Wer will als erster in eine unzuverlässige Rakete steigen? Jeder! (v. li.: Micah Stock, Jake McDorman, Aaron Staton, Michael Trotter, Patrick J. Adams, Colin O’Donoghue Foto: National Geographic/Gene Page

Die Serie „Der Stoff, aus dem die Helden sind“ bei Disney+ erzählt vom Beginn der Raumfahrt in den USA. Die besten Testpiloten des Landes kämpfen um einen Platz in den ersten Raketen. Die aber sind riskante Apparate.

Stuttgart - Vorerst knallt es vor allem ganz spektakulär. Es sind gigantische Feuerwerke, wenn wieder mal eine der Raketen, mit denen die USA den Weltraum für sich reklamieren wollen, auf der Startrampe explodiert. Die Anfänge der Nasa in den fünfziger Jahren sind eine Abfolge von Pannen und Pleiten, und jedes Missgeschick lässt den Druck weiter steigen. In der Weltraumfahrt ist die Sowjetunion der USA zwei Schritte voraus. So bald als möglich muss ein Amerikaner in die Umlaufbahn. Das scheint tatsächlich ein Himmelfahrtskommando zu werden.

Was waren das für Männer, die solch ein selbstmörderisches Risiko eingingen? Wie haben sie die Rückschläge weggesteckt, was hat sie motiviert? Auf diese Fragen findet man interessante Antworten in der TV-Serie „Der Stoff, aus dem die Helden sind“, deren erste Staffel beim Streamingdienst Disney+ jetzt komplett vorliegt. Das Autorenteam, das der Showrunner Mark Lafferty („Castle Rock“) für „The right Stuff“ versammelt hat, musste sich das Wesentliche dabei nicht aus den Fingern saugen. Die Serie beruht auf dem 1979 erschienenen Sachbuch „The right Stuff “ von Tom Wolfe („Fegefeuer der Eitelkeiten“), der hinter die Illustriertenbilderfassade lächelnder Recken schaute.

Lauter Haudegen

Wie die ehrgeizigen Männer konkurrierten und lavierten, um für den anstehenden bemannten Flug gewählt zu werden, wird sehr glaubhaft erzählt, mit erstaunlichem Gespür für Zeitkolorit. Der Mix aus Fünfziger-Chromschlitten-Nostalgie und Provinzrealität (die Astronauten verkehren etwa in relativ simplen Kneipen) ist wirklich mitreißend.

Neben der Ausstattung sind die Schauspieler das große Plus der Serie: Patrick J. Adams als John Glenn, Jake McDorman als Alan Shepard, Michael Trotter als Gus Grissom und all die anderen finden jeweils eine eigene Balance zwischen dem Haudegencharisma ihrer Figuren und dessen Abseite, der Egozentrik der extrem Rivalitätsbewussten.

Held oder Ballast?

Die Männer sind eingeklemmt zwischen dem Heldenmythos – sie riskieren tatsächlich ihr Leben – und ihrem realen Status als Prestigeballast. Irgendwann bekommen sie mit, dass sie in den Kapseln so wenig zu tun haben sollen wie die Tiere, die man vor ihnen benutzt hat. Sie haben keinen Einfluss auf ihr Schicksal, alles wird vom Boden aus gelenkt.

Diese Spannung zwischen wagemutiger Herausgehobenheit und Rädchenstatus im Getriebe macht Astronauten extrem interessant, auch die Serie „For all Mankind“ beim Streamingdienst Apple TV+ profitiert davon. Die erzählt ebenfalls vom Wettrennen ins All, weicht aber von den historischen Fakten spannend ab in ein Paralleluniversum.

Chance zum Neuanfang

Wer pessimistisch ist, kann in die neue Freude an realitätsnaher Raumfahrt weit diesseits von „Star Trek“ auch etwas anderes als Respekt vor großen technischen und menschlichen Leistungen hineininterpretieren. Vielleicht wird immer mehr Menschen mulmig beim Gedanken, wie wir unseren Planeten zugerichtet haben. Vielleicht knüpft sich ans Bild donnernder Raketen nicht mehr die Vorstellung vom Probensammeln auf fremden Himmelskörpern. Vielleicht ist die Vorstellung stärker geworden, es müsse ein Aufbruch zu den Sternen stattfinden – weil nur ein kontrollierter Neuanfang anderswo langfristig die Existenz der Menschheit sichern kann.