In einem alten Fabrikgebäude in Köngen sollen künftig Veranstaltungen stattfinden – von der türkischen Hochzeit bis zum Firmenevent. Im Rathaus stellt man sich jedoch quer. Über die Hintergründe des Streits – und wer jetzt das letzte Wort hat.
Das HOS-Areal am südlichen Ortsausgang in Köngen soll in den nächsten Jahren zu gemischt genutzten Quartier aus Gewerbe und Wohnen weiterentwickelt werden. Eigentümer ist die Wendlinger Unternehmensgruppe HOS – diese wiederum hat Anfang des Jahres das ehemalige Webereigebäude mit seinem markanten Sheddach direkt an der Bahnhofstraße neu vermietet. Der neue Mieter stellte bereits im April beim Landratsamt einen Antrag auf Umbau und Nutzungsänderung des ehemaligen Betriebsgebäudes zu einer Eventhalle, wo Familienfeiern wie Verlobungen, Hochzeiten oder auch größere Firmenjubiläen stattfinden sollen.
Dazu müsste das Areal allerdings als sogenannte Vergnügungsstätte ausgewiesen werden, was rein rechtlich möglich wäre. Schriftlich schloss der neue Mieter dabei eine Nutzung als Diskothek beziehungsweise Club aus. Erst jetzt landete die Angelegenheit auf der Agenda des Köngener Gemeinderats, der das Vorhaben bei lediglich einer Enthaltung fast geschlossen ablehnte.
Drohen Autokorsos auf der B 313?
Der Grund: Die Räte befürchten Lärmbelästigungen etwa durch hupende Autokorsos, wie in manchen Kulturkreisen bei Hochzeiten üblich, sowie Rückstaus auf die unmittelbar angrenzende Bundesstraße 313. Auch die Zahl der Parkplätze auf dem Gelände, die laut den Plänen des Mieters von aktuell 41 auf 76 erhöht werden soll, scheint den Räten zu knapp bemessen. Insbesondere am Wochenende seien Beeinträchtigungen für die Anlieger zu befürchten, so Köngens Bürgermeister Ronald Scholz. „Solche Störungen können wir nicht vertreten“, sagte der SPD-Fraktionschef Gerhard Gorzellik. Veranstaltungen mit über 500 Gästen seien für die Anwohner nicht zumutbar.
Von Seiten der HOS ist die Entscheidung der Kommune nicht nachvollziehbar. „Wir haben erst vor kurzem erfahren, dass eine Nutzungsänderung von der Verwaltung kritisch gesehen wird. Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagte der Geschäftsführer Andreas Decker. Für Verwunderung bei dem Unternehmen sorgt auch, dass es die Angelegenheit erst jetzt auf die Agenda des Gemeinderats geschafft hat: „Wir sind davon ausgegangen, dass die Entscheidung schon im Sommer fällt.“ Gemeinhin seien drei Monate Genehmigungszeit üblich. Was laut Verwaltungschef Scholz allerdings am Landratsamt liegt: „Und auf deren Bearbeitungszeit haben wir keinen Einfluss.“
Der Mieter hat bereits mit der Sanierung begonnen
Problematisch ist laut Decker, dass der neue Mieter bereits mit Sanierungsmaßnahmen begonnen habe. Er kündigte an, das das Thema mit dem Beschluss noch nicht beendet sei: „Die finale Entscheidung liegt bei der Baurechtsbehörde des Landratsamts.“ Was auch Scholz bestätigt: „Die Verweigerung der Genehmigung durch den Gemeinderat hat noch keine Rechtswirksamkeit. Letztlich entscheidet das Landratsamt.“ Und wenn die Behörde zu einer anderen Entscheidung komme, sei auch das völlig in Ordnung.
Die HOS habe derzeit kein Interesse, ihr ehemaliges Webereigebäude zu verkaufen, so Decker. Für die Zukunft sei das aber nicht ausgeschlossen. Zurzeit sei man dabei, das gesamte Areal weiterzuentwickeln: „Und diese Weiterentwicklung muss letztlich auch finanziert werden, insofern würde ein Leerstand nur schaden.“ Für Decker liegt das nun vorliegende Problem hauptsächlich in mangelnder Kommunikation zwischen dem Antragsteller und der Verwaltung begründet: „Wenn man türkische Hochzeiten kennt, weiß man, dass die komplett durchgetaktet sind und eine feste Uhrzeit haben, was das Veranstaltungsende betrifft.“ Er wies zudem darauf hin, dass bei solchen Events nicht bis in die Puppen gefeiert werde und das der Mieter in Sachen Parkplätze Kooperationen mit angrenzenden Supermärkten anstrebe.
Eigentümer: Auswirkungen auf Entwicklung des Areals möglich
Decker schloss nicht aus, dass eine endgültige Ablehnung der Nutzungsänderung Folgen für das Köngener HOS-Areal, das im derzeit die größte verfügbare Entwicklungsfläche der Kommune sei, haben könnte: „Das könnte eine Blockade des gesamten Vorhabens verursachen. Wir wissen nicht, welche Ausfälle uns dadurch entstehen würden.“
Jetzt liegt der Ball beim Landratsamt
Für SPD-Fraktionschef Gorzellik sind die Argumente der HOS zwar nachvollziehbar: „Aber es ist eben nicht sehr entwicklungsfreudig, so eine Einrichtung auf einem Gelände anzusiedeln, mit dem man was Größeres vor hat.“ Ein Problem sei, dass die Kommune keinen Einfluss mehr auf die konkrete Ausgestaltung der Nutzung habe, wenn sie grünes Licht für die Vergnügungsstätte erteilt habe. „In Sachen Betriebsform sind wir dann nicht mehr gefragt. Das ist der Haken bei der Sache.“ Der Spielball liegt nun also beim Landratsamt. Kommt man dort zu dem Schluss, dass der ablehnende Beschluss der Köngener Räte nicht rechtens ist, könnte die Kommune klagen. „Das wäre theoretisch möglich“, bestätigt der pensionierte Verwaltungsfachmann Gorzellik. Ein solches Vorgehen sei aber eher unüblich.
So geht es mit dem HOS-Areal in Köngen weiter
Geschichte
Eigentümer des rund 5,5 Hektar großen Geländes an der Nahtstelle zwischen der Gemeinde Köngen und der Stadt Wendlingen ist die Wendlinger Unternehmensgruppe HOS – HOS steht für Heinrich Otto & Söhne. Der Shedbau (Baujahr 1911) wurde zunächst als Weberei genutzt, später siedelte die HOS von 1962 bis Anfang 2001 ihre Tochtergesellschaft plastic + form Kunststoff-Verarbeitungs-Gesellschaft an. Seit der Stilllegung ist das Gebäudeensemble aus dem Shedbau, der nicht unter Denkmalschutz steht, sowie den nachträglich angebauten Werkshallen durchgehend vermietet.
Weiterentwicklung
Das gesamte Areal soll zu einem Gebiet mit einer Mischung aus Gewerbe und Wohnen entwickelt werden. Auch ein Grundstückstausch mit der Kommune für ein neues Feuerwehrmagazin steht dabei im Raum. Erst kürzlich stand das Thema laut dem HOS-Geschäftsführer Andreas Decker auf der Klausurtagung des Köngener Gemeinderats weit oben auf der Agenda, dabei habe große Einigkeit geherrscht: „Wir und die Verwaltung ziehen alle am selben Strang.“ Im Idealfall könne man in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 in das Bauleitverfahren starten. Mit einem gültigen Baurecht für das Gebiet sei aber vor Ende 2027 nicht zu rechnen, so Decker weiter.