Louisa May Alcotts Roman „Little Women“ ist ein Klassiker. Nun hat die Regisseurin Greta Gerwig diesem Roman mitreißend verfilmt. Und ihr neuer Streifen beweist Oscar-Qualitäten.
EsslingenMit ihrer Romanverfilmung „Little Women“ macht Greta Gerwig Schlagzeilen. Denn nach Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen lamentierten Kritiker und Fans, dass die Regisseurin, Schauspielerin und Drehbuchautorin in der Sparte „Beste Regie“ übergangen wurde. Keine Frau hat in diesem Jahr Chancen auf den Regie-Oscar. Gerwig hätte ihn ohne Zweifel verdient. Doch der Liebling der Independent-Film-Szene kann sich mit sechs Nominierungen für Hollywoods höchsten Preis trösten: „Little Women“ ist in der Top-Sparte „Bester Film“ im Rennen, Hauptdarstellerin Saoirse Ronan und Nebendarstellerin Florence Pugh sind nominiert, Gerwig selbst könnte den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch gewinnen.
Gerwig begibt sich auf eine Zeitreise zurück in die 1860er-Jahre, gegen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Vorlage ist der Jugendbuchklassiker „Betty und ihre Schwestern“ der US-Autorin Louisa May Alcott. Es geht um die Romanzen, Träume und Ambitionen von vier Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein können: die älteste, die hübsche Meg (Emma Watson), die von einer Familie träumt, die wilde Jo (Saoirse Ronan), die Schriftstellerin werden möchte, die scheue musikalische Beth (Eliza Scanlen) und die freche, blonde Amy (Florence Pugh), die sich für Malerei interessiert. Der Vater ist im Krieg, die Schwestern schlagen sich mit ihrer Mutter Marmee March (Laura Dern) im ländlichen Massachusetts durch.
Alcotts 1868 veröffentlichter Roman trägt autobiografische Züge und schildert feinfühlig und lebendig die Abenteuer der Schwestern, die mit den Gesellschaftsnormen und Geschlechterrollen ihrer Zeit anecken und ihren eigenen Weg finden müssen. Mehrfach wurde die populäre Vorlage schon verfilmt – 1933 mit Katharine Hepburn als rebellische Jo, 1994 mit Winona Ryder in der Hauptrolle. Nun packt Gerwig den Stoff frisch an, im Mittelpunkt steht die aufmüpfige, schreibwütige Jo. „Ich habe es so satt, wenn die Leute sagen, dass Liebe das Einzige ist, wozu eine Frau fähig ist“, bricht es aus ihr heraus. Heiraten kommt nicht in Frage. Den Antrag des reichen Nachbarsjungen (Timothée Chalamet) lehnt sie dankend ab. Von einem Verleger in New York muss sie sich allerdings sagen lassen, ihre Geschichten sollen „kurz und pikant“ sein, und Frauen als Hauptfiguren müssten am Ende heiraten oder sterben.
Emanzipation, Ehrgeiz, Karriere, Familie – unter Gerwigs gekonnter Regie wirkt der klassische Stoff völlig zeitlos. Das Coming-of-Age im 19. Jahrhundert wirft überraschend moderne Fragen auf, wie Frauen ihren eigenen Weg gehen können. Dabei ist „Little Women“ alles andere als steif oder belehrend. Gerwig peppt den herzerwärmenden Kostüm-Klassiker mit fetzigen Szenen auf. Mal rennt Jo im viktorianischen Kleid durch die Straßen von New York, mal tanzt sie leichtfüßig auf einer Veranda, während es drinnen im Ballsaal starr zugeht. Gerwig folgt keiner chronologischen Erzählung, mühelos springt sie zwischen Figuren und Jahren hin und her. Und sie holt aus ihrer hochkarätigen Besetzung eine packende Darbietung heraus: Meryl Streep glänzt als die zynische Tante March, Florence Pugh brilliert als die ungenierte Künstlerin. Mit der Rolle der unbändigen Jo hat Saoirse Ronan ihre vierte Oscar-Nominierung redlich verdient. Am Ende schaut man mit Jo gebannt hin, wie ihr Erstlingsroman in einer altmodischen Buchpresse entsteht und in feines rotes Leder gebunden wird. „Little Women“ ist wie ein Relikt aus alten Zeiten, doch dank Gerwigs Handschrift kein bisschen verstaubt.
„Little Women“ ist ein Kostümfilm nach einem Romanklassiker von 1868. Unter der Regie von Greta Gerwig wird daraus mit Stars wie Saoirse Ronan und Meryl Streep eine mitreißende Geschichte.