Es ist eine neue Corona-Variante aufgetaucht, die Virologen besorgt beobachten: Was es mit dieser Virus-Mutation auf sich hat und zu welchen Vorsichtsmaßnahmen Experten raten.
Noch vor wenigen Tagen gab es über das Coronavirus nicht viel zu sagen: Trotz steigender Infektionszahlen, sei alles noch keine beunruhigende Entwicklung, hieß es seitens des Robert-Koch-Instituts (RKI). Inzwischen melden sich immer mehr Virologen und Epidemiologen zu Wort, die dem kommenden Herbst nicht ganz so unbeschwert entgegensehen – darunter auch Luka Cicin-Sain, Leiter der Abteilung „Virale Immunologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Der Grund dafür ist eine neue Virusvariante namens BA.2.86. „Diese Variante kann uns eventuell noch größere Schwierigkeiten bereiten“, sagt der Infektionsforscher, der auch stellvertretender Sprecher des Arbeitskreises Vakzine der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist.
Wo ist die neue Variante bislang entdeckt worden?
Die Virusvariante mit dem Kürzel BA.2.86. hat man inzwischen in mehreren Ländern nachgewiesen – unter anderem in den USA, aber auch in der Schweiz, in Dänemark und Großbritannien. In Deutschland, so heißt es seitens des RKI, war dies noch nicht der Fall. Allerdings seien die Maßnahmen zur Verfolgung von Coronaviren seit Ende der Pandemie stark zurückgefahren worden, mahnt Cicin-Sain: „Auch das führt dazu, dass wir nicht in der Lage sind, vorherzusagen, ob und wie schnell sich die neue Variante hierzulande ausbreiten wird.“
Was macht diese neue Variante so besonders?
BA.2.86 weist mehr als 30 neue Mutationen gegenüber den bislang vorherrschenden Omikron-Varianten auf, sagt Cicin-Sain. Dies deute auf einen großen Sprung in der Virusevolution hin – ähnlich wie beim ersten Auftauchen der Omikron-Variante. Noch sei unklar, wie übertragbar BA.2.86 ist und ob sie sich gegen die derzeit zirkulierenden hochansteckenden Varianten durchsetzen kann.„Rein immunologisch betrachtet würde ich aber vermuten, dass unsere Antikörper Schwierigkeiten haben werden, diese Virusvariante zu erkennen“, sagt der Infektionsforscher. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat BA.2.86 als eine von sieben „Varianten unter Beobachtung“ eingestuft.
Welche Bedeutung wird BA.2.86 im kommenden Herbst und Winter haben?
Derzeit sind in Deutschland andere Omikron Varianten vorherrschend. Alle Varianten, inklusive EG.5, auch Eris genannt, die sich derzeit in den USA ausbreitet, können den Einschätzungen von Infektionsforschern zufolge, gut in Schach gehalten werden: „Wir haben gegen die Viren des Omikron-Typs eine gute Immunität entwickelt“, sagt Cicin-Sain. Teils aufgrund der Impfungen, teils weil ein Großteil der Bevölkerung selbst schon mal an Corona erkrankt und wieder genesen ist. „Wir haben derzeit weniger Sterbefälle und auch weniger Patienten, die aufgrund ihrer Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.“ Was allerdings passieren könnte, wenn sich die Variante BA.2.86 stärker verbreitet, sei noch unklar. Für Cicin-Sain wäre denkbar, dass die steigenden Erkrankungszahlen zwar nicht unbedingt zu überfüllten Intensivstationen, aber durchaus zu einer gewissen Belastung des Gesundheitssystems führen. Schließlich sei im Winterhalbjahr auch mit den üblichen anderen Atemwegsinfektionen, sowie mit Grippe und Erkrankungen durch das RS-Virus zu rechnen, so der Forscher.
Wie sinnvoll ist eine Auffrischungsimpfung?
Ab September soll es neue Impfstoffe geben, die an die aktuell dominierenden Omikron-Varianten angepasst sind. Da die neuere Eris-Variante zu diesen gezählt wird, dürften die Impfstoffe auch gegen sie recht effektiv sein. Wie wirksam das Vakzin allerdings gegen BA.2.86 sein wird, ist noch unklar: „Vertretern von Risikogruppen wie Senioren oder chronisch Kranken rate ich dennoch, dass sie sich in jedem Fall mit dem neuen Impfstoff boostern lassen“, sagt Cicin-Sain, „besonders wenn sie seit mehr als sechs Monaten nicht mehr geimpft worden sind oder wenn deren Corona-Infektion länger als sechs Monate zurückliegt“. Auch andere können sich jedoch erneut immunisieren lassen, um Reinfektionen vorzubeugen und bei Durchbruchinfektionen die Abläufe zu mildern.