Im Firnhaberbau sind die Handwerker am Werk. In drei Wochen will sich die Schweiz in den Räumen des früheren Möbelhauses Habitat von ihrer besten Seite präsentieren. Foto:  

Die Schweiz testet in Stuttgart ein Format, das sie bisher nur bei Großveranstaltungen wie Olympischen Spielen umgesetzt hat: Für vier Monate präsentiert sich das Land im Firnhaberbau. Und setzt dabei auf Hightech zum Anfassen statt auf alte Klischees.

Stuttgart - Aufsteigen, in die Laschen schlüpfen, Brille auf – und schon geht’s in die Waagrechte. Wie ein Vogel fliegt der Benutzer über virtuelle Landschaften oder reale Orte. Zürich zieht unter einem vorbei oder Luzern. Ein Vogelflugsimulator macht’s möglich. Einige Meter weiter wartet eine Drohnenvolière, in der Besucher ein kleines Fluggerät durch einen Hindernisparcours steuern können. Oder der Exercube, eine Kombination aus Fitnessgerät und Gaming-Zone. Alles aus der Schweiz. Hightech statt Kuhglocke.

Es entspricht so gar nicht den üblichen Klischees, was die Schweiz vom 1. Juli an in Stuttgart zeigen will. Für vier Monate wird das sogenannte Pop-up House of Switzerland im Firnhaberbau zwischen Calwer Straße und Kronprinzstraße gastieren. Unser Nachbarland will sich auf 1950 Quadratmeter Fläche und drei Ebenen, den ehemaligen Räumen des Möbelhauses Habitat, von seinen besten Seiten präsentieren. „Wir wollen unsere Vielfalt zeigen und viele Dinge, die  man  nicht  erwartet“, sagt Nicolas Bideau, Chef von „Präsenz Schweiz“ im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten.

Roboterschnecken und Kugelbahn

Dazu gehören diverse Angebote. Eine auch bei Nacht als Blickfang beleuchtete überdimensionale Kugelbahn wartet im unteren Geschoss, es gibt eine Fahrradwerkstatt,  eine  Markthalle  mit  Verkauf  und Degustationen, einen Food-Truck vor der Tür, einen Tourismusbereich, Kunst, Roboterschnecken oder eine Bibliothek auch für Kinder. Auf Aktionsflächen und Bühnen ist eine Vielzahl von Veranstaltungen geplant. Wissenschaft und Hochschulen präsentieren sich, für geschäftliche Treffen gibt es einen eigenen Bereich. Das breite Publikum soll genauso angesprochen werden wie Geschäftsleute.

Und nicht nur die Schweiz selbst wird sich präsentieren. „Unsere Idee ist es, uns um Themen zu kümmern, die beide Länder interessieren. Wir kommen, um uns zu zeigen, aber auch, um uns auszutauschen. Es geht um das Wir“, sagt Bideau. Deshalb wird die Stuttgarter Designmesse Blickfang Objekte ausstellen und die Internationale Bauausstellung 2027 in Stuttgart und der Region eine Fläche haben.

Bisher gab es ähnliche Auftritte der Schweiz nur bei internationalen Großveranstaltungen, beispielsweise bei Olympischen Spielen oder dem Weltwirtschaftsforum. Das Stuttgarter Pop-up-Konzept ist ein Versuch, die Idee als Roadshow an verschiedene Orte zu bringen. Wenn es funktioniert, sollen danach weitere Städte in wichtigen Grenzregionen zur Schweiz folgen – etwa Mailand oder Lyon. Das lassen sich die Eidgenossen nicht nur viel Aufwand, sondern auch einiges an Geld kosten: Rund zwei Millionen Euro fließen in Stuttgart in das Konzept.

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Dass der Start ausgerechnet in der Landeshauptstadt erfolgt, ist kein Zufall. „Baden-Württemberg ist eine sehr wichtige Partnerregion für die Schweiz“, sagt Bideau. Das gilt wirtschaftlich, gesellschaftlich, touristisch, kulturell und politisch. Man wolle sich hier deshalb besser zeigen. Und was passiert, wenn das Pop-up-Haus ein durchschlagender Erfolg wird? Im Firnhaberbau ist wohl nach vier Monaten ziemlich sicher Schluss. Das Ende muss das aber nicht bedeuten. Bideau lässt ein Hintertürchen offen: „Wenn wir spüren, dass es in Stuttgart Bedarf und Platz für so ein Konzept gibt, könnte man auch permanent etwas machen, dann aber kleiner.“

Ob das so kommt, müssen jetzt die nächsten Monate zeigen. Der Zuspruch aus Wirtschaft und Wissenschaft für das Projekt sei groß, freut sich Bideau – und das trotz einiger Corona-Verzögerungen. Wenn jetzt auch noch das breite Publikum strömt, ist man im Nachbarland zufrieden. Immer vorausgesetzt, die Pandemie lässt das zu. Nach den derzeitigen Bestimmungen dürfen 200 Menschen gleichzeitig in die Räume. Am 1. Juli soll es losgehen, tags darauf dann eine offizielle Eröffnung mit Prominenz aus Politik, Gesellschaft und Sport folgen. Bis 31. Oktober soll dann montags bis samstags von 10 bis 20 Uhr geöffnet sein. Und das Kuhglocken-Image spürbare Kratzer erhalten.