Das Gebäude gibt es bereits seit 1846 – heute gibt es im Hotel garni nur noch Übernachtung mit Frühstück. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Rund 155 Beherbergungsbetriebe mit 20 500 Betten gibt es in Stuttgart. Nur 59 Betriebe haben unter 50 Betten. Wie behaupten sich die kleinen Häuser? Wir stellen einige vor. Heute: das Hotel Wirt am Berg.

Empfangen werden die Gäste im Hotel Wirt am Berg von einem Wengerter im Sonntagsstaat. Die Figur steht hoch oben über dem Portal und prostet dem Gast mit einem Weinkrug zu. Das kleine Hotel mit nur zwölf Zimmern an der Gaisburgstraße in Stuttgart-Mitte liegt ruhig, bietet kurze Wege ins Stadtzentrum, ist funktional eingerichtet – mit Bibel auf dem Nachttisch – und kann mit Zimmerpreisen ab 70 Euro punkten.

Das Hotelgebäude gibt es mindestens seit dem Jahr 1846. Das steht zumindest über der Eingangstür. Ein Ölbild im Frühstücksraum, das der Hotelbesitzer Karl Klink bei einem Kunststudenten, heute renommierter Kunstprofessor in der Schweiz, nach alten Skizzen in Auftrag gegeben hatte, zeigt das Haus und die Umgebung vor etwa 150 Jahren: Rund um das Haus am Hang gibt es nichts – außer Weinbergen, Wiesen und Obstbäumen. „Das Gebäude lag vor dem Osttor der Stadt, außerhalb der Stadtmauern am früheren Esslinger Bergweg“, sagt der 81-Jährige Hotelier Klink. Mit dem Kunststudenten hatte er die Abmachung, dass der bis zur Fertigstellung des Bildes zweimal pro Woche ein Essen und ein Getränk bekommt. „Es hat über ein Jahr gedauert, bis das Gemälde fertig war“, sagt Klink lachend.

Mit nur einem Zimmer ging der Hotelbetrieb los

Das Hotel Wirt am Berg war früher ein reines Wohnhaus. Klinks Mutter Margarethe, eine Wienerin, die bereits in Innsbruck Restaurant-Erfahrung gesammelt hatte, kaufte das Haus nach dem Tod ihres Mannes in den 1950er Jahren. Zunächst vermietete sie nur ein Zimmer. Nach und nach wandelte sie das Haus zu einem Beherbergungsbetrieb um. In den 60er Jahren ließ Margarethe Klink das Gebäude aufstocken und erweiterte es zum Hotel. „Die Vermietung lief wie am Schnürchen. Viele Gäste waren Schrotthändler aus Griechenland, die alte Autos gekauft haben. Wir waren Anlaufstelle für Käufer und Verkäufer“, erinnert sich Klink.

Nach dem Tod der Mutter und seiner Frau stand Klink vor der Frage: Was tun? Weiter machen oder verkaufen? „Ich hab einen Nagel im Fuß, konnte einfach nicht gehen“, sagt der 81-Jährige, der als junger Mann eine Ausbildung zum Koch gemacht hatte. Zusammen mit einem Kollegen, den er als Küchenchef einstellte, bot der Wirt am Berg französische Küche an. Klink kümmerte sich ums Hotel, baute die Zimmer aus, Duschen und WCs ein . „Der Laden lief wie geschmiert. Und das nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda“, stellt Klink fest. Doch irgendwann lief nicht nur der Laden, sondern auch der Koch weg.

Zwiesprache mit dem Wengerter im Sonntagsstaat

Hotel und Restaurant: Das wurde Klink zu viel, er stellte auf Hotel garni um, auf Übernachtung mit Frühstück – und machte das Hotel zum Ein-Mann-Betrieb. „Als es mit Corona losging, ist meine engste Mitarbeiterin nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit in Rente gegangen. Das war einerseits schade, kam aber genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagt der 81-Jährige. Er macht seither alles allein. Er empfängt die Gäste, putzt die Zimmer, macht die Wäsche und serviert das Frühstück. Statt bei 80 bis 90 Prozent liegt die Auslastung seines Hotels jetzt nur noch bei rund 40 Prozent. Für Klink ist das in Ordnung. Die Arbeit macht ihm Spaß und hält ihn fit.

„Ich muss für das Gebäude keine Pacht bezahlen und spare die Personalkosten. Da komm’ ich schon hin.“ Seine Gäste sind oft Handwerker, Allianz-Mitarbeiter oder kommen von der Waldorfschule. Auch alle Renovierungsarbeiten am Haus macht der 81-Jährige in Eigenregie. „Ich brauche keine Handwerker und könnte ein Einfamilienhaus ohne Hilfe bauen“, ist er überzeugt.

Unterhaltung hat er manchmal mit dem Wengerter im Sonntagsstaat. Klink: „Als ich vor dem Haus auf der Leiter stand und etwas an ihm in Ordnung bringen wollte, hat der Kerle plötzlich mit mir gesprochen!“ Des Rätsels Lösung: Hinter der Figur ist ein Fenster. Ein Gast hatte es geöffnet und den Wirt auf seiner Leiter angesprochen.