Diese Luftaufnahme zeigt Menschen, die auf der zerstörten Autobahn zwischen Darnah und Sousse im Osten Libyens stehen. Die Autobahn war ursprünglich mit einer Brücke verbunden, die bei den jüngsten schweren Überschwemmungen zerstört wurde. Foto: Ibrahim Hadia al-Majbri/XinHua/dpa

Nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen laufen die Rettungseinsätze auf Hochtouren. Doch es mangelt an Koordinierung, Helfer sprechen von chaotischen Zuständen in dem Bürgerkriegsland. Zugleich wächst die Sorge vor dem Ausbruch von Krankheiten – vor allem von Cholera, Ruhr und Typhus.

Die Zahl der an die Weltgesundheitsorganisation WHO gemeldeten Cholera-Fälle hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. So seien im Jahr 2022 gut 470 000 Fälle übermittelt worden, berichtet die WHO in Genf. 2021 seien es gut 220 000 gewesen. Allerdings sei die Datenlage insgesamt nach wie vor unzureichend. Die Organisation ging in einer früheren Schätzung von jährlich 1,3 bis 4 Millionen Erkrankungen und von bis zu 143 000 Todesfällen aus.

Zahl der Cholera-Fälle nimmt weltweit zu

Im vorigen Jahr habe es mehr besonders große Ausbrüche der Durchfallerkrankung gegeben 2021, teilt die WHO nun mit. Besonders betroffen waren Afghanistan, Kamerun, die Demokratische Republik Kongo, Malawi, Nigeria, Somalia und Syrien. "Je größer der Ausbruch, desto schwerer ist es, ihn unter Kontrolle zu bringen", heißt es seitens der WHO. Cholera-Ausbrüche seien eng verknüpft mit unzureichender Trinkwasserversorgung, Armut und Konflikten.

Insgesamt meldeten demnach 44 Länder Cholera-Fälle, neun mehr als im Jahr zuvor. An die WHO wurden 2349 Todesfälle übermittelt. Aktuelle Daten für 2023 legten nahe, dass der globale Anstieg der Cholerazahlen weitergeht, so die WHO. Aktuell würden 24 Länder angeben, dass es bei ihnen derzeit Ausbrüche gibt.

Große Sorge vor Cholera-Epidemie in Libyen

Vor allem in Libyen ist man nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen mit tausenden, vielleicht sogar zehntausenden von Toten in Sorge wegen eines massenhaften Ausbruchs der Magen-Darm-Krankheit. Internationale Helfer sprechen von einer „katastrophalen humanitären Lage“ und chaotischen Zuständen in der teils zerstörten Stadt Darnah im Osten des nordafrikanischen Landes.

Was ist Cholera?

Ein junger Patient, der an Cholera erkrankt ist, in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince. Foto: Imago/Zuma Wire
  • Cholera ist eine Erkrankung der Darmschleimhaut und verursacht Erbrechen und lebensgefährliche Durchfälle. Bakterien (Vibrio Cholerae) lösen die durch mangelnde Hygiene verursachte Infektion aus, die im Extremfall binnen weniger Stunden zum Tod führen kann. Anfang der 1880er Jahre wies Robert Koch ein stäbchenförmiges Bakterium als Cholera-Erreger nach.

Was löst Cholera aus?

Ursachen für Cholera sind Trinkwasser, das mit Fäkalien oder Erbrochenem von Erkrankten verschmutzt ist, und verunreinigte Lebensmittel. Foto: Imago/Pond5 Images
  • Auslöser: Die Durchfallerkrankung wird durch das Bakterium Vibrio cholerae ausgelöst, das im Darm ein Gift bildet. Ursachen sind Trinkwasser, das mit Fäkalien oder Erbrochenem von Erkrankten verschmutzt ist, und verunreinigte Lebensmittel.
  • Infektion: Etwa 80 Prozent der Infektionen verlaufen milde. In schweren Fällen können aber Flüssigkeits- und Salzverlust in Stunden zu Kreislaufkollaps, Muskelkrämpfen bis zum Schock und Tod führen.
  • Seuchengeschichte: Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts litten und starben auch in Europa Hunderttausende an der Cholera. Schon indische Schriften aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. beschreiben das Krankheitsbild des „asiatischen Ungeheuers“, das sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten aus dem indischen Ganges-Delta auf mehrere Kontinente ausgebreitet hat. Im 19. Jahrhundert hatte sich die Cholera vom Ganges-Delta in Indien über die ganze Welt ausgebreitet. Sechs Pandemien in Folge töteten Millionen Menschen. Die siebente Pandemie brach 1961 aus. Die WHO geht von jährlich drei bis fünf Millionen Erkrankungen und 100 000 bis 120 000 Todesfällen aus, vor allem in Afrika, Südamerika, Südostasien und im Westpazifik.

Wie kommt es zu einer Infektion?

Trinkwasserbrunnen in einem Dorf in Tansania. Foto: Imago/auslöser photografie
  • Ursachen: Die meisten Menschen infizieren sich über Trinkwasser, das mit Fäkalien verschmutzt ist, oder über verunreinigte Lebensmittel.
  • Verlauf: Die Bakterien setzen sich im Dünndarm fest und sondern ein Gift ab. Die Patienten können mehr als 20 Liter Flüssigkeit am Tag verlieren, auch Mineralien werden ausgeschwemmt. Nierenversagen und Kreislaufkollaps sind die Folge.

Wie sind die Heilungschancen?

Das Antibiotikum Doxycyclin wird allen Menschen, auch Kindern und schwangeren Frauen, bei einer Cholera-Infektion verabreicht. Andere Antibiotika, die zum Einsatz kommen können, sind Azithromycin und Ciprofloxacin. All diese Antibiotika werden oral eingenommen. Foto: Imago/Panthermedia
  • Antibiotikum: Unbehandelt kann die Infektionskrankheit Cholera innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen zum Tod führen. Bei schneller Diagnose und Behandlung – vor allem mit sauberem Wasser, lebenswichtigen Salzen (Elektrolyten) und einem Antibiotikum – ist die Prognose aber gut. Bei guter medizinischer Betreuung lässt sich die Todesrate unter den Erkrankten laut Weltgesundheitsorganisation WHO unter ein Prozent senken.

Wann kommt es zu Epidemien?

Ein von Müll verseuchter Bach im Kibela-Slum in der kenianischen Stadt Nairobi. Foto: Imago/Zuma Wire
  • Hygiene: Epidemien treten vor allem auf, wenn die hygienischen Bedingungen schlecht sind und es keine geregelte Abwasserversorgung gibt – wie zum Beispiel in den zerstörten Städten Libyens. Je besser die Abwasserversorgung, desto geringer die Chance zur Verbreitung. Besonders gefährdet sind Reisende in tropische Krisengebiete. Hier sind die Hygienestandards gering, es kann zur Verunreinigung des Trinkwassers kommen.

Wie kann man sich vor einer Ansteckung mit Cholera schützen?

Ein Gesundheitsmitarbeiter nimmt eine Wasserprobe aus einem Fluss. Foto: Imago/Pond5 Images
  • Impfung: Vor einer Reise in die Tropen sollte man sich auf jeden Fall informieren und beraten lassen. Muss man in eine Region fahren, wo Cholera verbreitet ist, sollte man sich impfen lassen. Eine Schluckimpfung ist gut verträglich und wirkt zu 60 bis 70 Prozent.
  • Hygiene: Weiterhin sollte man natürlich auf Nahrungsmittelhygiene achten: „Boil it, cook it, peal it or forget it“, also „Koche es, schäle es oder vergiss es“ ist ein guter Leitsatz. Lebensmittel sollten durchgegart sein und man sollte darauf achten, woher Essen und Getränke stammen.

Was passiert bei einer Infektion?

Die von Cholera-Bakterien gebildeten Toxine schädigen die Darmschleimhaut. Foto: Imago/BSIP
  • Bakterien-Stämme: Es gibt verschiedene Cholera-Stämme, von denen einige ein Toxin bilden, also giftig sind. Die Toxine bewirken, dass die Darmschleimhaut große Mengen an Wasser und Mineralsalzen – sogenannten Elektrolyten – abgibt. Die Zellen werden quasi undicht, es kommt zu starkem, wässrigem Durchfall. Dadurch verliert der Körper extrem viel Flüssigkeit, trocknet im schlimmsten Fall aus und gerät in ein Kreislaufversagen.

Und wie kann man dem entgegenwirken?

An Cholera erkranktes Kleinkind in Haiti. Foto: Imago/Aton Chile
  • Flüssigkeitszufuhr: Auf jeden Fall muss der Flüssigkeitsverlust ausgeglichen werden, wie bei allen Durchfallerkrankungen. Zusätzlich verliert der Körper wichtige Salze, die sogenannten Elektrolyte. Diese Verluste kann man ausgleichen, wenn man beispielsweise Kräutertee mit Salz und Zucker trinkt oder auch vorgefertigte Elektrolytlösungen aus der Apotheke.

Welche Menschen sind besonders gefährdet und warum?

Helfer begraben Opfer der Sturzflut. Auch Tage nach den schweren Überschwemmungen im Zuge des Sturms «Daniel» in Libyen sprechen internationale Helfer von einer katastrophalen humanitären Lage im Land. Foto: Yousef Murad/AP/dpa
  • Gefährdete Gruppen: Für Kinder, alte Menschen und Personen mit Erkrankungen des Immunsystems ist die Gefahr, an einer Cholera-Infektion zu erkranken, besonders groß. Vor allem bei Kleinkindern muss sich die Darmimmunität erst noch entwickeln. Das heißt die Abwehrkräfte gegen Magen-Darm-Infektionen funktionieren im dafür wichtigsten Organ, dem Darm, noch nicht so wie beim Erwachsenen.
  • Kleinkinder: Kinder unter einem Jahr sind besonders empfindlich, und erst mit zwei bis drei Jahren ist die Darmimmunität komplett ausgebildet. Weiterhin können kranke Kinder selbst nur schwer einschätzen, wie viel Flüssigkeit und Elektrolyte sie brauchen.

Welche anderen Infektionskrankheiten können in Libyen auftreten?

Typhus

Eine Typhus-Impfung bietet nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin einen etwa 60-prozentigen Schutz. Foto: Imago/Pacific Press Agency
  • Infektion: Typhus wird vor allem von verunreinigtem Wasser und Lebensmitteln übertragen. Von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit können bis zu 14 Tage vergehen. Die Bakterien gelangen vom Darm über das Blut in Leber und Milz, wo sie sich vermehren.
  • Symptome: Die Symptome reichen von leichter Magenverstimmung bis hin zu extremem Fieber, starken Kopfschmerzen und Durchfall. Eine Impfung bietet nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin einen etwa 60-prozentigen Schutz.

Ruhr

Bakterienruhr ist eine hochansteckende, heftige Durchfallerkrankung, die von unterschiedlichen Bakterien der Gattung Shigella verursacht wird. Foto: Imago/Yay Images
  • Infektion: Ruhr ist eine Darminfektion. Man unterscheidet zwischen Bazillenruhr und Amöbenruhr. Letztere ist eine ausgesprochene Tropenkrankheit, die Bazillenruhr kommt überwiegend in gemäßigten Breiten vor. Bakterienruhr ist eine hochansteckende, heftige Durchfallerkrankung, die von unterschiedlichen Bakterien der Gattung Shigella verursacht wird. In Deutschland sind hauptsächlich Reisende und Reiserückkehrer betroffen. Die Erkrankung tritt häufig bei Kindern unter fünf Jahren auf und ist meldepflichtig.
  • Symptome: Beim Menschen äußert sich eine Ruhr-Infektion mit Leibschmerzen und oft eitrig-blutigem Durchfall. Die Krankheit geht mit Mattigkeit, Frösteln, Durst, völligem Mangel an Appetit und anfänglichem Fieber einher. Fliegen spielen eine besonders gefährliche Rolle als Überträger der Bazillen.

Malaria

Malariamücken im Labor Medical Research Institute (KEMRI) nahe der Stadt Kisumu in Kenia. Im Kampf gegen die Infektionskrankheit Malaria hat es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO zuletzt nur kleine Fortschritte gegeben. Foto: Foto: Sven Torfinn/WHO/dpa
  • Verbreitung: Malaria kommt vor allem in den Tropen und Subtropen vor. Der Erreger wird vom Stich der Anopheles-Mücke übertragen, deren Vermehrung von Brackwasser gefördert wird. Die Krankheit hat ihren Namen aus dem italienischen: „mala aria“ (schlechte Luft).
  • Symptome: Die Inkubationszeit bei Malaria beträgt acht bis zwölf Tage. Der Anfall beginnt mit plötzlichem hohem Fieber und Schüttelfrost, Magen- und Darmbeschwerden, Erbrechen und Benommenheit. Nach Angaben der WHO erkranken jährlich rund 300 Millionen Menschen an Malaria, rund zwei Millionen sterben daran. Die schwerste der verschiedenen Krankheitsformen ist die Malaria tropica.

Dengue-Fieber

Die wichtigsten Überträger der Dengue-Fieber-Viren sind die Weibchen der Gelbfiebermücke (Aedes aegypti, auch Ägyptische Tigermücke oder Denguemücke genannt) und der sich auch in Europa ausbreitenden Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus, auf dem Foto zu sehen). Foto: Imago/Blickwinkel
  • Dengue-Virus: Dengue-Fieber ist eine in den Tropen verbreitete Infektion, deren Ursache das Dengue-Virus ist. Bei dem Virus handelt es sich um ein 40 bis 60 nm großes, behülltes RNA-Virus mit positiver Polarität aus der Familie der Flaviviren.
  • Symptome: Die Übertragung erfolgt durch die Stiche bestimmter Mückenarten. Die häufigere Form des Dengue-Fiebers ist – ähnlich wie eine sehr schwere Grippe – durch hohes Fieber, Hautausschlag sowie Kopf- und Gliederschmerzen gekennzeichnet und klingt meist komplikationslos ab. Bei Kindern unter zehn Jahren kann es zu inneren und äußeren Blutungen kommen, wobei die Sterblichkeit bis zu 30 Prozent beträgt.
  • Mücken: Die wichtigsten Überträger der Dengue-Fieber-Viren sind die Weibchen der Gelbfiebermücke (Aedes aegypti, auch Ägyptische Tigermücke oder Denguemücke genannt) und der sich auch in Europa ausbreitenden Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus). In bestimmten Regionen kommen weitere Mückenarten als Überträger von Denguefieber infrage, zum Beispiel die Polynesische Tigermücke (Aedes polynesiensis) im südlichen Pazifik oder Aedes scutellaris in Neuguinea.

Info: Seuchen und Sündenböcke

Seuchen
Ansteckende Krankheiten und Pandemien haben in der Geschichte schon immer zu Gerüchten und Falschmeldungen geführt

Brunnenvergiftungen
In der Antike galten Seuchen als Strafe der Götter. 430 v. Chr. starb bei der Attischen Pest Schätzungen zufolge ein Viertel der Einwohner Athens. Unter den Zeitgenossen in Athen entstand das Gerücht, die Spartaner, die Feinde der Athener, hätten die Brunnen vergiftet. Dies war wohl das erste Mal in der Geschichte gewesen, dass dieses fatale Gerücht in Umlauf kam. Der genaue Auslöser für diese Pest ist noch immer unklar.

Sündenböcke
Auch bei der Pest im 14. Jahrhundert standen Brunnen im Verdacht. Damals machte die folgenschwere Theorie die Runde, Juden hätten diese vergiftet. Zahlreiche jüdische Gemeinden wurden wegen der Beschuldigung vertrieben oder ermordet. Heute ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Beulenpest durch einen Floh verbreitet wird. Die Lungenpest gelangt über die Atemluft von Mensch zu Mensch.