Morgens eine Nachricht an den Arbeitgeber schicken und spontan zuhause bleiben. Das verspricht der „Null-Bock-Tag“. Foto: //Vasily Pindyurin

Weder Urlaub nehmen, noch krankmelden: Mit dem „Null-Bock-Tag“ bieten einige Unternehmen ihren Angestellten an, spontan zuhause zu bleiben. Was sagen Stuttgarter Experten dazu und wie verbreitet ist das Konzept in Baden-Württemberg?

Der Wecker klingelt, doch die Nacht war alles andere als erholsam? Die letzten Arbeitstage waren kräftezehrend und die Motivation ist im Keller? Solche Tage kennt wohl jeder. Dann gilt in der Regel: Zähne zusammenbeißen und bis zum Feierabend durchhalten.

Für Angestellte in einigen Unternehmen gibt es jetzt hierfür eine einfachere Möglichkeit: Der „Null-Bock-Tag“. Den Wecker ausstellen, kurze Nachricht an den Arbeitgeber, und beherzt im Bett umdrehen und weiterschlafen.

Der „Null-Bock-Tag“, ein in Großbritannien entstandenes Konzept, bietet die Möglichkeit, sich an Tagen der Erschöpfung einfach frei zu nehmen, ohne dafür Urlaub oder einen Krankheitstag einreichen zu müssen. In britischen Unternehmen werden diese Tage „Reset-Days“ oder „Can’t be arsed“-Tage genannt.

Große Unternehmen machen es vor

Während Firmen wie Microsoft, LinkedIn oder Google solche Modelle bereits eingeführt haben, wie die britische Unternehmensberatung MTD Training berichtet, wird die Debatte über den Nutzen und die Nachhaltigkeit dieser Praxis in Deutschland heiß geführt. Als deutscher Vorreiter in dem Gebiet gilt das Berliner Unternehmen Einhorn, das schon seit einigen Jahren dieses Konzept für ihre Angestellten anbieten.

Befürworter sehen in den „Null-Bock-Tagen“ eine Strategie zur Förderung der mentalen Gesundheit der Belegschaft. Indem sich Mitarbeiter an Tagen zurückziehen dürfen, soll langfristigen Erschöpfungssymptomen vorgebeugt und das Wohlbefinden gesteigert werden. Kritiker hingegen betrachten das Konzept skeptisch.

„Es bekämpft Symptome, nicht die Ursachen“

Die Stuttgarter Arbeitsmedizinerin und Ärztin Doreen Blach kennt die Probleme psychisch belasteter Arbeitnehmer aus ihren Patientenkreisen. Dennoch betrachtet sie die „Null-Bock-Tage“ kritisch. „Ich frage mich, was diese Tage bringen sollen“, sagt sie. Für sie sei es nur eine Symptombekämpfung – keine tiefgreifende Lösung. Sie fragt: „Ist es nicht besser, ins Gespräch zu gehen und darüber zu sprechen, warum die Arbeit keinen Spaß macht?“

Blach hat die Erfahrung gemacht, dass oft nicht die Tätigkeit an sich das Problem darstellt, sondern das Arbeitsklima. Ein angespanntes Umfeld, in dem nur Zahlen und Leistung zählen, so Blach, könne Menschen früher oder später demotivieren. Auf der Arbeit müsse das Zwischenmenschliche mehr in den Vordergrund gerückt werden. „Der Mensch ist ein Kommunikationswesen und braucht jemanden, der zuhört. Auch auf der Arbeit.“

Sie ist überzeugt, dass schon durch ein positiveres Betriebsklima und „mehr Menschlichkeit“ in Unternehmen, der Bedarf für „Null-Bock-Tage“ überhaupt gar nicht entstehen würde. Ein gut funktionierendes Miteinander, aktiv gesteuert von der Führungsebene, so Blach, ist oft der erste Schritt zu einem gesünderen Arbeitsumfeld.

New Work Experte sieht darin kein Allheilmittel

Der Inhaber und Initiator vom Kollektiv New Work aus Stuttgart, Malte Eckert, teilt Blachs Skepsis und stellt die Wirksamkeit des Konzepts infrage. „Grundsätzlich sollte man alles versuchen, wenn der Kontext des Unternehmens und der Reifegrad das hergibt“, räumt er ein. Unternehmen, die traditionell hierarchisch strukturiert sind, könnten von diesem Modell jedoch überfordert sein. „Es geht im Grunde immer über den Kontext und welches Problem behoben werden soll“, sagt er. Um das Problem dahinter herauszufinden sei es wichtig, viele Fragen zu stellen. Und anschließend das richtige Mittel zu finden, um das Problem zu lösen. Für ihn ist der „Null-Bock-Tag“ nicht die Patentlösung: „Das fände ich zu einfach“, sagt er.

„Null-Bock-Tag“ oder einfach krankmelden?

Doreen Blach verweist auf die geltende Regelung in Deutschland, die Arbeitnehmenden eine Freistellung von bis zu drei Tagen ohne ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ermöglicht. Damit bietet das Gesetz bereits Spielraum für spontane Auszeiten. „Der Gesetzgeber macht es Arbeitnehmern schon recht einfach mit drei Tagen ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“, sagt sie. Nach ihrer Ansicht lässt sich der „Null-Bock-Tag“ daher kaum von einem Krankheitstag abgrenzen – er scheint bloß ein neues Etikett für eine bereits bestehende Regelung zu sein. In anderen Unternehmen wiederum, muss eine Krankmeldung vom Arzt bereits am ersten Tag vorliegen. Zweifelhaft ist aber, ob diese Unternehmen dieselben sind, die für ein Konzept wie den „Null-Bock-Tag“ offen sind.

Modeerscheinung oder langfristiger Beitrag zur Gesundheit?

In Baden-Württemberg ist dieses Modell bisher wenig verbreitet. Große Unternehmen, wie etwa BASF oder Bosch setzen auf andere Freiheiten, wie etwa die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten. Dazu gehört auch der Outdoorbekleidungshersteller Vaude im baden-württembergischen Tettnang-Obereisenbach. Wie Sprecherin Birgit Weber erklärt, habe man sich noch nicht konkret mit den „Null-Bock-Tagen“ befasst. Das Unternehmen setze auf eine umfassende Vertrauenskultur mit hoher Flexibilität. „Dazu gehört auch grundsätzlich die Möglichkeit, in Abstimmung mit dem Team, in dem man arbeitet, Auszeiten zu nehmen“, sagt sie.

Das Konzept der „Null-Bock-Tage“ mögen ein verständliches Bedürfnis ansprechen und die Bereitschaft der Arbeitgeber zur Flexibilität zeigen. Doch es ist kontrovers, und Experten wie Blach und Eckert sehen darin keine umfassende Lösung. Unternehmen in Baden-Württemberg setzen derzeit auf andere Möglichkeiten zur gesunden Work-Life Balance. Auch wenn solche „Null-Bock-Tage“ die psychische Gesundheit kurzfristig unterstützen mögen, bleibt fraglich, ob sie die tieferliegenden Ursachen von Demotivation und Erschöpfung beseitigen können.