Kunst zum Mitmachen bietet das Siebdruck-Museum in Filderstadt. Kinder und Erwachsene dürfen dort ihre eigenen Postkarten drucken. Kunstfreunde erhalten Einblick in die Kunst der Serigrafie.
Mit der Rakel kennt sich der zehnjährige Jonathan gut aus. Das Werkzeug dient dazu, die Farbe auf dem Polyesterdeckel des Drucktischs glatt zu streichen. „Das habe ich schon in der Kunstschule gelernt.“ Kunst findet der Schüler spannend. In der Druckwerkstatt des Serigrafiemuseums in Filderstadt stellt er mit seinen Freundinnen Postkarten her. Geduldig erklärt Claudia Kaschmieder den Kindern, auf was es beim Bedrucken der Vorlagen ankommt: „Ganz, ganz feste drücken.“ Bei Jonathans Bildern sitzt jeder Strich. Eigenständig kleine Kunstwerke zu erstellen, das gehört in den Museumsräumen der Sammlung Domberger in Filderstadt zum Konzept.
Gruppen haben die Möglichkeit, Führungen mit der praktischen Arbeit in den Werkstätten zu buchen. Das kommt bei allen Generationen gut an. Schon die Kleinsten spielerisch an die Kunst heranzuführen, das gelingt in den zwei Druckwerkstätten des Museums. Parallel dazu sind wechselnde Ausstellungen in den Räumen in der Plattenhardter Uhlbergstraße zu sehen. Während der Öffnungszeiten nutzen im Schnitt zwei Gruppen pro Woche das Angebot, das Ina Penßler vom Filderstädter Kunstbüro koordiniert.
Damit die Kinder und ihre Eltern ein Gespür dafür bekommen, wie Künstlerinnen und Künstler mit den Siebdruckern arbeiten, führt Claudia Kaschmieder sie erst mal durch die Museumsräume. Vor einem Bild der amerikanischen Künstlerin Dee Shapiro bleibt die Gruppe stehen. „Das sieht ja aus wie gestrickt“, sagt ein Mädchen. Staunend blicken alle auf die feinen, ganz akkurat gesetzten Strukturen. Die New Yorker Künstlerin erschafft Ornamente, die an textile Strukturen erinnern. „Sie hat in ihrer Arbeit die Fibonacci-Zahlenreihe erforscht“, erklärt die Mitarbeiterin des Museums. Das fasziniert die Erwachsenen. „Wie lässt sich das drucken?“, raunt eine Frau. Die Kinder finden die bunten Farben einfach schön.
„Gut zum Druck!“ heißt die Ausstellung, die bis 18. Mai im Museum zu sehen ist. „Dabei ist unser Ziel zu zeigen, wie ein Kunstdruck entsteht“, erklärt Ina Penßler das Konzept. Die Leiterin des Kunstbüros zeigt flüchtige Skizzen, die an den Wänden hängen. Die Arbeiten haben die Künstlerinnen und Künstler an den Siebdrucker Luitpold Domberger geschickt. „Er hat sie mit Farbdrucken zum Leben erweckt“, beschreibt Ina Penßler den gemeinsamen Prozess. Domberger selbst sprach von sich und seinen Berufsgenossen als „dritter Hand“ des Künstlers.
Mit Schürzen in die Druckwerkstatt
Bei der kurzen, auf Kinder zugeschnittenen Führung schaffte es Claudia Kaschmieder, die Kinder wie die Erwachsenen mitzunehmen. In der Druckwerkstatt ließen die Eltern und Großeltern den Jungen und Mädchen den Vortritt. Erst mal durften alle Schürzen anziehen, denn die Farbe hinterlässt Spuren. Fasziniert beobachtete die vierjährige Josephine, wie die Mitarbeiterin des Museums eine dicke Schicht hellblauer Farbe auf den grünen Deckel des Druckstocks strich. Darunter hatte die Kleine eine Postkarte gelegt. Viele der Vorlagen, unter denen die Gäste wählen dürfen, hat die gelernte Designerin Kaschmieder selbst geschaffen. Damit Josephine die Rakel gut auf den harten Polyester drücken konnte, bekam sie einen kleinen Schemel. Nur das feste Drücken fiel der Jüngsten in der Gruppe schwer. Damit ihre blau-rote Postkarte richtig schön wird, half ihr die Mitarbeiterin des Museums. Die Farben hat Josephine selbst ausgewählt.
In der Druckwerkstatt war es manchmal ganz still. Gebannt schaute Jonathan auf die Polyester-Platte. Darüber wird die Farbe so auf die vorgezeichneten Postkarten verteilt. dass sie an der richtigen Stelle sitzt. Daher kommt der Name „Siebdruck“. Als er den Deckel hochhebt, ist der Schüler zufrieden. Er hat sich für die Farbe Gelb entschieden. Die Konturen der Filderkraut-Dose erscheinen ganz klar. „Wenn man feste drückt, klappt das“, sagt Claudia Kaschmieder. Die fertigen Postkarten legen die Kinder zum Trocknen in einen Korb. Spielerisch erfassen sie in der Werkstatt das Prinzip der Serigrafie. Das Drucken mit ein oder zwei Farben ist nicht ganz so schwierig.
„Stellt Euch vor, dass die Kunstwerke mit ganz vielen Farbschichten gedruckt werden“, sagt Claudia Kaschmieder. Die Erwachsenen sind erstaunt, für die Jungs und Mädchen ist das schwer vorstellbar. Faszinierend sind die Serigrafien des bekannten amerikanischen Fotorealisten Richard Estes. Der Künstler wurde 1932 in Kewanee, Illinois geboren. Seine Großstadtansichten sind von Spiegelungen und von detailgenauer Darstellung geprägt. Lichtreflexe auf der Fassade von Schaufenstern geben die Wirklichkeit gebrochen wieder. Sein Werk „Holland Hotel“ aus dem Jahr 1980 ist mit 128 Farben gedruckt.
Ein Kunstmuseum zum Mitmachen
Die Ausstellung
„Gut zum Druck!“ heißt die Ausstellung, die bis 18. Mai zu sehen ist. Mit Werken aus der Sammlung Domberger, die Anja Rumig ausgewählt hat, dokumentiert das Museum den Schritt von der Skizze zum fertigen Kunstdruck. Die Sammlung Domberger ist im Besitz des Landes Baden-Württemberg; die Stadt Filderstadt betreibt das Museum in der Uhlbergstraße 36 bis 40 und bietet ein umfassendes Begleitprogramm. Öffnungszeiten sind donnerstags bis samstags von 10 bis 19 Uhr sowie sonntags von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Begleitprogramm
Am Samstag, 15. März, sind um 16 Uhr die Experten von
Graffiti Siebdruck in Reutlingen zu Gast. Sie sprechen mit den Besucherinnen und Besuchern über die Frage: „Warum soll es Siebdruck sein?“ Wer eine Führung mit praktischer Einführung in der Werkstatt buchen will, darf sich im Serigrafie-Museum anmelden. Das gilt auch für Gruppen. Der Preis beträgt 50 Euro. Anfragen über die Homepage: https://serigrafie-museum.de. Eine Spezialität ist der „Druckversuch“: Das Museumsteam hat zur jeweiligen Ausstellung thematisch passend Motive auf Sieben vorbereitet, es besteht jederzeit die Möglichkeit, einmal selbst die Siebdrucktechnik unter unserer Anleitung auszuprobieren. Die Materialkosten betragen zwei Euro pro Karte.