Ganz wohl fühlt sich Manuela Hartmann nicht, wenn ihre Kinder auf der Spielstraße toben: „Viele Autofahrer fahren zu schnell.“ Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Anwohner einer Spielstraße wollen mehr Sicherheit für die Kinder, und stellten deswegen Warnfiguren auf. Wegen einer anonymen Anzeige mussten diese aber wieder zurückversetzt werden.

Stuttgart - Nicht nur in Zeiten von Corona ist Manuela Hartmann froh, wenn sie ihre drei Kinder einfach vor die Türe zum Spielen schicken kann. Die 39-Jährige wohnt seit dem Jahr 2013 mit ihrem Mann und den Kindern im Alter von zehn, acht und vier Jahren im Vivaldiweg in Stuttgart-Botnang. „Hier spielen Kinder aller Altersstufen zusammen. Auch Kinder der angrenzenden Straßen kommen her, um Inliner und Skateboard zu fahren, Ball und Fangen zu spielen“, sagt Manuela Hartmann. Denn der Vivaldiweg ist eine ausgewiesene Spielstraße, so kann sie selbst den Jüngsten selbstständig draußen spielen lassen, ohne sich Sorgen wegen des Verkehrs zu machen.

Eigentlich. Denn laut Manuela Hartmann wird die Spielstraße häufig nicht als solche wahrgenommen: „Es fahren Autos mit teilweise sehr hoher Geschwindigkeit hindurch – obwohl Kinder keinen Meter weit entfernt mit dem Ball spielen.“ Viele nutzten die Spielstraße als Abkürzung.

Die Street-Buddys wurden vor ein paar Monaten anonym angezeigt

Deshalb hätten sich vor zwei Jahren einige Bewohner zusammengetan und zwei Street-Buddys organisiert, also zwei Warnfiguren, die an beiden Enden der Spielstraße aufgestellt wurden. „Wir wollten einen Beitrag leisten, um die Autofahrer auf spielende Kinder aufmerksam zu machen.“

Leider, so sagt sie, wurden die Street-Buddys vor ein paar Monaten anonym angezeigt. „Danach stand mehrfach die Verkehrspolizei vor unserer Türe“, berichtet Manuela Hartmann. Die Street-Buddys mussten nach hinten auf eine private Fläche versetzt werden. „Leider werden sie von Autofahrern jetzt nicht mehr so gut als Warnsignal wahrgenommen“, sagt Manuela Hartmann.

Regelmäßige Kontrollen, ob die Street-Buddys noch richtig stehen

Die Straßenverkehrsbehörde bestätigt dies: „Zu den Buddys ging eine Bürgerbeschwerde beim Amt für öffentliche Ordnung ein. Um dieser nachzugehen, gab es eine Kontrolle. Die Entfernung der Buddys wurde veranlasst“, heißt es kurz und knapp. Die Begründung: „Private Personen dürfen keine Gegenstände – auch nicht gut gemeinte Buddys – im öffentlichen Raum aufstellen.“ Gleichzeitig sei die Beschwerdelage zur Verkehrssituation bei der Verkehrsüberwachung eher unauffällig. Aufgrund des Hinweises werde man „die Situation vor Ort prüfen und auf Basis dieser Erkenntnisse wird dann die Erfordernis und Möglichkeit von Maßnahmen geprüft“.

Das würde Manuela Hartmann sehr begrüßen. Seit der Anzeige komme die Verkehrspolizei im wöchentlichen Rhythmus, um den Standort der Street-Buddys zu kontrollieren und bei Bedarf – sollten sie etwas verrutscht sein und auf die Straße ragen – die Anwohner zurechtzuweisen. Dagegen scheint das Anliegen, die Spielstraße sicherer zu machen, niemanden zu interessieren: „Die Autos fahren auch weiterhin mit hoher Geschwindigkeit durch den Vivaldiweg“, berichtet Manuela Hartmann. Und das, trotz aller Versuche der Anwohner, doch noch zu einer Lösung zu kommen: Sie schrieben die Verkehrsüberwachung an, um herauszufinden, welche Möglichkeiten es gibt, die Spielstraße sicherer für die Kinder zu machen. „Wenn es andere Möglichkeiten gibt als die Street-Buddys, sind wir dafür durchaus sehr offen.“ Doch diese Anfrage sei ohne Rückmeldung geblieben. Auch über die „Gelben Zettel“ habe man beim damaligen OB Fritz Kuhn nichts erreicht, sagt die Mutter.

Spielstraßen als ein wichtiges Instrument in der Stadtplanung

Dabei stehen Spielstraßen durchaus weit oben auf der Prioritätenliste der Stadt. „Die gut funktionierenden Spielstraßen und das Projekt der Temporären Spielstraßen, das es seit 2018 gibt, zeigen, dass Spielstraßen ein wichtiges und wertvolles Instrument in der Stadtplanung sind“, heißt es vonseiten der Stadt. Daher wurde im Juli im Jugendhilfe- und Verwaltungsausschuss der Aktionsplan Kinderfreundliche Kommune vorgestellt.

Die Verwaltung unter Federführung der Kinderbeauftragten der Stadt, Maria Haller-Kindler, hat die Maßnahme „Platz zum Spielen durch Ausbau verkehrsberuhigter Bereiche“ vorgeschlagen. Der Projektvorschlag ist bis 2025 angesetzt und im Rahmen des Doppelhaushalts zu beraten. Ziel ist es unter anderem, mindestens zwei neue verkehrsberuhigte Bereiche ohne umfangreichen Umbau einzurichten und einen Leitfaden herauszugeben. Gut oder weniger gut funktionierende Spielstraßen sollen dahingehend in den Fokus genommen werden, ob und mit welcher Gestaltung das Verweilen und Spielen auf der Straße weiter gefördert werden kann.

Erfahrungen zeigen, dass viele Spielstraßen nicht funktionieren

Denn eines wurde im Jugendhilfeausschuss auch klar kommuniziert: „Die Erfahrungen der jährlichen Sommerferienaktion Spielen im verkehrsberuhigten Bereich und zahlreiche Beschwerden in der Verwaltung zeigen, dass viele verkehrsberuhigte Bereiche nicht als solche funktionieren, weil dort die Regeln von Autofahrern und Radfahrern nicht eingehalten werden oder weil die Parkregeln missachtet werden.“ Hartmann hofft, dass die Stadt endlich aktiv wird: „Und zwar möglichst, bevor einem Kind etwas passiert.“

Info

Spielstraße
In Stuttgart sind rund 240 verkehrsberuhigte Bereiche (im allgemeinen Sprachgebrauch Spielstraße) eingerichtet. Diese beziehen sich nicht immer auf ganze Straßenzüge, sondern auch auf geeigneten Teilabschnitte einer Straße.

Überwachung und Verstöße
Die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in verkehrsberuhigten Bereichen wird laut der Straßenverkehrsbehörde bereits seit Jahren regelmäßig kontrolliert. Die Verkehrsüberwachung reagiert dabei insbesondere auf Bürgerbeschwerden, aber auch eigene Erfahrungen und Erkenntnisse werden bei der Einsatzplanung berücksichtigt. Wegen der baulichen Gestaltung sind Geschwindigkeitskontrollen in verkehrsberuhigten Bereichen technisch schwierig, nicht jedes Mess-Equipment ist für die Überwachung geeignet. 2020 wurden 728 Geschwindigkeitsverstöße in verkehrsberuhigten Bereichen bei der Bußgeldstelle angezeigt.