Immer mehr Menschen wollen eine Solaranlage auf dem Dach haben – wie Martin Pesch aus Leinfelden-Echterdingen, dessen Haus hier zu sehen ist. Für den bürokratischen Hürdenlauf müssen sie teils Geduld mitbringen. Foto: privat

In Leinfelden-Echterdingen konnte eine installierte Solaranlage monatelang nicht ans Netz gehen. Der Grund: Die Erlaubnis des Netzbetreibers ließ auf sich warten.

Martin Pesch hat den direkten Vergleich. Mitte März 2022 hat sich der Mann zwei Solaranlagen installieren lassen – eine auf sein Hausdach in Leinfelden-Echterdingen, eine aufs Dach seines Ferienhauses in Spanien. In seinem Urlaubsdomizil sei er ab dem Tag der Installation im April Selbstversorger gewesen, erzählt er. Auf den Fildern hingegen war die Anlage lange zum Nichtstun verurteilt. Seit Mai hat er die Paneele auf dem Dach, doch von der reichlichen Sommersonne in diesem Jahr durfte Martin Pesch kein einziges Kilowatt ernten. Dabei hätte die Anlage in der Spitze 14,4 Kilowatt liefern können.

Am 17. August, tatsächlich zufällig an dem Tag, an dem er unserer Zeitung davon erzählt hat, erhielt Martin Pesch dann den entscheidenden Brief von der Netze BW. Der Ableger des Energieriesen EnBW erlaubt ihm damit, dass die Anlage Strom ins Netz einspeisen darf. Was er seither freilich macht, doch eine Frage bleibt für ihn: Warum hat das Ganze fünf Monate gedauert? „Die meiste Zeit im Prozess hat leider die Netze BW benötigt“, sagt er.

Was man bei einer PV-Anlage beachten muss

Wer sich für eine PV-Anlage entscheidet, muss ein paar Dinge beachten. Informiert werden müssen beispielsweise die Bundesnetzagentur, das Finanzamt und andere Behörden sowie der Netzbetreiber. Letzterer muss in Deutschland erlauben, dass der Sonnenstrom ins Netz eingespeist werden darf. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, ein sicheres Netz zu betreiben und bedarfsgerecht auszubauen“, teilt Dagmar Jordan für die Netze BW auf Anfrage mit. „Eine Stromerzeugungsanlage, auch wenn diese sehr klein ist, hat letztendlich eine Auswirkung auf den sicheren Betrieb des Stromnetzes.“ Daher müsse geprüft werden, ob die Anlage sofort angeschlossen werden kann oder ob das Netz ausgebaut werden muss.“

Diese Einspeiseerlaubnis, auf die Martin Pesch fünf Monate warten musste, erteilt der jeweilige Stromnetzbetreiber. Im Falle von Martin Pesch eben die Netze BW. Sind die fünf Monate Wartezeit Usus? Die Sprecherin Dagmar Jordan nennt eine durchschnittliche Bearbeitungszeit der Anträge von derzeit zwölf Tagen. „Danach ist der Kunde gefordert, die Anlage zu installieren und uns die technischen und vergütungsrelevanten Nachweise zur Verfügung zu stellen.“ Die Phase, die dann folge, „wird tatsächlich immer länger“. Die Gründe sieht sie allerdings nicht bei Netze BW, sondern beim Kunden. Beispielsweise weil der Elektroinstallateur „die Angaben verspätet oder unvollständig macht. Dies führt zu zeitaufwendigen Nachforderungen“, so Jordan. „Außerdem führt Materialmangel bei den PV-Anlagen zu Verzögerungen, bis die Anlage fertig installiert ist.“

Die Nachfrage nach PV-Anlagen steigt stark an

Als Erklärung für die Hängepartie in Leinfelden-Echterdingen funktioniert dies indes schlecht, denn in den zurückliegenden Monaten hätten ja alle nur noch auf die Netze BW gewartet, sagt Martin Pesch. Immer wieder habe er nachhaken wollen, doch er sei nicht durchgekommen. „Der gelbe Balken, ständiger Begleiter im Prozess“, kommentiert Martin Pesch einen Screenshot der Internetseite von Netze BW. Im gelben Balken zu lesen: „Derzeit erreichen uns sehr viele Kundenanfragen, daher kann es zu längeren Bearbeitungszeiten kommen. Bitte haben Sie ein wenig Geduld.“

Nach Auskunft der Sprecherin Dagmar Jordan lägen derzeit rund 25 000 Anträge vor. Man beobachte einen extremen Zuwachs. „2018 hatten wir noch circa 10 000 Anfragen.“ Reagiert Netze BW auf diesen Boom denn mit zusätzlichen Mitarbeitern? „Ja, das Personal wurde in den letzten Jahren permanent angepasst, parallel dazu wird versucht die Prozesse deutlich zu vereinfachen und zu digitalisieren“, so Dagmar Jordan, „um den Anforderungen an die Energiewende noch besser gerecht zu werden“. Die Chancen, dass irgendwann die Erlaubnis ins Haus flattert, ist jedenfalls recht groß. Im Jahr würden null bis fünf Anlagen abgelehnt, sagt die Sprecherin.

Das Problem von Martin Pesch ist übrigens kein Einzelfall. Der Bundesverband Solarwirtschaft hat gegenüber „Focus online“ im Juni geäußert, dies betreffe mehr als 1000 PV-Anlagen bundesweit. Der Mann aus Leinfelden-Echterdingen versteht den gesamten bürokratischen Hürdenlauf nicht. Er wolle doch nur für sich Strom erzeugen, und was er nicht verbrauche, würde er gern verschenken. Stattdessen sei er gezwungen, den Strom zu verkaufen, und werde deshalb zu einem Papierkrieg verdonnert. „Mein Ansatz war stets die Unabhängigkeit des eigenen Haushalts und jeglichen Überschuss solidarisch zur Verfügung zu stellen.“

Strom aus Sonnenkraft

Einspeisung
Jede Kilowattstunde, die von einer PV-Anlage ins Netz eingespeist wird, wird gemäß der Sätze des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vergütet. Man kann einen Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber schließen, ist dazu laut EEG aber nicht verpflichtet.

Stecker-Solarmodule
Solarmodule für den Balkon sind bis zu einer Nennleistung von 600 Watt recht unbürokratisch und einfach selbst zu installieren. Im Vergleich zu Dach-PV-Anlagen ist weder eine Baugenehmigung noch eine Meldung beim Finanzamt nötig. Mieter können sie bei Auszug mitnehmen. Momentan gibt es Wartezeiten, weil Wechselrichter knapp sind. ana