Die Esslinger Stadtbücherei braucht dringend mehr Platz – an welchem Standort das sein wird, ist noch offen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Entscheidung über den künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei rückt näher. Allerdings sind noch immer viele Fragen offen.

EsslingenDer Countdown läuft: Bis zur Sommerpause soll der Esslinger Gemeinderat entscheiden, an welchem Standort er die Zukunft der Stadtbücherei sieht. Damit würde eine fast zwei Jahrzehnte dauernde Hängepartie enden. So lange wird bereits über den Erweiterungsbedarf der Bibliothek diskutiert – Nägel mit Köpfen hat die Stadt bislang nicht gemacht. Mit einem Grundsatzbeschluss über den künftigen Standort will man nun den Weg in Richtung Zukunft einschlagen. Zwei Varianten sind noch im Spiel: Eine Modernisierung der aktuellen Bibliothek im Bebenhäuser Pfleghof an der Heugasse, die um das Nachbarhaus Heugasse 11 erweitert werden würde, oder ein Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse. Bislang läuft die kommunalpolitische Diskussion vorwiegend hinter verschlossenen Türen ab – erst Anfang dieser Woche stand die Zukunft der Bücherei wieder auf der Tagesordnung gemeinderätlicher Ausschüsse. Und wie man hört, brauchten die Ratsmitglieder für ihre jüngste Diskussionsrunde gerade mal ein Viertelstündchen. Das klingt nach einer klaren Sache – tatsächlich sind die Meinungen jedoch weiterhin geteilt. Was die Entscheidung so schwierig macht: Obwohl die Stadtverwaltung viel Zeit hatte, um die Entscheidung bis ins Detail vorzubereiten, sind noch immer viele Fragen offen. Und nichts deutet momentan darauf hin, dass bis zum Grundsatzbeschluss alle Unklarheiten beseitigt werden.

Flächenbedarf: Fachleute gehen davon aus, dass eine Stadt von der Größe Esslingens eine Bibliothek mit 4500 bis 5000 Quadratmetern Publikumsfläche benötigt. Das wird von manchen Ratsmitgliedern angezweifelt, weil sie vermuten, dass klassische Medien im Zeitalter der Digitalisierung an Bedeutung verlieren. Doch das ist nach Einschätzung vieler Experten Kaffeesatzleserei. Einig sind sich jedoch so gut wie alle, dass Bibliotheken insgesamt an Bedeutung gewinnen werden und dass die Anforderungen der Nutzer immer differenzierter werden. Und das erfordert Platz. Um alle Inhalte der neuen Bücherei-Konzeption umzusetzen, ist nach Berechnungen der Verwaltung eine Nutzungsfläche von etwa 4000 Quadratmetern nötig, wobei die Flächen möglichst flexibel gestaltet werden müssten, um auf technologische und gesellschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Unterhalb einer Nutzungsfläche von etwa 3600 Quadratmetern sei die Umsetzung eines zukunftsfähigen Büchereiprogramms nicht mehr möglich. „Idealerweise“ benötige man sogar 4000 Quadratmeter. Und die seien – wenn überhaupt – nur im Neubau erzielbar, während es am alten Standort maximal 3791 Quadratmeter werden könnten. Doch an beiden Standorten gibt es erhebliche Risiken, die das Platzangebot reduzieren könnten.

Flächenberechnung: Erschwert wird die Diskussion über das Platzangebot der künftigen Stadtbibliothek, weil bundesweit stets die so genannte Publikumsfläche von Bibliotheken verglichen wird. Die Esslinger Bauverwaltung argumentiert dagegen mit „Nutzungsflächen“ und verwendet zudem Begriffe wie Programmflächen, Netto- und Bruttogrundflächen, Risikoflächen, Verkehrsflächen, Konstruktionsgrundflächen und technische Funktionsflächen. So wurde etwa für die Heugasse eine Bruttogrundfläche von 6076 Quadratmetern ermittelt, aus der sich laut Stadt 3605 Quadratmeter Programmfläche gewinnen lassen. Im Neubau will die Stadt aus nur 5458 Quadratmetern Bruttogrundfläche sogar 3612 Quadratmeter Programmfläche gewinnen. Viele finden es schwierig, bei diesen Zahlen den Überblick zu behalten.

Risiken: Weil man im Rathaus für beide Standorte Risikofaktoren wie Baurecht, Denkmalschutz und archäologische Funde sieht, gibt die Verwaltung keine verbindliche Flächenzusage ab. Nach den Berechnungen der kommunalen Bauexperten und des Architekturbüros Fritzen 28 sind am Standort Küferstraße/Kupfergasse in einem Neubau mindestens 3696 und maximal 4025 Quadratmeter Nutzungsfläche realisierbar. In der Heugasse wären es laut Verwaltung mindestens 3223 Quadratmeter und maximal 3791 Quadratmeter. Während oft und gern betont wird, dass im historischen Bebenhäuser Pfleghof und dem benachbarten Gebäude Heugasse 11 erhebliche Einschränkungen durch den Denkmalschutz zu befürchten seien und dass eine Unterkellerung im hinteren Bereich des Pfleghofs die Archäologen auf den Plan rufen könnte, wird dieser Aspekt beim Neubaustandort nur in homöopathischen Dosen verabreicht – dabei befand sich zwischen Küferstraße und Kupfergasse der einstige Friedhof an der Franziskanerkirche. Und um auch nur annähernd in Richtung 4000 Quadratmeter zu kommen, müssten Teile des dortigen Kreuzgangs überbaut werden. Zudem ist das Gebäude Kupfergasse 6 als erhaltenswürdig eingestuft. Hinter vorgehaltener Hand erklären einzelne Stadträte bereits, zumindest die Außenmauern müssten erhalten bleiben. Das würde jedoch die Chancen, die anvisierten 4000 Quadratmeter zu erreichen, ebenfalls schmälern.

Offene Fragen gibt es noch viel zu viele. Von einer eindeutigen Stellungnahme des Landesdenkmalamtes ist bislang nicht die Rede. So stochert man beim Denkmalschutz im Nebel, und die Verwaltungsspitze hat offenbar in nichtöffentlicher Sitzung wenig Bereitschaft erkennen lassen, vor einem Grundsatzbeschluss eindeutig klären zu lassen, welche Auflagen es an beiden Standorten geben wird. Betont wird zudem, die vorliegenden Pläne seien vorläufige Flächenlayouts, die sich in der endgültigen Planung deutlich verändern könnten – wobei an beiden Standorten die Gebäudekonturen vorgegeben sind. Spielräume gibt es dagegen innerhalb der Gebäude. So könnte ein Architekt etwa auf den Gedanken kommen, die kleinformatigen Gegebenheiten der Heugasse 11, die gern als Argument gegen die Erweiterung am bisherigen Standort ins Feld geführt werden, aufzugreifen und zum Beispiel Arbeitsplätze, Toiletten, Schließfächer, Kopier- oder Stillräume, die ohnehin von kleinen Formaten leben, dorthin zu legen.

„Dritter Ort“ ist das Zauberwort, das man im Rathaus für die Bibliothek der Zukunft entdeckt hat und seither oft und gern bemüht. Die Bücherei soll also neben Wohnung und Arbeitsplatz ein weiterer Identifikationsort für die Menschen sein. Viele Nutzer sehen diesen Anspruch schon jetzt im Pfleghof erfüllt und würden von einem Neubau erwarten, dass er mindestens ebenso viel Atmosphäre und Flair bietet.

Informationsabend zur neuen Stadtbücherei am 16. Mai

Die Stadtverwaltung stellt ihre Überlegungen für die Zukunft der Esslinger Stadtbücherei in einer öffentlichen Veranstaltung vor, die am Mittwoch, 16. Mai, um 19 Uhr in der Schickhardthalle des Alten Rathauses beginnt. Kulturdezernent Markus Raab wird inhaltliche Schwerpunkte für eine Stadtbücherei des 21. Jahrhunderts vorstellen. Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht wird die städtebaulichen und architektonischen Überlegungen der Verwaltung zu beiden Standorten präsentieren. Als externe Expertin wird die Würzburger Büchereileiterin Anja Flicker Grundlagen moderner öffentlicher Büchereien vorstellen. „Im Fokus stehen dabei die Bücherei als ‚Dritter Ort’ sowie die Methode ‚Design Thinking‘ als eine Möglichkeit, zukünftige Nutzerinnen und Nutzer am Gestaltungsprozess der Bücherei zu beteiligen“, erklärt die Stadt und versichert: „Selbstverständlich besteht Gelegenheit, Fragen an die Fachleute zu stellen.“