Michael Hörrmann, scheidender Chef der Schlösser und Gärten, im Zelt-Zimmer – hinten der Baldachin über dem Königsbett. Foto: Ralf Poller

Im Residenzschloss Ludwigsburg sind die größten Restaurierungsarbeiten der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg im Gange. Das Neun-Millionen-Euro-Projekt ist teuer, aufwendig – und nicht immer appetitlich.

Bewahren und erhalten ist selbst in königlichen Gemächern nicht immer ein appetitliches Geschäft. Das zeigen ein paar Blicke durchs Mikroskop, an dem Lisa Anger, wissenschaftliche Volontärin beim Bereich Sammlung und Vermittlung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG), ein Potpourri an kleinen Widerlingen präsentiert: Sie hat Teppichkäfer, Nagekäfer-Larven, Motten und anderes gefräßiges Ungeziefer mitgebracht, das sich im Laufe der Zeiten in Möbel, Textilien, Dokumente oder Gemälde von blaublütigen Schlossherren hineingrub.

Den Schädlingen wird in der Wärmekammer der Garaus gemacht

Die mausetoten Schädlinge sind fein säuberlich in kleine durchsichtige Döschen verpackt. Die meisten haben ihr Leben in einer Wärmekammer in einem Depot in Karlsruhe ausgehaucht. Dort werden befallene Möbel und Objekte langsam und schonend erwärmt, um dem Getier den Garaus zu machen – bei Holzschädlingen bis auf eine Temperatur von 55 Grad Celsius. „Beim Erwärmen muss aber auch die relative Luftfeuchtigkeit erhöht werden, um die Holzinhaltsfeuchte auf einem konstanten Wert zu halten. Das bedeutet, dass in der Abkühlphase die relative Luftfeuchtigkeit auch wieder entsprechend gesenkt werden muss“, berichtet Lisa Anger. Bei diesem Verfahren werde das tierische Eiweiß zerstört, was sowohl lebende, fressende Larven als auch Eigelege abtöte. Und dann müsse man die Käfer und Larven mit der Pinzette eben noch aus ihren Löchern und Gängen herausholen.

Der Exkurs zur Schädlingsbekämpfung in den königlichen Appartements des Ludwigsburger Residenzschlosses ist Teil einer einer umfangreichen, von auskunftsfreudigen Fachleuten betreuten Präsentation „mitten in der „Herzkammer unserer Restaurierungen“. So bezeichnet es der scheidende SGG-Geschäftsführer Michael Hörrmann. Zu dessen Verabschiedung am Montag hält nicht nur Finanzminister Danyal Bayaz die Festrede im Ordenssaal. Die Gäste haben auch die Gelegenheit, den Fortschritt der Restaurierungsarbeiten im Gespräch mit den Experten zu erleben – live in den eigentlich für die Öffentlichkeit gesperrten Räumen.

2000 Objekte werden gesichtet, gereinigt oder restauriert

Das ist eine spannende Angelegenheit, denn die Wiedereinrichtung der königlichen Wohnungen im Ludwigsburger Schloss ist das wichtigste laufende Restaurierungsprojekt der Staatlichen Schlösser und Gärten. 2000 Kunstobjekte werden von Fachleuten gesichtet und restauriert – das reicht von der einfachen Reinigung bis zu komplexen Rekonstruktionen. Kosten wird das nach aktuellen Kalkulationen etwa neun Millionen Euro, sagt Michael Hörrmann. Mit Unwägbarkeiten bei Kostenschätzungen für Arbeiten im historischen Bestand müsse man aber immer rechnen. Die Konservierung und Sanierung der Raumschale bezahlt der Landesbetrieb Vermögen und Bau, die Kosten für die Konservierung und Restaurierung stemmen die Staatlichen Schlösser und Gärten.

Zahlreiche festangestellte und freie Restauratorinnen und Restauratoren wirken bei dem Mammutprojekt mit. Zum Beispiel die Diplom-Textilrestauratorinnen Diane Lanz und Gabriele Schrade, die sich der Seidendraperien im Schlafzimmer von König Friedrich I. angenommen haben. Für den ursprünglich türkisfarbenen, im Laufe der Zeit ins Bräunliche changierten Stoff im so genannten Zelt-Zimmer – ein in der Raumwand eingelassener Alkoven mit Baldachin imitiert ein Feld-Zelt – haben die Beiden ein Konzept zur Restaurierung erstellt. „Das Besondere an diesem Raum ist, dass die Wände mit Draperien behängt waren“, erzählt Diane Lanz.

Royales Schlafen wie im Feld-Zelt

Rund 500 Quadratmeter Stoff, mit denen das Zimmer ausgekleidet war, gilt es zu restaurieren: Sie sind ausgebleicht und wurden vor Jahrzehnten mit Pestiziden behandelt. Im Gegenteil zu anderen Einrichtungsgegenständen war der kunstvoll montierte und gefaltete Baldachin über dem Herrscherbett im Zweiten Weltkrieg nicht ausgelagert. Daher soll er in der originalen Aufhängung an Ort und Stelle bleiben. Für die Sicherung mit Sternen übersäten Alkoven-Decke bedeutet das eine besondere Herausforderung: Das Gerüst muss um den Baldachin herum aufgebaut werden. „Da ist ein bisschen Akrobatik gefragt“, sagt Lanz.

Ob nur der Staub der Jahrhunderte behutsam entfernt oder gleich ganze Fauteuilbezüge aufwendigst rekonstruiert werden müssen: Am Ende sollen 35 Räume im originalen Zustand wiedererstrahlen. Das bedeutet auch, dass nicht authentische Möbel, die etwa aus dem Neuen Schloss in Stuttgart in die Ludwigsburger Räume gebracht wurden, verschwinden sollen: Akribische Quellen-Recherchen gewährleisten, dass künftig nur noch in den royalen Appartements steht, was dort auch hingehört. Die Sanierung der Räume des Appartements König sollen 2026, die des Appartements Königin bis 2029 fertig sein. Dann können die Schlossgäste sie in ihrer neu erstandenen Pracht bestaunen.

Seltener Einblick am Sonntag

Mäuschen spielen
Am Europäischen Tag der Restaurierung, 16. Oktober, können Besucherinnen und Besucher bei dem Großprojekt im Ludwigsburger Schloss Mäuschen spielen, bei einem freien Rundgang einen Blick hinter die Kulissen werfen und in die Welt der Restaurierung und Konservierung eintauchen. Allerdings nur nach Anmeldung unter Telefon 0 71 41 / 18 64 00

Mehr erfahren
Los geht es um 10 Uhr. Alle 20 Minuten erhalten angemeldete Schlossgäste kostenlos Einlass in die großteils leer geräumten Wohn- und Repräsentationsräume von König Friedrich I. In der Zeit von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 16 Uhr treffen sie auf Fachleute, die am Projekt beteiligt sind. Wie erkennt man die Spuren der Vergangenheit? Wie rekonstruiert man textile Möbelbezüge? Wie konserviert man Flächentapete um 1800? Wie setzt man die Schlossräume ins rechte Licht? Diese und andere Themen kommen am 16. Oktober aufs Tapet.