Die Schulsozialarbeit steckt inmitten der Herausforderung, die Auswirkungen von Corona bei den Schülern aufzuarbeiten. Der Bedarf ist groß.
An der damaligen Silcherschule nahm die Schulsozialarbeit in der Stadt Ludwigsburg 1985 ihren Anfang. Inzwischen ist sie an jeder Bildungseinrichtung fest verankert, und wie Patrick Burtchen, Leiter der Abteilung Jugend bei der Stadt, in der jüngsten Sitzung des Bildungsausschusses sagte: unverzichtbar. Das hat sich durch die Pandemie weiter verfestigt. Inwieweit sich das Aufgabenfeld der Schulsozialarbeit in den vergangenen beiden Jahren verändert hat, das berichtet Julian Bach von der Caritas. Die katholische Organisation ist einer der verschiedenen Träger für Schulsozialarbeit in der Stadt.
Herr Bach, während der Hochphase der Pandemie war bereits befürchtet worden, dass diese Zeit nicht spurlos an Kindern und Jugendlichen vorübergehen wird. Inwieweit hat sich die Schulsozialarbeit seit dem Pandemieausbruch tatsächlich verändert?
Der Bedarf ist insgesamt stark angestiegen. Nicht nur, weil die Einzelfälle zunehmen und komplexer geworden sind, sondern auch, weil der Bedarf an präventiven Angeboten zur Erhaltung oder Wiederbelebung von Sozialkompetenzen mit der Rückkehr zum Präsenzunterricht stark zugenommen hat. Unsere Mitarbeitenden erlebten bei den Schülern einen Anstieg an psychischen Auffälligkeiten, depressiven Symptomen und psychosomatischen Beschwerden. Das spiegelt auch die Ergebnisse der zweiten Befragungsrunde der Copsy-Studie 2021 wider, mit der die Auswirkungen und Folgen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland untersucht wird.
Sind alle Altersklassen gleichermaßen betroffen?
Die Veränderungen erleben wir in allen Schulformen mit gewissen Abweichungen.
Welche Ursachen sehen Sie für die Veränderung?
Da gibt es sicherlich viele. So konnte der institutionelle Schutzauftrag in Lockdown-Zeiten nicht wie gewöhnlich stattfinden. Das hatte zur Folge, dass leider auch viele Fälle häuslicher Gewalt unentdeckt blieben. Darüber hinaus war natürlich die Zeit von Lockdown und Schulschließungen für viele Familien eine große Belastungsprobe. In einigen Fällen kamen dazu auch noch wirtschaftliche Ängste, die zusätzlichen Druck bei den Eltern aufbauten und auch bei den Kindern und Jugendlichen nachvollziehbar zu Verunsicherung und Sorgen geführt haben. Ein weiterer Grund für den erhöhten Bedarf bei den Kindern und Jugendlichen war und ist die unterschiedliche ökonomische Ausgangssituation der Familien. Es ist einfach ein Unterschied, ob eine vierköpfige Familie beispielsweise ein Haus bewohnt oder in einer kleinen Wohnung zusammenlebt.
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Stellte auch das Hin und Her zwischen Präsenzunterricht, Wechselunterricht und Homeschooling ein Problem dar?
Das ist sicher ein weiterer Punkt. Dadurch konnte sich in vielen Fällen gar kein festes Klassengefüge bilden. Gerade in den unteren Grundschulklassen fiel es den Kindern dadurch sehr schwer, überhaupt im „System Schule“ anzukommen. Unsere Mitarbeitenden richten hier ihren Fokus gezielt auf die Gewinnung von Sozialkompetenzen durch spezielle Trainingsmethoden, um den Kindern das Zusammenfinden zu erleichtern.
Ist Besserung in Sicht, oder werden die Fälle nur mittel- oder langfristig zu beheben sein?
Zumindest bei den psychischen Erkrankungen und Auffälligkeiten ist laut der aktuellen dritten Befragungsrunde der Copsy-Studie eine geringfügige, aber signifikante Verbesserung der Situation der Kinder und Jugendlichen eingetreten. In vielen Fällen wird unsere Schulsozialarbeit aber mittel- bis langfristig involviert sein, bis die passenden Hilfen dann auch in anderen Beratungskontexten anlaufen können. Und die meisten Folgen und Auswirkungen der Coronapandemie werden uns in der Schulsozialarbeit natürlich längerfristig beschäftigen, da sie gesamtgesellschaftliche Auswirkungen haben und die Schulsozialarbeit hier ein sehr breites Spektrum an Bedarfslagen bedienen kann.
Sie haben für die Coronazeit ein Elternsorgetelefon eingerichtet. Wird das angenommen und falls ja, was sind die häufigsten Probleme, mit denen man dort auf Sie zukommt?
Das Elternsorgetelefon hatten wir während der Schulschließungen an einem Schulzentrum angeboten. Es wurde sehr rege von den Eltern angenommen. Hauptsächlich erkundigten sie sich, wie sie ihre Kinder unterstützen können oder nach generellen Angeboten der Schulsozialarbeit. Viele Eltern nutzten das Angebot aber auch, um einfach ein offenes Ohr in Anspruch nehmen zu können. Das funktionierte dort sehr gut, da die langjährige Kollegin auch bestens in der Elternschaft bekannt ist.