Der ursprüngliche Termin war ausgefallen, weil Sarah Connor krank war. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Gefühl und Engagement: In der Porsche-Arena hat Sarah Connor ihrer Energie freien Lauf gelassen.

Stuttgart - Sarah Connor muss die allergrößten Fans haben. Gleich vor der Bühne, die sich weit hinauszieht in die Porsche-Arena, am Dienstagabend, stehen sie und machen gehörig Wind: die 39-jährige Sängerin staunt nicht schlecht darüber. Gänzlich ausverkauft ist das Konzert, das Connor in Stuttgart gibt, nicht, gut gefüllt ist die Arena dennoch. Im November schon wollte Sarah Connor in Stuttgart Station machen – damals erkrankte sie, nun holt sie den Auftritt nach, beim letzten Konzert der Tournee zu ihrem aktuellen Album.

„Herz Kraft Werke“ ist Connors bis dato erfolgreichstes Album. Mit „Vincent“ enthält es ein Stück, das von einem homosexuellen Teenager erzählt, mit „Ruiniert“ eines, in dem Connor singt: „AfD-Idioten, mein Herz kriegt ihr nicht!“ Am 26. Oktober sang der blonde Star aus Niedersachsen „Ruiniert“ in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin. Dabei soll sie die rechtspopulistische Partei mit gleich zwei erhobenen Mittelfingern gegrüßt haben. Der Auftritt machte Schlagzeilen.

Auf vergleichbare Statements wartet man in Stuttgart vergebens. Connor beginnt den Abend mit drei Stücken des neuen Albums: „Keiner pisst in mein Revier“ ist das Lied einer kämpferischen Frau, kommt als Eröffnung aber doch sehr zart daher; „Hör auf deinen Bauch“ pocht melodisch auf Gefühle, „Kleinstadtsymphonie“ rührt auch ans Herz. „Halt mich“ wirft dann den ersten flotten Rhythmus in die Halle. Von Stück zu Stück treten Sarah Connors Songs mit stärkeren Arrangements auf, wird ihre Musik druckvoller, prächtiger in Szene gesetzt. Ein flirrend dünner Vorhang fällt, der die Bühne bislang teilte, Sängerinnen, Sänger treten hervor, zur Linken hinten erwacht ein Gospelchor, ein kleines Streichorchester geht noch umher, wird sich bald auf Stühlen niederlassen.

Liebe, Liebe, Liebe

Dann singt sie „Ruiniert“. „Ich wollte einen liebevollen Aufstand machen“, sagt Sarah Connor, „gegen das Abstumpfen, das Versinken. Ich bin eine Mutter von vier Kindern und mache mir viele Gedanken über die Welt in der wir leben und die Zeit. Ich habe viele Frage und nicht alle Antworten.“ Connors Anti-AfD-Song ist, genau besehen, ein Lied, das nach der heilen Welt sucht, die Zerstrittenheit der Gegenwart beklagt. Die Lösung, die die Sängerin vorschlägt, klingt ein wenig sehr pauschal: „Wir brauchen Liebe, Liebe, Liebe.“

Aber so ist Sarah Connor, auch am Dienstagabend in Stuttgart: sie verfügt über eine starke Stimme, will aber zumeist doch nur kuscheln, lässt immer einen Fuß in der Welt des Schlagers. Dass sie bei diesem Konzert schließlich doch über sich hinauswächst, verdankt sie ihrer erstklassigen Band – und einem Repertoire, mit dem sie sich irgendwann ganz ins Terrain des klassischen Soul vorwagt.

Connor-Songs wie „Bonnie & Clyde“ oder „Drachen“ werden vom Publikum umjubelt. Große Fahrt nimmt ihr Konzert aber erst auf, als sie beginnt, sich auf fremde Lieder einzulassen – das erste ist „Whatta Man“, eigentlich ein Stück der klassischen Soul-Ära, erschienen 1968 auf dem Stax-Label, 1993 schon gecovert von Saltn’Peppa. Später dann kommen „The impossible Dream“ ein Musical-Song von The Quest und „I‘ve got to loose my Imagination“ von Gladys Knight. Nun blühen auch die englischsprachigen Titel in Sarah Connors Repertoire auf – und ihre Begleiter zeigen ihr ganzes Können.

Ein Kissen von den Fans

Fast 20 Musiker stehen mit Sarah Connor auf der Bühne. Schon als sie früh am Abend einen Konzertbesucher zu sich bittet, der dann sehr glücklich und überrascht als verspätetes Geburtstagskind gefeiert wird, vertieft sich ihre Band leise, akustisch und gekonnt, in ein Jazzstück; im großen Soul-Teil des Konzertes dann spielen die Musiker starke Soli, treten die Backgroundsängerinnen eindrucksvoll in den Vordergrund. Tatsächlich: da kocht der Hexenkessel, und Sarah Connor will plötzlich nicht mehr brav und lieb sein, sondern lässt ihrer Energie freien Lauf.

Ihr Hit „From Sarah with Love“ hat sich verwandelt in eine stilsichere Latin-Nummer; schließlich kehrt Connor zurück zum deutschen Balladenpop. „Schloss aus Glas“ erzählt von der Scheidung der Eltern der Sängerin; „Flugzeuge aus Papier“ ist der erst 19 Monate alten Tochter des Skistars Bode Miller gewidmet; das Mädchen ertrank 2018 in einem Swimming Pool. Da ist sie wieder, die sensible Sarah Connor, die Familienfrau, die ihre Sorgen um die Welt mit auf die Bühne nimmt. Sie schickt ihren Fans einen Papierflieger.

Die Fans dagegen haben ihr ein Kissen mitgebracht. Sarah Conner legt sich auf ihre Vorbühne, die wirkt, wie mit einem Flickenteppich in verblichenen Regenbogenfarben gedeckt. „Vincent“, den Song mit der Zeile, die bei bayrischen Radiosendern Zensurreflexe aufrief, wird zum Party-Hit, der das Konzert in bester Stimmung beschließt. In der Zugabe dann singt Sarah Connor „Ein deutsches Liebeslied“. Alle dürfen auch einmal singen, die Männer, die Frauen, die Kinder, im Chor – und Sarah Connor lacht.