Als ein Beispiel für moderne Bibliotheken gilt die Médiathèque André Malraux im französischen Straßburg, wobei ein möglicher Bücherei-Neubau in der Esslinger Küferstraße längst nicht dieselben großzügigen Raumhöhen bieten könnte. Foto: Maier - Maier

Um die Debatte über den künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei zu beleben, haben die Grünen zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Zahlreiche Zuhörer meldeten sich zu Wort – die allermeisten plädierten für Modernisierung und Erweiterung des bisherigen Standorts im Bebenhäuser Pfleghof. Dennoch blieben die Grünen am Ende bei ihrem Ja zu einem Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse.

EsslingenSie wollen „den besten Standort für die Bibliothek der Zukunft“ finden, und den sehen die Esslinger Grünen in einem Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse. Demnächst muss der Gemeinderat entscheiden, ob er auf diese Variante setzt oder den bisherigen Standort im Bebenhäuser Pfleghof modernisiert und um das Nachbarhaus Heugase 11 erweitert. In einer Diskussionsveranstaltung im Bürgersaal stellten die Grünen Überlegungen für eine Bibliothek der Zukunft zur Diskussion. Dass der Neubau bei fast allen, die sich zu Wort meldeten, keine Zustimmung fand, konnte Fraktions-Chefin Carmen Tittel nicht erschüttern. Allerdings versicherte sie, dass sich ihre Partei im Falle eines Neubaus dafür einsetzen wolle, den Bebenhäuser Pfleghof in städtischem Besitz und öffentlich zugänglich zu behalten. Dort gebe es Entwicklungsmöglichkeiten für das Stadtmuseum.

Bücherei-Leiterin kommt zu Wort

Mit einem interfraktionellen Antrag wurde vor Jahresfrist ein Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse ins Spiel gebracht – wobei die Grünen nie einen Zweifel gelassen hatten, dass sie die Initiatoren waren. Tittel erklärte, der Pfleghof besitze Charme, die historische Bausubstanz berge jedoch Probleme. Die architektonische Form müsse den konzeptionellen Anforderungen folgen, und das sei genau wie die nötige Barrierefreiheit nur in einem Neubau machbar, wo es keine Einschränkungen durch den Denkmalschutz gebe. Zudem brauche die Bibliothek maximale Flexibilität, wie sie ein Neubau verspreche. Und schließlich seien in der Küferstraße mehr Fläche und geringere Risiken zu erwarten.

Anders als in den bisherigen Infoveranstaltungen wurde Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs um ihre Einschätzung gebeten. Mit Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer skizzierte sie die neue Konzeption. Fuchs machte deutlich, dass sich die Esslinger Bibliothek nicht neu erfinden müsse: „Wir haben uns kontinuierlich weiterentwickelt.“ Wie die Bibliothek in zehn Jahren aussehen werde, könne keiner sagen: „Ich weiß nur, dass sie ganz anders aussehen wird, als wir uns das heute vorstellen. Auf jeden Fall muss sie ein Ort der Menschen sein.“ Das sieht auch Cornelia Vonhof so. Die Professorin an der Hochschule der Medien in Stuttgart stellte Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung vor und gab Impulse zu Veränderungs- und Entwicklungsprozessen von Bibliotheken. Vonhof begrüßte es, dass endlich auch die Bücherei-Leiterin zu Wort kam: „Es gibt so viel bibliothekarische Kompetenz vor Ort – die muss die Stadt nutzen.“ Bibliotheken werden nach Vonhofs Einschätzung mehr denn je „ein wichtiger Ort für gesellschaftliche Entwicklungen“. Sie müssten Lernraum, Inspirationsraum, Treffpunkt und Bühne sein, wo die Besucher aktiv werden könnten. Die neue Esslinger Bibliothek müsse „ein Symbol in der Stadt und für die Stadt“ sein. Deshalb plädierte sie für eine intensive Bürgerbeteiligung, die die Bürger ernst nehme. Entscheidend seien „ausgewogene und objektive Informationen, um Verständnis für Probleme, Alternativen, Möglichkeiten und/oder Lösungen zu wecken“.

Lebhafte Diskussion

Dass viele Esslinger etwas zu sagen haben, zeigte die Diskussionsrunde. Ulrike Gräter vernahm die Visionen mit Freude – allerdings fehlt ihr der Glaube, dass die sich am anvisierten Neubau-Standort realisieren lassen: „Wir haben dort nicht die nötigen Flächen und ich sehe auch nicht die Chance auf einen vernünftigen Grundriss.“ Der Pfleghof sei für viele Esslinger schon jetzt nicht nur der anvisierte „dritte Ort“, sondern ein „vierter Ort“, den sie nicht missen wollten. Dem Gemeinderat empfahl sie, mehr auf die Bücherei-Nutzer zu hören, deren Herz für den Pfleghof schlage: „Die wissen, wovon sie reden.“ Diese Einschätzung teilten andere Zuhörer. Einer meinte: „So was Schönes finden Sie so rasch nicht wieder.“ Carmen Tittels Replik: „Ein Neubau wird auch schön.“ Dass einige Zuhörer anregten, wenigstens einen geeigneteren Ort zu suchen, wenn man schon einen Neubau wolle, konterte Tittel mit dem Hinweis, der Gemeinderat habe sich bewusst auf die Oststadt festgelegt, die man stärken wolle.

Friedemann Gschwind wundert sich, weshalb ständig abstrakt über eine Bücherei-Konzeption diskutiert werde, ohne zu überlegen, wie sich diese Pläne konkret an beiden Standorten umsetzen lassen. Wie ein Neubau, der entlang der Küferstraße maximal zehn bis zwölf Meter Breite bietet, ein Symbol in der Stadt und für die Stadt sein könne, leuchte ihm nicht ein. Das sieht auch die Bürgerausschuss-Vorsitzende Barbara Frey so: „Ich weiß nicht, wie man auf diesem begrenzten Grundstück die Großzügigkeit und Flexibilität schaffen will, von der immer die Rede ist.“ Ein Zuhörer beklagte, dass die Stadt „sehr kleinkariert“ denke: „Wir leisten uns gern dicke Autos – warum leisten wir uns nicht auch eine dicke Bibliothek?“

Wolfgang Latendorf sieht im Neubau den Vorteil, die nötige Barrierefreiheit schaffen zu können. Ob die Stadt allerdings das Geld bereitstellen werde, um auch den Pfleghof zu modernisieren, bezweifle er. Hanne Kretschmer monierte, dass die Stadt gern von denkmalschützerischen Risiken im Pfleghof rede, aber in langen Jahren nie versucht habe, diese zu verifizieren. Ruth Kreuzer vermisst zudem Antworten darauf, was aus dem Diakonieladen und den Mietern der Kupfergasse 6 wird, wenn sie der Bibliothek weichen müssten. Zudem biete die Nähe zur Musikschule nicht nur Vorteile: „Lesen Sie mal in Ruhe ein Buch, wenn nebenan Musikschüler üben.“ Doch trotz vieler kritischer Stimmen blieb Carmen Tittel am Ende bei ihrer Haltung: „Wir haben uns eben auf den Neubau festgelegt. So ist das Leben.“