Kochmütter aus drei Generationen (von links): Maren Bäsler, Ingrid Fehrlen, Hedwig Lust und Melek Berny. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Seit 40 Jahren sorgen Eltern dafür, dass Schüler und Lehrer am Esslinger Georgii-Gymnasium etwas Warmes auf den Tisch bekommen.

EsslingenWo tauscht man als große Familie die neuesten Nachrichten aus? Am Esstisch. Seit mittlerweile 40 Jahren haben Schüler und Lehrer des Georgii-Gymnasiums jeden Tag die Möglichkeit, sich täglich frisch bekochen zu lassen. Und in der Tat lassen Grünkernküchle, Kartoffelsalat, Maultaschen oder Knäckebrotlasagne – so eine kleine Speiseauslese der vergangenen vier Jahrzehnte – die Schulgemeinschaft zusammenrücken. „Am 12. September 1979 wurde die Mensa des Georgii-Gymnasiums als ,ordentliches Gewerbe’ beim Ordnungsamt Esslingen angemeldet. Federführend bei diesem in Baden-Württemberg als Pilotprojekt geltenden Vorhaben waren die Elternbeiräte Frau Löhle und Herr Bonnaire“, heißt es in den Schulannalen.

Schuld daran war eine Oberstufenreform, die den Schülern und ihren Lehrern viel Nachmittagsunterricht einbrachte, erzählt Schulleiter Joachim Scheffzek. Gründungsmitglied Hedwig Lust, die 23 Jahre regelmäßig den Kochlöffel geschwungen hat und bis 2014 noch als Springerin mit dabei war, erinnert sich jedenfalls an die Anfänge in der Küche des benachbarten Otto-Riethmüller-Hauses, die der tägliche Treffpunkt war. „Wir waren etwa zehn Frauen, haben oft viel daheim vorgekocht.“ Aber es stand von Anfang jeden Tag ein Essen auf dem Tisch. Heute kochen etwa 200 Eltern – darunter auch ein paar Väter – in 20 Gruppen in einer hochprofessionell ausgestatteten Küche. 1985 sind die Umkleiden der ehemaligen Schulturnhalle zur Mensa umgearbeitet worden. 2014 ist sie noch einmal umgebaut worden, um die Wartezeiten am Tresen zu verkürzen.

Nach wie vor können sich die Schüler und Lehrer jeden Tag spontan entscheiden, ob sie in der Mensa essen wollen oder nicht. 2,50 Euro kostet der Hauptgang, 1,50 der große Salat. „Deshalb halten wir auch am Barzahlen fest“, so Melek Berny, Vorsitzende des Mensa-Vereins. Mit Bezug der eigenen Mensa im Georgii-Gymnasium hatten die Eltern einen eingetragenen Verein gegründet – der ihnen die Hoheit über Herd und Co. garantiert. „Die Vereinsstruktur ist kostbar“, ist Scheffzek überzeugt. „Ihr habt den Hut auf, wir fragen, ob wir die Mensa oder die Toiletten mitbenutzen können“, so der Schulleiter, der in den Vereinsstatuten nirgendwo zu finden ist, zu seinen Mensaeltern.

Profis im Ehrenamt

Dass die Strukturen trotz des Ehrenamts hochprofessionell ausgearbeitet sind, ist vor allem Ingrid Fehrlen zu verdanken. Als Mutter hatte sie 1985 im Georgii mit dem Kochen angefangen, ab 1992 war sie die Vorsitzende des Mensa-Vereins, 2014 hat sie sich aus der Küche und der Spitze zurückgezogen. Zusammen mit Maren Bäsler ist sie aber nach wie vor Stellvertreterin. Denn den Schülern und Lehrern größtmögliche Flexibilität zu garantieren, heißt nicht, dass am Ende ein Minus stehen darf. Deshalb glühen auch regelmäßig die Drähte zwischen der Vorsitzenden, den Kochgruppen und dem Sekretariat. Wie viele Schüler sind wann da? Sind welche im Schullandheim? Kommen Austauschschüler dazu? Es soll auch schon vorgekommen sein, dass die Kocheltern einen Kartoffelsack vors Lehrerzimmer gestellt haben – weil die Abstimmung nicht geklappt hat ...

Das kann allerdings das Betriebsklima nicht nachhaltig getrübt haben. Denn seit 1986 revanchiert sich das dankbare Lehrerkollegium jedes Jahr und bekocht selbst an einem Abend mit einem mehrgängigen Menü immer unter einem andern Motto die Kochmütter und Kochväter. Ein gesellschaftliches und kulinarisches Highlight – und laut Schulleiter Scheffzek eine außerordentlich erfolgreiche „Teambildungsmaßnahme“ für die Kolleginnen und Kollegen, die den Abend monatelang vorbereiten.

Viel hat sich verändert in den vergangenen vier Jahrzehnten. Regelmäßige Hygieneschulungen sind dazu gekommen, vor allem die Mädchen stehen zunehmend auf vegetarische Gerichte, sämtliche Allergene müssen ausgewiesen werden – und immer mehr Eltern sind berufstätig. „Letztes Jahr hatten wir einen enormen Engpass, aber mit dem Elternbeirat haben wir noch einige Freiwillige dazu gefunden“, erzählt Berny. Aber im Georgii ist man überzeugt davon, dass die Eltern auch in den nächsten 40 Jahren noch an der Pfanne bleiben werden. Scheffzek: „Die Mensa ist ein soziales Zentrum und ein wichtiger und natürlicher Anknüpfungspunkt zwischen Schülern, Lehrern und Eltern.“ Das wird jetzt erst einmal richtig gefeiert. Am 17. Mai mit OB, Schulleitung, allen ehrenamtlichen Kocheltern – und einem externen Caterer. Dass zumindest an diesem Abend keiner am Herd stehen muss.