Simon Olbert aus Plochingen und Michael Kruschhausen aus Bad Boll haben das Bonanza-Rad technisch weiterentwickelt und in die Neuzeit übersetzt.
PlochingenHoher Lenker, Bananensattel, Schalthebel am Oberrohr und hinten dran wedelt ein Fuchsschwanz. So kam in den 70er-Jahren das Bonanza-Rad daher, ein cooles Gefährt, das ein gewisses Lebensgefühl widerspiegelte. Simon Olbert aus Plochingen und Michael Kruschhausen aus Bad Boll haben diese Idee technisch weiterentwickelt und in die Neuzeit übersetzt. Mit ihrem „Bullet Bike“ wollen sie Leute ansprechen, die das Rad gerne zum Cruisen nutzen und damit auch noch stylisch aussehen wollen. Spaß können dank Sitzbank auch Sozius oder Sozia haben. Und damit das Vergnügen zu zweit nicht zu anstrengend ist, haben die beiden ihr Funbike mit einem Elektro-Motor ausgestattet. „Das ist ein bisschen wie Harley-Fahren“, schwärmt Olbert.
Klingt nach einem klassisch-schwäbischen Start up: zwei Jungunternehmer, die auf dem Sprung in die Selbstständigkeit sind. Nicht ganz. Denn beide haben einen Beruf, der sie erfüllt und den sie deshalb auch nicht aufgeben wollen. Sie sind Realschullehrer. Olbert, 35 Jahre alt, unterrichtet die Fächer Mathematik und Physik, Kruschhausen (34) Englisch, Sport und Wirtschaft. In ihrer Freizeit tüfteln beide für ihr Leben gerne und zusammen haben sie in den vergangenen drei Jahren zwei Produkte entwickelt, die das Zeug haben, eine Marktnische zu erobern. Ein E-Board, auf dem man mit 40 Sachen durch die Gegend düsen kann, und eben jenes Elektro-Bike, das wegen seines Designs überall gleich auffällt. Ihre Mobile haben allerdings einen Haken: In anderen europäischen Ländern wie Österreich, der Schweiz oder Spanien dürfen sie auf öffentlichen Straßen und Plätzen benutzt werden, aber in Deutschland ist das untersagt. Bislang wenigstens.
In Kalifornien Feuer entfacht
Die Geschichte ihrer Erfindungen beginnt im Jahr 2015. Michael Kruschhausen machte damals Urlaub in Kalifornien. Was er dort an der Westküste zu sehen bekam, entfachte in ihm ein regelrechtes Feuer: junge, aber auch viele ältere Amerikaner, die dort lässig auf Electric Boards umher cruisten und dabei riesigen Spaß hatten. Noch am gleichen Tag schickte er Bilder an seinen Freund Simon, versehen mit einer auffordernden Botschaft: So etwas brauchen wir auch.
Gesagt, getan. Monatelang haben die beiden in einer Doppelgarage auf dem Stumpenhof konstruiert und herumgeschraubt, mit verschiedenen Komponenten rumprobiert und die Mobile in der Praxis getestet. Bis das mattschwarze Bullet Board fertig war. Das englische Wort Bullet bedeutet Kugel und steht in dem Fall für Kraft und Geschwindigkeit. Das Board ist mit einem 2000 Watt starken E-Motor ausgestattet, mit dem man bis zu 40 Stundenkilometer schafft. „Es gibt etliche Hersteller von Elektro-Boards“, berichtet Simon Olbert. „Aber unseres ist mit seiner Power konkurrenzlos.“ Bedient wird es mit einer Fernsteuerung, die der Fahrer in der Hand hat. „Mit ein wenig Übung ist das Fahren selbst für Unerfahrene kein Problem“, versichert Kruschhausen. Eine sogenannte Smooth-Start-Funktion ermöglicht ein sanftes Beschleunigen. Die ebenfalls ferngesteuerte Induktionsbremse garantiert ein kontrolliertes Anhalten des acht Kilogramm schweren Boards. Je nach Profil der Strecke hat das Gefährt eine Reichweite von bis zu 15 Kilometer. Der Spaß ist nicht billig. 800 Euro kostet so ein Rennbrett.
„Wir wollten die Boards anfangs nur für uns machen“, erzählt Kruschhausen. Doch dann entschieden sich die beiden, doch damit auf den Markt zu gehen. Der Erfolg gibt ihnen recht. Sie haben sich etliche Boards verkaufen können, auch in Deutschland. Ebenso zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt sich die zweite Erfindung der zwei Realschullehrer, das Bullet Bike. Ein Jahr lang haben sie herumgetüftelt, bis der Prototyp fertig war. „Da ist viel learning by doing dabei“, verrät Olbert. „Wir müssen es später ja auch reparieren können.“ Der Alurahmen wird nach den Vorgaben der schwäbischen Erfinder in China geschweißt. Bei den Komponenten entschied man sich für Teile, wie man sie von anderen Rädern kennt: Sieben-Gang-Schaltung von Shimano, Tektro-Scheibenbremsen, 250-Watt-Nabenmotor von Bafang, 13-Ah-Akku von Samsung. In der Mischung macht es ein 2300 Euro teures E-Bike, das Aufmerksamkeit erregt. „Natürlich polarisiert es“, weiß Olbert. „Aber das ist eine emotionale Geschichte. Entweder es gefällt einem oder es gefällt einem nicht.“
Alles selbst finanziert
Bei Messen wie der E-Mobil in München oder der Moto in Ulm haben die beiden sowohl in Fachkreisen als auch bei den Kunden auf Anhieb großes Interesse erzeugt. Das hat sie ermutigt, im vergangenen August an den Markt zu gehen. „Die erste Charge von 20 Bikes ist bereits weg“, berichtet Olbert. Auf diese unerwartet gute Resonanz wollen sie nun reagieren. Bis zu 50 Stück sollen in einem zweiten Schritt produziert werden. Das bedeutet nicht nur viel Zeit, denn alle Teile werden von ihnen selbst montiert. Da steckt auch viel Geld drin. „Wir haben bisher alles aus eigener Tasche finanziert“, sagt Kruschhausen. Mit ihren Erwartungen bleiben sie auf dem Teppich. Alles Schritt für Schritt und in einem kalkulierbaren Rahmen. „Wir sind nicht blauäugig“, betont Olbert. Aber der Erfolg spornt sie an, auf dieser Schiene weiter zu machen. Wie gut sich ihre Produkte in Zukunft verkaufen werden, hängt auch von der Entscheidung des Bundestags ab. Eine Gesetzesvorlage, die die bisherigen Einschränkungen bei der Nutzung elektrobetriebener Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr lockert, liegt bereits vor. „Wir hoffen, dass sich da bald was tut“, sagt Kruschhausen. „Gerade in unserer Region mit den vielen Staus wäre so eine Entscheidung ein Schub für die Elektromobilität.“ Beide sind überzeugt, dass sich damit viele Verkehrsprobleme mildern ließen.