Pierre Orthen ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Leutenbach. Foto: /Lennart Knab

Ein kleiner SPD-Ortsverein aus dem Rems-Murr-Kreis will nicht akzeptieren, dass Altkanzler Schröder in der Partei bleiben darf. So kämpferisch ist keine andere Ortsgruppe in Baden-Württemberg.

So schnell lassen sie in Leutenbach nicht locker. Der SPD-Ortsverein der 12 000-Seelengemeinde im Rems-Murr-Kreis legt erneut Berufung ein gegen die Entscheidung einer Schiedskommission, dass Altkanzler Gerhard Schröder in der Partei bleiben darf. Die Leutenbacher sind der einzige Ortsverband der SPD in Baden-Württemberg, der sich so streitbar gibt.

Das klingt nach gallischem Dorf, dabei sei man gar nicht auffallend aufrührerisch, meint Pierre Orthen, der den Ortsverein seit 2017 führt. Damals war Orthen 19 Jahre alt, und der Ortsverein stand kurz vor der Auflösung. „Davor ist eigentlich wenig passiert“, blickt Orthen zurück. Streitbares schon gar nicht.

Ortsverein mit junger Führung

Jetzt ist Orthen 24 Jahre alt, studiert Politikwissenschaften und Deutsch an der Uni Stuttgart und würde sich persönlich in der SPD „eher links“ verorten. Der Ortsverein ist wiederbelebt, aber nicht auffällig positioniert. Orthens 25 Genossen im Verein bilden das gesamte Spektrum ab, erzählt er. Alle Altersgruppen sind vertreten, Traditionalisten sind ebenso dabei wie eher fortschrittlich eingestellten Genossen. Die Führungsriege ist vergleichsweise jung. Zwischen 20 und 40 Jahre alt seien die Vorstandsmitglieder.

„Bisher haben wir noch keinen Genossen rauswerfen wollen“, witzelt der Student, „und wir haben es auch nicht vor“. Die SPD Leutenbach wolle „eher auf inhaltlicher Ebene glänzen“.

Dass Gerhard Schröder sich nach dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine nicht von Russlands Präsidenten Wladimir Putin distanziert habe, das habe der SPD geschadet, sagt Orthen.

Er und seine Leutenbacher Genossen sehen die SPD als Friedenspartei, „das ist unsere DNA, dazu passt keine Freundschaft zu Kriegsverbrechern“. Der Ortsverband versteht die Partei als „Anwalt der kleinen Leute“ und unterstützt „eine gemeinwohlorientierte Form des Wirtschaftens“.

Von Anfang an Berufung eingelegt

Leutenbach war einer der sieben Ortsvereine die schon im Sommer Berufung gegen die Entscheidung des SPD-Unterbezirks Hannover eingelegt hatten, dass Schröder nicht gegen die Parteiordnung verstoßen habe. Jetzt ist man der erste Verein, der formal gegen die Entscheidung einer Partei-Schiedskommission vorgehen will. Umgehend hat der Vorstand am Donnerstag beschlossen, in Berufung zu gehen. Bis Freitag wusste Orthen sicher von einem zweiten Ortsverband, der mit den Leutenbachern mitzieht. Möglicherweise folgen noch ein paar andere. Bis Freitagabend hatte nur einer der ursprünglichen Sieben auf weitere Schritte verzichtet, berichtete Orthen.

Leutenbacher sehen minimale Chance

Sind die Leutenbacher besonders stur? Das nicht, vielleicht eher zuversichtlicher: „Wir sehen noch eine minimale Chance, dass Schröder die Partei verlassen muss“. Dafür will Pierre Orthen mit seinem Ortsverband notfalls bis zur Bundesschiedskommission ziehen. Andere sehen die Chance vielleicht nicht, aber stehen Schröder dennoch kritisch gegenüber, weiß er. „Viele teilen unsere Haltung. Wir bekommen viele Mails von SPD-Leuten, die die Haltung unseres Ortsvereins loben“, erzählt der junge Vorsitzende. Vom Landesvorstand gab es noch keine Reaktion.

Landesverband beurteilt Vorgehen nicht

Die hält Andreas Stoch, der Vorsitzende der baden-württembergischen SPD, auch nicht für nötig: „Für Fälle wie diesen hat die SPD bewährte Verfahren. Und so sehr es den Genossinnen und Genossen in Leutenbach zusteht, in dieser Sache aktiv zu werden, so wenig braucht dieses Vorhaben eine Beurteilung durch den Landesvorsitzenden“, erklärte Stoch gegenüber unserer Zeitung.

Der Jurist Stoch sagt: „Über den Fall wird wie immer an zuständiger Stelle entschieden, und das ist gut so.“ Er fordert vielmehr Altkanzler Schröder immer wieder auf, die SPD freiwillig zu verlassen. Die Chancen, dass das eintreten wird, sieht man wiederum bei der SPD Leutenbach als gering an.