Immer wieder voller Dynamik und Präzision: Das Stuttgarter Ballett – hier in Louis Stiens’ Stück „Messenger“ Foto: Stuttgarter Ballett

75 Jahre Stuttgarter Nachrichten
feiert unsere Zeitung dieses Jahr. Am 13. November mit einem besonderen Ereignis im Opernhaus Stuttgart. Sie können dabei sein.

Stuttgart - Am vergangenen Samstag öffneten sich erstmals seit 19 Monaten wieder die Türen des Opernhauses für das zentrale Erlebnis vieler Fans des Stuttgarter Balletts – den Schatz der großen Handlungsballette. Das vermutete Schwirren und die mitunter fast atemlose Vorfreude schon vor dem stolzen Theaterbau und auf den Gängen des Opernhauses aber blieben weitgehend aus.

Noch mit Schachbrett-Sitzplan

Noch agieren die Staatstheater Stuttgart, mit 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das größte Dreispartenhaus der Welt (Oper, Ballett und Schauspiel) im Schachbrett-Sitzplan, können nur 700 statt 1400 Besucherinnen und Besuchern die Vorstellungen im Opernhaus erleben – auch am Platz mit Schutzmaske.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: „Onegin“ tanzt mit neuer Wucht

„Onegin“ aber, in der zeitlos überragenden Choreografie von John Cranko – uraufgeführt am 13. April 1965 – hat eine eigene Intensität, eine eigene Wucht. Und so erfasst nach dem ersten Schlussapplaus eine Welle die licht besetzten Sitzreihen. Und gerade so, als könne man die bösen Coronageister gemeinsam aus dem Opernhaus klatschen, steigerte sich der Jubel zu einer Beschwörung eigener Befreiung. Das Echo hinter der Bühne ist entsprechend – auch die von Stuttgarts Stars Friedemann Vogel und Elisabeth Badenes angeführten „Onegin“-Tänzerinnen und Tänzer machten ihrer Erleichterung lautstark Luft.

„Umwerfende Reaktion“

Erleichtert zeigt sich auch Stuttgarts Ballettintendant Tamas Detrich: „Am vergangenen Samstagabend“, sagt er, „haben wir gesehen, was ein Handlungsballett wie John Crankos ,Onegin‘ auslösen kann: absolute Euphorie bei den Zuschauern – eine umwerfende, überwältigende Reaktion seitens des Publikums.“ Und Detrich ergänzt: „Alle ,Onegin‘-Vorstellungen im November sind ausverkauft. Was für ein Gefühl! Was für eine Bestätigung! Das gibt den Tänzern, den Musikern und auch mir sehr viel Kraft und Motivation, weiterhin alles für unser Publikum zu geben – auf höchstmöglichem Niveau.“

Vollauslastung von 1. November an

„Ausverkauft“, das heißt von 1. November an für alle Vorführungen von Oper, Ballett, Schauspiel sowie die Staatsorchester-Konzerte im Opernhaus: Alle Plätze können besetzt werden. Die Zahlen weisen darauf hin, dass das Publikum die Öffnung mitgeht – was auch den Geschäftsführenden Intendanten der Staatstheater Stuttgart, Marc Oliver Hendriks, aufatmen lässt.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Kultur und Corona – Das Zittern bleibt

„Die Staatstheater“, sagt Hendriks, „streben regelmäßig eine Eigenfinanzierung von etwa 20 Prozent an. Dieses Ziel konnte in den vergangenen beiden Spielzeiten aufgrund der Coronasituation natürlich nicht erreicht werden. Hier war eine massive Finanzierung über das Instrument der Kurzarbeit notwendig.“ Parallel forcierte Hendriks in Kooperation mit dem Sozialministerium einen umfassenden, von den Universitäten Stuttgart, Tübingen und Freiburg begleiteten Modellversuch, in dem die Luftströme in den Staatstheater-Spielstätten bis in kleinste Details analysiert wurden. Der Modellversuch erlaubte eine vorsichtige Öffnung.

„Der Dank ist spürbar“

Das Engagement zahle sich nun aus, glaubt Hendriks. „Der Dank ist spürbar“, sagt der mit den Künstlerischen Intendanten Viktor Schoner (Oper), Tamas Detrich (Ballett) und Burkhard C. Kosminski (Schauspiel) gleichberechtigte Geschäftsführende Intendant, „für das Publikum da gewesen zu sein“. Und er betont: „Die Staatstheater haben den Kontakt zum Publikum auch kommunikativ stets aktiv aufrechterhalten. Wahrscheinlich wirkt sich dieses zusammen jetzt positiv auf die Besucherzahlen aus.“

Fixstern John Cranko

Der Boden für neuerlich große Feste in den Staatstheater-Spielstätten ist also bereitet. Weiter besonders im Fokus steht das Stuttgarter Ballett. Das ganze Jahr schon feiert man das 60-jährige Bestehen einer Kompanie, die bis heute eng mit ihrem Begründer John Cranko verbunden ist. In wenigen Jahren führt Cranko nach seinem Antritt 1961 in die Weltspitze. Und auch nach seinem überraschenden Tod auf dem Rückflug von einer USA-Tournee 1973 bleibt Cranko, bleiben seine Stücke wie auch seine Haltung der Fixpunkt des Stuttgarter Balletts.

Besondere Begegnungen

1970 ist John Cranko, der in Stuttgart von Beginn an für die Einrichtung einer eng mit dem Stuttgarter Ballett verbundenen Ausbildungsstätte streitet, erster Gast einer neu gegründeten Veranstaltungsreihe unserer Zeitung. Und Cranko, der sich 1971 über die Eröffnung der 1974 nach ihm benannten Schule freut, macht mit seinem Auftritt auch den „Treffpunkt Foyer“ zu einem Versprechen – auf besondere Begegnungen mit herausragenden Persönlichkeiten. Auch als Reid Anderson 1996 die Verantwortung für das Stuttgarter Ballett übernimmt, ist er Gast des „Treffpunkt Foyer“ – in die Alte Reithalle bringt er seinerzeit seine neuen Solisten mit: Margaret Illmann, Yseult Lendvai, Robert Tewsley und Vladimir Malakhov.

Neue Stücke aus den eigenen Reihen

2018 tritt Tamas Detrich die Nachfolge von Reid Anderson an – und will einer Linie treu bleiben: in der eigenen Kompanie neue Tanzsprachen zu entwickeln. Detrich sieht das Stuttgarter Ballett dafür „bestens aufgestellt“. „Wir haben“, sagt er, „die weltweit renommierteste Choreografie-Plattform mit Noverre: Junge Choreographen. Es gehört inzwischen zu unserer DNA, Choreografen hervorzubringen; viele beginnen sogar in der John-Cranko-Schule zu choreografieren.“ Und Detrich ergänzt: „Dies war unsere Rettung während des Lockdowns: Wir verfügen über so viele talentierte Choreografen innerhalb der Kompanie, dass wir in der Zeit neun Uraufführungen aus den eigenen Reihen stemmen konnten.“ Detrich blickt gespannt nach vorn: „ In dieser Spielzeit geht der Reigen an Uraufführungen weiter“, sagt er, „denn wir führen die Reihe der ‚Creation Ballettabende‘ mit der Ausgabe VII–X fort. Vier Uraufführungen also, bei denen die jungen Choreografen ihre Ideen verwirklichen können.“

Künstlerische Gegenkräfte

So gern das Stuttgarter Ballett rückblickend miteinander feiert, so deutlich ist auch der Anspruch, international in der Formulierung der Tanzsprache ganz vorne dabei zu sein – in den 2000er Jahren etwa mit den Gegenkräften des episch-musikalischen Christian Spuck und des Tanz bis in die Analyse treibenden Marco Goecke.

Wie geht es weiter im Stuttgarter Ballett?

Wie geht es weiter im Stuttgarter Ballett? Welche sind die Schritte in die Zukunft? Tamas Detrich will antworten – am Samstag, 13. November, im Opernhaus Stuttgart. „Ich liebe es“, sagt er, „im Dialog mit unserem Publikum zu sein, Einblicke in meine Vision und meine Arbeit zu geben und auch Fragen zu beantworten. Dieser Kontakt hat uns allen in letzter Zeit sehr gefehlt: live, beieinander, miteinander. Ich freue mich riesig!“ Umgekehrt weckt auch dies Vorfreude: ein kurzer Auftritt des Stuttgarter Balletts.

So können Sie dabei sein

2021 feiern die „Stuttgarter Nachrichten“ ihr 75-jähriges Bestehen, das Stuttgarter Ballett erinnert an seine Gründung vor 60 Jahren, und die John Cranko Schule wird 50. Gute Gründe für einen tiefen Blick zurück nach vorn. Am Samstag, 13. November, laden unsere Zeitung und das Stuttgarter Ballett zu einem besonderen Vormittag im Opernhaus ein: „60 Jahre Stuttgarter Ballett – Konzept Zukunft“ ist die Veranstaltung überschrieben. Gäste sind Tamas Detrich, seit 2018 Intendant des Stuttgarter Balletts, sowie der Tänzer, Choreograf und Fotograf Roman Novitzky. Einlass ist um 11 Uhr, Beginn ist um 12 Uhr. Es moderiert Nikolai B. Forstbauer, Titelautor unserer Zeitung.

Digitale Anmeldung

„60 Jahre Stuttgarter Ballett – Konzept Zukunft“ setzt die Reihe außergewöhnlicher Begegnungen in Kooperation zwischen unserer Zeitung und dem Stuttgarter Ballett fort. Für unsere Leserinnen und Leser ist der Besuch kostenlos, 200 Plätze sind verfügbar. Eine Anmeldung ist notwendig – über www.stuttgarter-ballett.de/stn (am 27.10. von 10 Uhr an) Pro Person können zwei Tickets bestellt werden. Die Sitzreihen im Parkett des Opernhauses werden im Schachbrett besetzt. Es gilt das Hygienekonzept der Staatstheater Stuttgart (Nachweis über geimpft, genesen, getestet und Maskenpflicht).