Die Schuldenregeln sollen in Europa weiter ausgesetzt bleiben. Die Staaten sollen aber dennoch sparen. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die EU-Kommission will die Schuldenregeln weiter aussetzen. Das ist ein richtiger Schritt, wenn der Stabilitätspakt danach reformiert wird, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Europa steuert weiter im Krisenmodus. Angesichts des Krieges in der Ukraine ist es richtig, dass die EU-Kommission die Schuldenregeln für ein weiteres Jahr aussetzen will. Die Wirtschaft droht zu schwächeln, hinzu kommt die Inflation, die nicht nur die Verbraucher an den Supermarktregalen trifft. In solch einer unüberschaubaren Situation die Staaten zum strengen Sparen zu verdonnern, wäre der falsche Weg.

Nötig sind grundlegende Reformen

Das darf allerdings nicht bedeuten, dass die Regierungen in den EU-Ländern nun ungehemmt Schulden machen können. Ziel ist es, ihnen in diesen Krisenzeiten nicht die Luft zum Atmen zu nehmen. Gleichzeitig sollten sie sich Gedanken machen, wie sie ihre Haushalte in absehbarer Zukunft konsolidiert wollen. Das wird vor allem in hoch verschuldeten Staaten wie Griechenland, Italien und auch Frankreich grundlegende Reformen verlangen.

Doch auch die Europäische Union muss sich überlegen, wie der Stabilitätspakt in Zukunft aussehen soll. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass er grundsätzlich überarbeitet werden muss. Die Regeln standen zwar auf dem Papier, doch wurden deren Vorgaben schlicht ignoriert. Von Seiten der EU-Kommission kamen zwar regelmäßig Mahnungen, sich an die Regeln zu halten. Um deren Durchsetzung hat sich allerdings niemand wirklich gekümmert.

Der Stabilitätspakt muss angepasst werden

Inzwischen sind sich alle EU-Mitglieder einig, dass der Stabilitätspakt angepasst werden muss. Allerdings herrscht große Uneinigkeit darüber, wie das passieren soll. Vor allem südeuropäische Länder fordern wesentlich flexiblere Sparziele. Für sie ist die vertraglich vereinbarte Schuldengrenze von 60 Prozent zumindest mittelfristig ein völlig illusorischer Wert.

Ein solcher Schritt würde die Maastricht-Kriterien allerdings völlig entwerten. Zurecht formiert sich dagegen Widerstand – allen voran aus Deutschland. Doch auch diese als „Spar-Kommissare“ verschriene Gruppe hat aus der Finanzkrise gelernt. Damals orientierten sich die Brüsseler Haushälter lange verbissen an den vorgegebenen Zahlen, bisweilen ohne Rücksicht auf die sozialen Folgen für die Menschen in den ärmeren EU-Ländern. Es kann aber nicht im Interesse der reichen Staaten sein, wenn ein großer Teil der Bevölkerung in ständiger Angst vor dem finanziellen Absturz leben muss.

Die Regeln müssen realistischer werden

Das bedeutet, dass die Regeln des Stabilitätspaktes realistischer gestaltet werden müssen. Auch finanzschwache Länder müssen in der Lage sein, Investitionen zu tätigen, um einen stabilen Wachstumskurs anzusteuern und nachhaltige öffentliche Finanzen zu haben. Im Gegenzug müssen die Regierungen einen glaubwürdigen und langfristigen Plan zum Schuldenabbau präsentieren. Dieser „Stabilitätspakt 2.0“ braucht vor allem auch effektive Kontrollen. Zu lange hat sich die EU auf Versprechungen verlassen. Der Schlendrian mancher Staaten aber führt in die finanzielle Sackgasse und schaden langfristig der gesamten Union.