An diesem Sonntag, 26. Januar, wird in der Dreifaltigkeitskirche in Stuttgart-Rot ein Streichklavier vorgestellt. Es handelt sich um den Nachbau eines historischen Instruments – und es gibt Erläuterungen zu diesem seltenen Instrument.
Wenn jemand heute neue Klänge entwickeln will, geschieht das meist über einen Rechner. Im 16. Jahrhundert war dafür noch Ideenreichtum und Tüftlergeist gefragt. Wie kann man einen Geigenton lang halten, ohne den Musiker zu überfordern? Wie das geht, ist am Sonntag, 26. Januar, von 17 Uhr an in Stuttgart-Rot in der Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit zu besichtigen.
Räder ersetzen den Violinbogen
Von außen betrachtet ist das Streichklavier unauffällig, es hat etwa die Größe eines Cembalos, vorne dran sind Klaviertasten. Das Wesentliche spielt sich im Innern ab: Es gibt zwar auch Saiten verschiedener Längen je nach Tonhöhe. Aber im Gegensatz zum Klavier oder Cembalo werden die hier nicht mit Hämmerchen oder durch Zupfen zum Klingen gebracht, sondern mit kleinen Rädern, die parallel nebeneinandergesetzt sind und stets rotieren. Diese Räder sind außen mit Borstenhaar bestückt wie ein Violinbogen. Drückt der Musiker eine der Tasten, wird die entsprechende Saite auf eines der Räder gedrückt, der Ton wird also „gestrichen“ – und das klingt in der Tat wie eine Geige.
Heute werden diese Räder von einem Elektromotor angetrieben. Im 16. Jahrhundert war dazu neben dem Musiker eine weitere Person nötig. Oder es gab ein Fußpedal, das der Musiker permanent bedienen musste, um über verschiedene mechanische Übersetzungen die Drehbewegung zu erzeugen.
Nachbau aus dem Jahre 1985
Das klingt und ist kompliziert. Und es ist einer der Gründe, weshalb es dieses Instrument nicht in die heutige Zeit geschafft hat. Auch das Instrument in Stuttgart-Rot ist kein Original, sondern ein Nachbau aus dem Jahre 1985. Kurt Reichmann hat es nach alten Plänen aufgebaut. Er ist ein begeisterter Drehleierbauer – und Drehleier und Streichklavier haben einige Gemeinsamkeiten: etwa die permanent sich drehende Walze, auf die dann die Saiten gedrückt werden.
Im 16. Jahrhundert stand das Instrumentarium der klassischen Musik noch nicht so fest wie heute. Das Streichklavier stand damals im musikalischen Wettstreit mit der Entwicklung von Klavier, Hammerklavier, Cembalo, Spinett oder Drehleier.
Beim Nachbau in der Kirche in Stuttgart-Rot ist der Geigenklang präsent, wenn auch eher nicht so in der Entschiedenheit, wie man es heute gewohnt ist. Manchmal klingt es auch etwas schief, gedankenverloren, dann scheinen sich auch Flötentöne dazwischen zu mengen oder die Töne einer Orgel. Dieses Streichklavier will eben – ganz geigenüblich – auch das allmähliche Anschwellen oder Abklingen eines Tons ermöglichen.
Konzert mit Orgel
All dies demonstriert an diesem Sonntag Carolyne Van Machelen, begleitet von Nikita Morozov an der Orgel. Auf dem Programm stehen Werke von Muffat, Rheinberger, Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach, Erläuterungen dazu gibt es von Konrad Neumann, dem Besitzer des Instruments, und von Kurt Racky, dem Vorsitzenden des Musikinstrumentenmuseums von Lißberg. Das sind keine Originalkompositionen für dieses Instrument, denn die sind ebenso verschwunden wie die einst gebauten Streichklaviere. Eine erste Abbildung mit Beschreibung gibt es von Hans Haiden, der von 1536 bis 1613 in Nürnberg lebte. Er soll 23 solcher Instrumente gebaut haben, von denen 19 Stück an den Hochadel verkauft wurden.