Die Musikerin Babs Steinbock findet die Corona-Trink-Challenge in den sozialen Medien gar nicht lustig: Mit Reimen stemmt sie sich dagegen: „ Besser als am Abend saufen / ischd du gescht hinaus zum Laufen.“ Foto: Steinbock

Wie ein Kettenbrief verbreitet sich die Corona-Trink-Challenge im Netz. Die Mitspieler nominieren immer mehr zum Saufen. Nicht nur Suchtberater sind entsetzt. Auch eine Stuttgarter Musikerin und ein Winzer finden’s gar nicht lustig.

Stuttgart - Ob Mädelscliquen, schwäbische Comedians oder gar Stuttgarter Strafverteidiger – in den sozialen Netzwerken stachelt man sich gerade gegenseitig dazu an, möglichst viele Gläser hochprozentig zu heben. „Sauft Corona schön“, so lautet das Motto. Das Prinzip funktioniert so: Wer von seinen „Freunden“ nominiert wird, hat 24 Stunden Zeit, die „Herausforderung“ anzunehmen. Diese besteht darin, einen Clip zu posten, der zeigt, wie man möglichst viel getrunken hat und wie man mit gespieltem Rausch nur stotternd sprechen kann. Trinksprüche werden zum Besten gegeben, die weit unter die Gürtellinie zielen. Teil des Spiels ist es, weitere „Säuferinnen“ und „Säufer“ zu nominieren, so dass sich die Challenge rasant wie ein Kettenbrief verbreitet.

„Rauschtrinken wird stark verharmlost“

Was aussieht wie ein lustiger Zeitvertreib, der auch in Stuttgart scheinbar viele Fans hat, sorgt nun dafür, dass Suchtexperten Alarm schlagen. „Ich bin erschrocken, als ich das gesehen habe“, sagt Christina Rummel von der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren und protestiert: „Durch die Challenge werden die körperlichen und psychischen Risiken von Rauschtrinken stark verharmlost.“ Aber nicht nur Ärzte und Therapeuten sind entsetzt über den Absturz des Niveaus bei Facebook und Co. Immer mehr Stuttgarter, die zu dieser „Herausforderung“ nominiert werden, verweigern sich und stemmen sich gegen „Schwachsinn in der Coronakrise“, wie im Netz zu lesen ist.

Musikerin ruft dazu auf, „Herz und Hirn“ zu berauschen

Die Musikerin und schwäbische Komödiantin Babs Steinbock, die bei YouTube Fitness-Tipps gibt unter dem Motto „Fröhlich und bewegt in den Tag“, hat sogar Gereimtes gepostet, um der Sauf-Challenge die rote Karte zu zeigen: „Besser als am Abend saufen / ischd du gescht hinaus zum Laufen. / Das macht gut gelaunt und fit, / am beschden geht der Partner mit. /Denn wenn zwei gemeinsam laufen, /tut das Herz und Hirn berauschen. / Da braucht’s dann koin Alkohol, / do fühlscht du dich auch so sauwohl.“ Sie ist nicht die einzige, die versucht, die Saufwelle aufzuhalten. „Etliche meiner schwäbischen Comedykollegen halten nüchtern und mit Witz dagegen bei diesen sonderbaren Trinkspielen“, sagt sie.

Die Krise lässt sich nicht wegtrinken, aber der Alkoholkonsum in der heimischen Isolation steigt an. Die Kneipen sind zu, dafür wird jetzt zu Hause getrunken – mehr als je zuvor. Nach Schätzungen ist der Weinumsatz seit dem Beginn des Shutdowns um 34 Prozent gestiegen. Der Bierumsatz dagegen ist eingebrochen, manche behaupten, gar um 50 Prozent. Ohne Straßen- und Frühlingsfeste, ohne die Möglichkeiten, in großer Runde zu trinken, greifen viele daheim eher zum Wein und nicht zum Bier in gewohnter Menge.

Winzer aus Rotenberg lehnt Sauf-Challenge ab

Der Winzer Thomas Diehl aus Rotenberg, der Mitglied der Initiative Wein in Moderation der Deutschen Weinakademie ist, die sich „für moderaten Weingenuss und verantwortungsvolle Trinkmuster“ einsetzt, ist besorgt. Zwar könnte er sich freuen, dass sein Hamsterwein zum Verkaufshit geworden ist und dass Weinhändler zu den wenigen Gewinnern der Krise zählen. Aber dennoch ärgert er sich über die Corona-Trink-Challenge, weil sie den Alkoholismus fördere. „Wein ist ein Genussmittel und sollte auch als dieses genutzt werden“, sagt er. Diehl ruft dazu auf, sich nicht an den „Wir-saufen-uns-Corona-schön-Spielchen“ zu beteiligen und sagt: „Wein sollte man in Gesellschaft genießen. Ich verabrede mich deshalb mit meinen Freunden über Videokonferenzen auf ein Glas Wein.“

Die Gegner der Challenge sind sich einig: Auch die, die ihren Suff in den Filmchen nur spielen, verharmlosen die Gefahr und offenbaren ein zweifelhaftes Verhältnis zu Humor.