millionen zusätzlicher Investitionskosten“, so Buß. Er sei die Verantwortung des Landes, dass die Realschulen so bestückt würden, dass der Unterricht auf Grund-Niveau funktioniere.
Dieser Argumentation folgten die Fraktionen von CDU, OGL und Freien Wählern. Für SPD-Rat Thomas Fischle sprechen dagegen weiterhin die Argumente der Burgschule für den Erhalt der Werkrealschule. „Auch diese Kinder haben ein Recht auf einen Abschluss in ihren Möglichkeiten.“ Ende des Monats soll der Gemeinderat nun endgültig entscheiden, ob die Stadt die Schließung der Werkrealschule weiter vorantreibt. Die Entscheidung liegt aber beim Regierungspräsidium Stuttgart. Das Staatliche Schulamt Nürtingen gibt eine Stellungnahme ab. Dessen Direktorin Claudia Schimitzek wollte dem noch nicht vorgreifen, solange sie noch nicht alle Begründungen vorliegen habe. Im Gespräch machte sie aber klar, dass der Weg nach Kirchheim als zumutbar gilt. „Unser allergrößter Wunsch ist, Klarheit zu haben“, sagte Eva Marggraf im Verwaltungsausschuss. Bei allem Bedauern über eine Rückentwicklung der Werkrealschule.