Stoßstange an Stoßstange – zu Beginn der Woche ging auf den Straßen rund um Leonberg nichts mehr. Foto: Simon Granville

Weil eine zentrale Steuerungskomponente defekt ist, war der Engelbergtunnel am Wochenbeginn über Stunden gesperrt. Die Autobahn GmbH verteidigt das Vorgehen, die Tunnelröhren nicht schneller freizugeben.

Das Stau-Chaos Anfang dieser Woche in der Region rund um Leonberg wirkt noch immer nach – auch auf politischer Ebene. Am Montagmittag wurde der Engelbergtunnel für viele Stunden komplett gesperrt, bevor er nur sukzessive wieder geöffnet wurde. Nichts ging mehr auf den Straßen, viele Verkehrsteilnehmer saßen fest.

Erst am späten Dienstagabend um 22.45 Uhr waren beide Röhren wieder ohne Einschränkungen freigegeben – abgesehen von den aktuellen Beeinträchtigungen wegen der Tunnelsanierung. Das wirft Fragen auf. Warum musste der Tunnel nach dem technischen Defekt so lange gesperrt bleiben? Um welche Störung handelte es sich genau? Ist es nicht möglich, an einem sensiblen Verkehrsknotenpunkt wie dem Engelbergtunnel, „einfach“ einen Schalter umzulegen, um ein Sicherungssystem in Gang zu setzen?

Kein klassisches Verschleißteil

„Bei der Tunnelbetriebstechnik handelt es sich um ein sehr umfangreiches, komplexes System. Zu ihr gehören unter anderem die elektrische Steuerung der Tunneleinfahrt und der Verkehrsschilder, die Beleuchtung, das Belüftungssystem, das Brandschutzsystem sowie die Notruftechnik für Verkehrsteilnehmer bei Unfällen oder Pannen im Tunnel“, sagt Petra Hentschel, die Sprecherin der Niederlassung Südwest der Autobahn GmbH.

Technisch seien, soweit möglich, Redundanzen – also entsprechende Ersatzteile – vorhanden. Bei dem Gerät, das Anfang der Woche ausgefallen ist, „handelt es sich um eine zentrale Steuerungskomponente“, erklärt Hentschel. Diese sei unter anderem für die Steuerung der elektronischen Verkehrszeichen zuständig. „Das ist kein klassisches Verschleißteil, weshalb es nicht direkt vor Ort, sondern im Lager der Herstellerfirma vorgehalten wird. Von dort wurde es zum Engelbergtunnel gebracht“.

Oberste Pflicht: Die Sicherheit gewährleisten

Nach der Fehlermeldung am Montag gegen 13.45 Uhr – zunächst war ein Brandmeldealarm bei den umliegenden Feuerwehren eingegangen – seien alle Hebel in Bewegung gesetzt worden, versichert die Pressesprecherin. „Der komplette Prozess lief kontinuierlich, hat aber entsprechend gedauert.“ Es seien etwa 20 Ingenieure und Techniker aus dem Bereich Bauwesen und Tunnelbetriebstechnik am Engelbergtunnel im Einsatz gewesen, um die Störung zu beheben. „Unsere Verantwortung ist es, die Sicherheit zu gewährleisten“, sagt Petra Hentschel. Deshalb müsse auch jedes kleinste Detail überprüft werden.

„Grundsätzlich müssen alle installierten Sicherheitssysteme funktionieren, damit der Tunnel im Autarkbetrieb ohne Einschränkungen betrieben werden kann.“ Fallen einzelne Systeme aus, könnten geeignete Kompensationsmaßnahmen – wie Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Fahrstreifenreduktion – getroffen werden. Die eingeschränkte Öffnung des Tunnels in der Nacht von Montag auf den Dienstag sei zeitnah unter Beachtung der Lage veranlasst worden. „Die Freigabe eines Fahrstreifens bedeutete, dass in beiden Fahrtrichtungen - also in beiden Röhren - auf einer Länge von jeweils 2,5 Kilometern Absperrbaken aufgestellt wurden. Diese mussten zum Tunnel gebracht und aufgebaut werden. Diese Maßnahme benötigte Zeit und wurde schnellstmöglich umgesetzt“, so die Sprecherin.

Aktuelle Ereignisse werden aufgearbeitet

Weil eine Tunnelsperrung erhebliche verkehrlichen Auswirkungen auf Verkehrsteilnehmende und Anwohner habe, verfüge die Autobahn GmbH Niederlassung Südwest über entsprechende Notfallpläne. Deshalb sei es trotz der vorhandenen technischen Störung bereits am späten Montagabend möglich gewesen, die erste Röhre – und in der Nacht auf Dienstag die zweite Röhre wieder eingeschränkt für den Verkehr freizugeben, um diesen auf der Autobahn halten zu können und nicht über das nachgeordnete Straßennetz führen zu müssen.

„Die aktuellen Ereignisse werden durch die Autobahn GmbH Niederlassung Südwest aufgearbeitet und die bestehenden Prozesse validiert“, sagt Hentschel. Im Rahmen der aktuellen Sanierung des Engelbergtunnels werde auch die Betriebstechnik modernisiert.

Helfen die künftigen Pförtnerampeln?

Wegen der lang andauernden Sperrung waren am Montag und Dienstag unter anderem die Straßen in Leonberg durchgängig überlastet. Da fiebert die Stadtverwaltung einem bereits angestoßenen Projekt der Region Stuttgart und des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg, der „regionalen Mobilitätsplattform“, entgegen. Über eine Ringzentrale sollen Ampelanlagen in der Region so gesteuert und aufeinander abgestimmt werden, dass der Verkehr besser fließt – oder notfalls gar nicht in die Städte gelassen wird. „Der aktuelle Stau hat noch einmal deutlich die Bedeutung dieses Projekts in den Mittelpunkt gerückt. Die Sperrung des Engelbergtunnels hat die Stadt in der Entscheidung bestätigt, von Beginn an als strategischer Partner an dem Projekt teilzunehmen“, sagt Leonbergs Pressesprecher Sebastian Küster.

Auch Ditzingens Oberbürgermeister Michael Makurath erhofft sich schnellstmöglich Lösungen. „Die Sperrung im Engelbergtunnel und deren katastrophale Auswirkungen haben wieder einmal sehr prägnant erfahrbar gemacht, wie wichtig es ist, den Verkehr auf der Autobahn zu halten beziehungsweise von Umleitungsverkehren betroffene Ortslagen, wie beispielsweise Heimerdingen, durch Umfahrungen zu schützen.“ Er erwarte vom Land deshalb, dass die Flurbereinigung für den Bau dieser Straße im Jahr 2023 eingeleitet und so weit geführt werde, dass 2024 mit dem Bau begonnen werden könne.