In der Bankzentrale von „Boschtopia“ wird eifrig Geld getauscht. Foto: Kerstin Dannath

Bezahlt wird nicht in Euro, sondern in Eckerle, die Parteien fordern eine Döner-Preisbremse und die Polizei legt die Arbeit nieder – im Staat „Boschtopia“ geht es ungewöhnlich zu. Was es auf sich hat mit dem Projekt am Wendlinger Robert-Bosch-Gymnasium.

Die Damen vom Grenzschutz sind knallhart: „Ein- und Auslass nach Boschtopia nur über den Haupteingang“, weisen die beiden Zehntklässlerinnen freundlich aber resolut alle ab, die sich über den Schulhof Zugang zum Staatsgebiet verschaffen wollen. Drei Tage lang verwandelte sich im Zuge des Projekts „Schule als Staat“ das Gelände des Wendlinger Robert-Bosch-Gymnasiums (RBG) in „Boschtopia“ – mit allem, was dazugehört: Eins Staatsgebiet bevölkert von 845 „Boschtopis“, ein Parlament, über 80 innovative Unternehmen von der Geisterbahn übers Tattoostudio bis hin zu Verpflegungsbetrieben, einem eigenen Bankwesen, einer freien Presse, Zoll, Polizei und eben dem Grenzschutz.

Zur Vertrauensfrage kommt es nicht

Den ersten Skandal gab es schon am ersten Tag im fiktiven Staatsgebilde: Die Polizei trat geschlossen in den Streik. Mehr Geld als lediglich den Mindestlohn von 100 „Eckerle“ auf die Stunde – angelehnt war die Währung an RBG-Schulleiterin Karin Ecker – sollte es am Ende des Tages im Geldbeutel sein. Mit Erfolg, nach einer Notstandssitzung des Parlaments unter Leitung des Präsidenten Jannik Vogel und Kanzler Nam Dang wurde den Beamten eine Erhöhung auf 150 Eckerle pro Stunde zugestanden, zusätzlich zu einem einmaligen Bonus von 200 Eckerle. „Damit es nicht noch einmal zu einem Streik kommt“, begründete Kanzler Dang die großzügige Sonderzahlung – schließlich geht im Staat ohne Ordnungskräfte nichts. Diskutiert wurde mit harten Bandagen bis in den Abend hinein. „Gleich am ersten Tag eine kleine Staatskrise“, resümierte Gemeinschaftskundelehrer Jan Billner. Aber immerhin: „Wir mussten keine Vertrauensfrage stellen. Hier wird richtig Politik zum Anfassen gemacht.“

Die Schüler wünschten sich das Projekt

Die Vorbereitungen des Projekts, das der Förderung politischer Bildung und der Demokratievermittlung dienen soll und nun bereits zum vierten Mal am RBG durchgeführt wurde, laufen seit über einem Jahr. Der Zeitpunkt ist ungewöhnlich – eigentlich platzieren Schulen ihre Projekttage gerne in die „Saure-Gurken-Zeit“ zwischen Notenabgabe und Schuljahresende. „Doch dann wären unsere Abiturienten aus der Jahrgangsstufe 2 schon weg gewesen“, begründete Lehrerin Dilara Horlacher. Und die stellten das Gros des aus Schülern und Lehrkräften bestehenden Organisationsteams, dass seit Monaten hart dafür arbeitet, dass in „Boschtopia“ alles rund läuft. Wie auch Präsident Jannik Vogel im übrigen: Für ihn ist es schon das zweite Mal, dass er Bürger eines RBG-Staats ist: „Damals war ich Sechstklässler und es war ein absolut prägendes Gemeinschaftserlebnis. Das wollten wir unbedingt noch mal machen.“ Horlacher bestätigte, dass es ein großer Wunsch aus der Schülerschaft war, das Projekt wieder durchzuführen. Bereits im Vorfeld standen Parlamentswahlen an – Wahlversprechen der sechs Parteien waren etwa eine Döner-Preisbremse, die Garantie maximalen Spaßes während des Projekts und besagter Mindestlohn.

Als oberste Richterin von „Boschtopia“ fungierte Schulleiterin Ecker – sie hatte gleich einiges zu tun. Darunter verbotenes Glücksspiel, Körperverletzung und Beamtenbeleidigung. Sogar die Liberale Volkspartei, die mit zwei Sitzen im Parlament vertreten war, wurde angeklagt – sie hatte es versäumt, ihre Wahlplakate rechtzeitig abzuhängen. Es sei zwar unglaublich viel Arbeit gewesen, das Projekt vorzubereiten, unterm Strich habe es sich aber mehr als gelohnt, urteilte Ecker: „So etwas ist einfach immer eine tolle Geschichte.“