Ein AfD-Aufkleber an der Fassade einer Hochdorfer Autowerkstatt (Kreis Esslingen), deren Mitarbeiter überwiegend Migrationshintergrund haben, löst Empörung aus. Was der Inhaber sagt – und wie die Partei darauf reagiert.
Als der Werkstattleiter Harun Ugurcu kürzlich in Hochdorf am frühen Morgen die Autowerkstatt aufschloss, hat er das kleine gelbe Schildchen am Eingang erst einmal übersehen. Irgendjemand hatte es dort in der Nacht auf die Eingangstür geklebt. „Nett hier. Aber sind Sie nicht ausreisepflichtig?“ war aufgedruckt – und ein weiterer Hinweis: „Mit freundlicher Unterstützung der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg“. Auf den ersten Blick kann es leicht mit dem Aufkleber „Nett hier. Aber waren Sie schon einmal in Baden-Württemberg?“ verwechselt werden, mit dem die Landesregierung für einen Besuch im Südwesten wirbt. Einige Zeit später machte ein Mitarbeiter den Inhaber von IB Autoservice, seinen Chef Adnan Izmir, auf den tatsächlichen Inhalt des Aufklebers aufmerksam.
„Ich habe deshalb eine unbeschreibliche Wut im Bauch“, sagt der gelernte Kraftfahrzeugtechniker-Meister, der den Betrieb an der Plochinger Straße am Ortsausgang von Hochdorf vor 20 Jahren übernommen hat. Anlässlich dieses kleinen Jubiläums hat der 50-Jährige seine Mitarbeiter in diesem Jahr zu einer Kurzreise in die Türkei eingeladen. Izmir geht davon aus, dass seine Werkstatt wegen seiner acht überwiegend fremdländisch aussehenden Mitarbeiter gezielt für die Aktion ausgewählt worden ist. Bis auf drei kommen sie aus der Türkei und aus Rumänien, haben einen Migrationshintergrund oder so wie er und sein Werkstattleiter migrantische Wurzeln. Sowohl Izmir als auch Ugurcu sind Kinder türkischer Eltern, sind in Esslingen geboren, in Hochdorf aufgewachsen und haben beim TV Hochdorf aktiv Fußball gespielt. Der 41 Jahre alte Harun Ugurcu trainiert heute die „Bambini“ seines Vereins. „Für mich ist Hochdorf meine Heimat“, sagt Izmir gerade so, als ob das nicht selbstverständlich zu sein scheint.
Beide gehen davon aus, dass der Aufkleber, den die AfD Ende November 2023 im Zuge einer Kampagne verbreitet hat und der heute nicht mehr offiziell zu bekommen ist, alle Mitarbeiter unter Generalverdacht stellt, sich illegal in Deutschland aufzuhalten und ausreisepflichtig zu sein. Doch die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag sieht das laut ihres Sprechers Josef Walter anders. „Die Vermutung ist unserer Meinung nach abwegig“, heißt es auf Anfrage in einer schriftlichen Stellungnahme der AfD. Menschen, die nicht ausreisepflichtig seien, könnten die Frage für sich ja mit „nein“ beantworten. In jedem Fall räumt Walter ein, dass seine Fraktion für den Aufkleber verantwortlich sei. Christof Deutscher, der Bundestagskandidat der AfD im Wahlkreis Nürtingen und Sprecher des Kreisverbands Esslingen, kann „den skizzierten Vorgang weder verifizieren noch nachvollziehen“. „Möglicherweise ist dies von Ihnen eher so konstruiert“, sagt er.
Bürgermeister rät zu einer Strafanzeige
Hochdorfs Bürgermeister Gerhard Kuttler hat Adnan Izmir geraten, Anzeige zu stellen. „Einen solchen Aufkleber am Hochdorfer Betrieb eines deutschen Unternehmers anzubringen, der seit Jahrzehnten Arbeitsplätze bereitstellt und mit dazu beiträgt, dass The Länd läuft, ist so traurig wie es dreist ist“, sagt er.
Doch zu einer Anzeige hat sich Izmir nicht durchringen können. „Das ist ein Kampf gegen Windmühlen“, sagt er und warnt: „Alles hat damals mit Kleinigkeiten angefangen“. Heute seien es Flüchtlinge und morgen werde gesagt, dass er und seine Familie die Koffer packen sollen. Was ihm trotz aller Widrigkeiten Kraft gibt, sind die vielen Solidaritätsbekundungen, die er per Whatsapp, SMS und über die sozialen Netzwerke inzwischen nicht nur von Hochdorfern erhalten hat. Nur eines könne er nicht mehr hören. Wenn jemand sage: „Nimm’s nicht persönlich, Du bist ja anders“. Das sei purer Rassismus.