Die Spritpreise schossen in Deutschland seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine in die Höhe. Wie sieht es aber in den anderen EU-Staaten aus? Neue Daten zeigen große Unterschiede.
Nirgendwo in der EU sind seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die Spritpreise stärker gestiegen als in Deutschland. Das geht aus Daten der EU-Kommission hervor, die das Statistische Bundesamt auf eine Anfrage der Linken im Bundestag übermittelte. Unterdessen warnten am Wochenende die Molkereien und das Bäckereihandwerk vor deutlich steigenden Preisen. Die Diakonie forderte eine „armutsfeste Grundsicherung“.
Den Daten zufolge, über die die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten, verteuerte sich der Liter Diesel in Deutschland im Zeitraum zwischen dem 21. Februar - drei Tage vor Kriegsbeginn - bis zum 25. April von 1,66 Euro pro Liter auf 2,04 Euro, also pro Liter um 38 Cent. Nur in Schweden und Lettland legte der Dieselpreis in diesem Zeitraum ebenfalls um 38 Cent zu. In Frankreich hingegen betrug der Anstieg lediglich 17 Cent, in Italien nur fünf Cent.
In Italien geht Super-Preis zurück
Der Liter Super 95 verteuerte sich demnach in Deutschland seit Kriegsbeginn um 23 Cent, nur in Österreich fiel der Preisanstieg mit 24 Cent noch höher aus. In Ungarn hingegen ging der Preis sogar um sechs Cent im Vergleichszeitraum zurück, in Italien sogar um acht Cent.
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Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte angesichts der Entwicklung Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, gegen die „Preistreiberei der Mineralölkonzerne“ vorzugehen. Die Bundesregierung müsse „die Mitnahmementalität der Ölkonzerne stoppen, die die aktuelle Situation schamlos ausnutzen um die Taschen ihrer Aktionäre zu füllen“, sagte Bartsch den Zeitungen.
Weitere Branchen erwarten Verteuerung
Die von der Regierung geplante Reduzierung der Energiesteuer für drei Monate bezeichnete Bartsch als nicht ausreichend. Vielmehr müsse die Energiesteuer ausgesetzt werden, „solange die Preise auf inakzeptabel hohem Niveau liegen“.
Vor Steigerungen um bis zu 20 Prozent für Milchprodukte und bis zu 30 Prozent für Backwaren warnten am Wochenende zudem die jeweiligen Branchenverbände. „Bei Milchprodukten mit längeren Kontraktlaufzeiten sind die Preissteigerungen im Laden teils noch nicht wirklich angekommen, das wird erst in den kommenden Wochen und Monaten geschehen“, erklärte Björn Börgermann, Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes, laut „Neuer Osnabrücker Zeitung“. Das betrifft demnach vor allem Milch, aber auch Käse.
Diakonie rechnet mit Anstieg von Armut
Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, Daniel Schneider, warnte in der „Bild“, Essen dürfe „kein Luxus sein“. Besonders die Lebensmittelbranche sei von steigenden Energie-, Rohstoff- und Personalkosten betroffen. Die Produktionskosten für Backwaren seien um 25 bis 30 Prozent gestiegen. „Die Preise für Backwaren werden deutlich nach oben gehen“, warnte auch Schneider.
Der evangelische Wohlfahrtsverband Diakonie Deutschland rechnet mit einem deutlichen Anstieg der Armut und forderte eine Reform der Krisenhilfen. „Wir werden sehr viel mehr Arme bekommen, als wir bisher gedacht haben“, sagte die sozialpolitische Vorständin Maria Loheide der „Augsburger Allgemeinen“. Bei vielen reiche das Gehalt nicht mehr für einen ganzen Monat, um Essen und alles Nötige für die Bildung der Kinder zu kaufen.
Forderung nach sozialer Reform
Die Corona-Pandemie und die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise hätten die Lage von Hartz-IV-Beziehenden und Menschen mit geringen Einkommen in Deutschland „massiv verschärft“, klagte die Diakonie. Sie forderte zum einen eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze. Der Regelsatz bei Erwachsenen sei rund 180 Euro zu niedrig, bei Kindern durchschnittlich 78 Euro, rechnete die Diakonie vor.
Zudem sei eine Reform der sozialen Unterstützung in allgemeinen Krisen nötig. Denkbar sei eine in den Sozialgesetzbüchern verankerte Notlagenregelung, die bei Feststellung einer sozialen Notlage durch den Bundestag eine feste Unterstützung für Betroffene vorsieht. Die Diakonie schlägt für ein halbes Jahr mindestens 100 Euro zusätzlich im Monat an Unterstützung vor.