Der Erich-Kenner-Platz an der Grundschule in Esslingen-Zell gilt als Problembereich. Der Bürgerausschuss wird demnächst mit einem Rathausvertreter darüber sprechen. Foto: Johannes M. Fischer

Bürgerausschüsse haben in Deutschland Seltenheitswert. In Esslingen aber gibt es sie noch. Bürger können über diese Gremien starken Einfluss auf die Entwicklung vor ihrer Haustür nehmen. Erlebt diese Form der Bürgerbeteiligung ein Revival?

Es ist erst wenige Jahre her, da war die Stimmung auf einem Tiefpunkt. Die Bürgerausschüsse in Esslingen, deutschlandweit eine Besonderheit in der lokalen Mitbestimmung, fühlten sich von der Stadtverwaltung nicht mehr ernst genommen. Ende 2024 wurde dann das Verhältnis grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt, die Zusammenarbeit neu ausgerichtet. Das trägt offenbar Früchte.

Eine Umfrage unserer Zeitung ergab eine verhältnismäßig hohe Zufriedenheit. Allerdings ist das Ergebnis nur begrenzt aussagefähig: Nicht alle Bürgerausschüsse in Esslingen beteiligten sich an der Umfrage. Doch die, die es taten, waren weitgehend positiv gestimmt.

Einwohnerversammlungen wurden entschlackt in Esslingen

Beklagt wurde seinerzeit von den Esslinger Bürgerausschüssen, sie würden schlecht oder zu spät informiert und zu wenig eingebunden. Versprochen wurde dann eine bessere Kommunikation. Und noch mehr als das: Die Einwohnerversammlungen sollten entschlackt und modernisiert werden.

Um diese Form der lokalen Demokratie vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu retten, waren diese Schritte offenbar auch nötig. Denn immerhin bietet Esslingen diese Form der Bürgerbeteiligung, wie sie so anderswo in Deutschland kaum vorkommt.

Neu war der Wahlmodus. Die bisher umfangreiche Vorstellung und Wahl der Kandidaten in der Einwohnerversammlung wurde ersetzt durch eine Online-Vorstellung. Auch die Wahl verläuft inzwischen digital. Es ist allerdings auch weiterhin möglich, vor Beginn der Einwohnerversammlung in Präsenz abzustimmen.

Zudem wurde dem in früheren Zeiten zuweilen etwas chaotischen Ablauf der Einwohnerversammlung ein Muster gegeben: Es gibt eine klare Agenda, die sich teilweise aus einer Online-Umfrage ergibt.

Die Zusammenarbeit mit dem Rathaus in Esslingen wird besser

In einer Feierstunde Ende 2023 würdigten Esslinger einen Jahrestag: 75 Jahre zuvor wurden die ersten Bürgerausschüsse gegründet. Foto: Roberto Bulgrin

Das hat gewirkt: „Wir können bestätigen, dass sich die Zusammenarbeit mit der Verwaltung deutlich verbessert hat“, sagt Ilka Raven-Buchmann aus Esslingen-Zell. Und das sogar schon seit 2023, so die Vorsitzende des dortigen Bürgerausschusses. Seitdem werde der Ausschuss in der Regel früh informiert und eingebunden, wenn es beispielsweise um Baumaßnahmen oder Vor-Ort-Begehungen gehe.

Auch Problemstellen werden offenbar ernst genommen. So hebt Raven-Buchmann den angekündigten Besuch eines Abteilungsleiters hervor, der im März nach Zell kommt. Es geht um einen Klassiker im Leben der Stadtteilbewohner, der schon seit Jahrzehnten als Ärgernis wahrgenommen wird. „Wir reden dann über die unschöne Situation am Erich-Kenner-Platz vor der Grundschule, der zugeparkt und alles andere als verkehrssicher ist.“

Das Leben vor der Haustür hat in Esslinger Stadtteilen hohe Bedeutung

Ein Mülleimer im Arboretum – auch das gehört zu den Sorgen im Esslinger Norden. Foto: Robert Bulgrin

Es ist also auch der Arbeitsalltag, der sich offenbar gebessert hat im Verlauf der letzten Jahre. Roswitha Rostek vom gemeinsamen Bürgerausschuss der Stadtteile Wäldenbronn, Hohenkreuz, Serach und Obertal kommt zu einer ähnlichen Einschätzung wie Raven-Buchmann. „Ich bin sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit der Stadtverwaltung“, sagt sie.

Und nennt Beispiele. Die Erstellung eines Flyers, die Gestaltung der Homepage. Oft sind es Kleinigkeiten, die aber im Alltag der Bewohner eine große Bedeutung haben können. Rostek berichtet von einem Mülleimer am Esslinger Arboretum. Lange wurde er gefordert, aber irgendwann ging es dann doch „ratzfatz“. Christine Sigg-Sohn, Vorsitzende des Bürgerausschusses der vier Ortsteile Rüdern, Sulzgries, Krummenacker und Neckarhalde spricht von einem respektvolleren Umgang miteinander. Und Felix Hausmann vom Zollberg bestätigt, dass die Mitglieder seines Bürgerausschusses, in dem er Co-Vorsitzender ist, „den neuen Weg grundsätzlich gut finden“.