Raumschiff Enterprise? Nö. Die Transnet-Hauptschaltleitung in Wendlingen. Foto: dpa/Marijan Murat

Transnet BW betreibt die Starkstromleitungen in Baden-Württemberg, die Schaltzentrale ist in Wendlingen: ein Teil kritischer Infrastruktur. Wie wird sie geschützt? Das Unternehmen hält sich bedeckt - aus Sicherheitsgründen.

Robert Habeck machte den Norbert Blüm: „Die Stromversorgung ist sicher“, sagte der grüne Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister bei seinem Besuch am Dienstag in der baden-württembergischen Starkstromzentrale von Transnet BW in Wendlingen. Was an den berühmten Bumerang-Satz des CDU-Sozialpolitikers über die sichere Rente erinnert. Habecks Parteifreund Winfried Kretschmann warf in Wendlingen zwar keinen Bumerang, trübte aber doch etwas die beruhigende Kunde: „Wenn kein Anschlag kommt.“ Was der Habeck-Blüm’schen Sicherheitsbekundung die nötige Irritationsnuance verlieh. Denn bei aller Vorsorge und heißem Bemühen, möglichst ungestreift durch den kalten Winter zu kommen, gibt es neben Wladimir Putins Energiekrieg samt Krise noch andere Unsicherheitsfaktoren, die möglicherweise ebenso auf den Kriegstreiber im Kreml zurückgehen: Cyber- oder physische Attacken auf die Kritische Infrastruktur im Allgemeinen und das Stromnetz im Besonderen. Saboteure – ob in Putins Auftrag oder freie Radikale – könnten damit weiten Landstrichen nicht nur das Licht ausschalten.

Wichtige Zentrale in Wendlingen

Transnet BW wäre als einer der vier großen Betreiber von sogenannten Übertragungsnetzen – überregionale Höchstspannungsleitungen mit 220 oder 380 Kilovolt – ein potenzielles Anschlagsziel. Gewissermaßen die Spinne im Netz ist die Wendlinger Hauptschaltleitung, nur dass diese wichtige Schaltzentrale Strom nicht frisst, sondern einspeist, genauer: die Einspeisungen bedarfsgerecht verteilt. Zieht man Folgerungen aus dem Kommunikationsgebaren des hundertprozentigen EnBW-Tochterunternehmens, muss man sich um die Sicherheit seiner kritischen Infrastruktur entweder die größten oder die kleinsten Sorgen machen. Man erfährt nämlich über das Sicherheitskonzept aus Sicherheitsgründen so gut wie nichts. Das heißt: Entweder ist die Lage beunruhigend ernst, oder Transnet BW nimmt sie beruhigend ernst. Oder eben beides.

Gefährdungslage wird ernst genommen

Zumindest so weit kommt Bestätigung von einer Firmensprecherin: „Wir nehmen die Gefahr von Angriffen auf unsere physischen und digitalen Systeme und Anlagen grundsätzlich sehr ernst.“ Die Beurteilung, wie ernst die aktuelle Gefährdungslage tatsächlich ist, sei allerdings weder Aufgabe noch Kompetenz eines Netzbetreibers. Sondern „der zuständigen Behörden, mit denen wir in direktem Austausch stehen.“

Deutlicher Anstieg von Cyber-Attacken

Eine dieser Behörden ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Ging Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) noch im September nur von einer „abstrakten Gefährdung der Energieinfrastruktur“ aus, klingt der Ende Oktober veröffentlichte Bericht des BSI zur „Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2022“ schon weit dramatischer: Insbesondere in den vergangenen Monaten sei ein deutlicher Anstieg von Cyber-Attacken zu verzeichnen. Neben der gewöhnlichen Online-Kriminalität sieht das BSI vor allem die Angriffe bei Behörden und Unternehmen vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine. Namentlich kritische Infrastrukturen könnten für „staatliche Cyber-Angriffe“ zu interessanten Zielen werden, heißt es in dem Bericht. Insgesamt sei Deutschland im Vergleich mit anderen EU-Ländern bislang noch glimpflich davongekommen. Die Hacker-Angriffe auf mehrere deutsche Kommunalverwaltungen oder die Sabotage bei der Deutschen Bahn, die am 8. Oktober den Zugverkehr in Norddeutschland stundenlang lahm legte, zeigen allerdings, wie nahe die Bedrohung auch hierzulande ist.

Zum Schutz zählt Schweigen

Die Transnet-Sprecherin beteuert denn auch: „Wir kontrollieren und bewerten die Sicherheit unserer Anlagen regelmäßig. Dabei arbeiten wir mit Experten für IT-Security, Objekt- und Sabotageschutz zusammen.“ Als Ergebnis bescheinigt sich Transnet BW ein „hohes Sicherheitsniveau“ und den „bestmöglichen Schutz unserer Systeme“. Zu letzterem gehöre, so die Sprecherin, „dass wir grundsätzlich keine Angaben zu den von uns ergriffenen Sicherheitsvorkehrungen machen.“

Nun mag die Firewall gegen virtuelle Viren noch so lückenlos sein. Eine absolute Gewähr gegen das Raffinement der Hacker, gegen menschliches oder technisches Versagen kann sie nicht bieten. Und selbst wenn die Software auf der relativ sicheren Seite ist, gilt das nicht für die bauliche „Hardware“, wie das Beispiel der Bahn-Sabotage zeigt: eben kein Cyberangriff, sondern einer mit der Hand an der Flex auf zwei Stränge von Datenkabeln der internen Kommunikation.

Nicht jeder Strommasten kann gesichert werden

So kann ein Energieunternehmen zwar seine Anlagen von Verteilerstationen bis zu Kraftwerken durch Zäune, signalgebende Sensoren, Einbruchmeldesysteme, Überwachungskameras und – nebst aller Technik – nicht zuletzt durch menschliche Wachdienste sichern; aber eben nicht jeden Strommasten irgendwo in der Landschaft. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Insofern hat Kretschmann recht. Und der Strom ist so sicher wie die Rente.

Der Höchstspannungsverteiler

Das Unternehmen
 Transnet BW, eine hundertprozentige Tochterfirma der EnBW mit Sitz in Stuttgart, ist in Baden-Württemberg zuständig für die überregionale Starkstrom-Verteilung. Dazu betreibt das Unternehmen ein landesweites Netz von insgesamt rund 3200 Kilometern Höchstspannungsleitungen mit 220 oder 380 Kilovolt. Über rund 80 Trafostationen sind sie mit den nachgelagerten 110-Kilovolt-Verteilernetzen verbunden. Die europäischen Übertragungsnetze, zu denen die Transnet-Leitungen zählen, haben durch die Energiewende an Bedeutung gewonnen. In Deutschland muss erneuerbare Energie aus dem windreichen Norden in den verbrauchsstarken Süden transportiert werden.

Das Allerheiligste
 Herzstück des Transnet-Systems ist die Hauptschaltleitung in Wendlingen, ein hoch technisiertes Kontrollzentrum, von dem aus Netzfrequenz und Energieverteilung gesteuert werden.