Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie in Schwedt. Foto: dpa/Patrick Pleul

Russisches Öl, Sanktionen und die wichtige PCK-Raffinerie in Schwedt: Vor diesem Hintergrund übernahm der Bund im September die Kontrolle über die beiden deutschen Töchter des Ölkonzerns Rosneft. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit entschieden.

Zwei deutsche Töchter des russischen Ölkonzerns Rosneft durften unter Treuhandverwaltung des Bundes gestellt werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stufte das Vorgehen des Bundeswirtschaftsministeriums am Dienstag als rechtmäßig ein. Es wies damit eine Klage von Rosneft ab (Az: BVerwG 8 A 2.22). Das Gericht begründete seine Entscheidung im Kern damit, dass im September 2022 eine konkrete Gefahr bestanden habe, dass die Rosneft-Unternehmen ihren Beitrag zur Energiesicherheit nicht weiter leisten könnten.

Der Bund hatte im September mit der Treuhandverwaltung faktisch die Kontrolle über Rosneft Deutschland und RN Refining & Marketing übernommen. Die Unternehmen sind Mehrheitseigner der wichtigen PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt und halten Anteile an zwei weiteren Raffinerien.

Rosneft hält Treuhandverwaltung für rechtswidrig

Das staatlich beherrschte russische Unternehmen Rosneft – der Moskauer Mutterkonzern und ein Ableger in Luxemburg – hielt die Treuhandverwaltung für rechtswidrig und hatte geklagt. Rosneft hat mit der Anordnung die Kontrolle über seine deutschen Firmen verloren. Der Bund betrat mit der Anordnung der Treuhandverwaltung juristisches Neuland. Im September 2022 übernahm die Bundesnetzagentur das Ruder. Sie berief eine neue Geschäftsführung. Rosneft ist rechtlich weiter Eigentümer der deutschen Töchter, kann aber nicht mehr mitbestimmen. Sollten die Töchter Gewinn machen, bleibt dieser als Rücklage bei ihnen in Deutschland. Der Bund verdient nicht mit, Russland aber auch nicht.

Im Zuge von EU-Sanktionen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sagte Deutschland zu, ab 2023 auf russisches Rohöl zu verzichten. Genau das importierten und verarbeiteten aber die Rosneft-Töchter. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums hielten sie über Beteiligungen an drei Raffinerien zwölf Prozent der Kapazität zur Erdölverarbeitung in Deutschland.

Bund sag Gefahr für Versorgungssicherheit

Zentral war die Mehrheitsbeteiligung von 54 Prozent an der PCK-Raffinerie, die Nordostdeutschland unter anderem mit Benzin und Diesel versorgt und auch den Hauptstadtflughafen BER beliefert. Sie hing am russischen Rohöl aus der Druschba-Leitung. Rosneft hatte nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck kein Interesse, das zu stoppen. Zwei ehemalige Geschäftsführer von Rosneft Deutschland widersprachen im Verfahren in Leipzig: Man habe durchaus nach Alternativen gesucht. Das Bundesverwaltungsgericht ging allerdings davon aus, dass der Rosneft-Konzern kein wirkliches Interesse an der Ertüchtigung einer Pipeline von Rostock nach Schwedt hatte, über die Öl aus anderen Quellen fließen sollte.

Der Bund sah eine drohende Gefahr für die Versorgungssicherheit in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine und griff auf Grundlage des 2022 geänderten Energiesicherungsgesetzes ein. Rosneft Deutschland habe Probleme mit Banken und Versicherern gehabt, die sich abgewandt hätten. Zudem habe Moskau nach Wegen gesucht, Kapital aus den deutschen Firmen abzuziehen. Die Rosneft-Anwälte und -Ex-Geschäftsführer hatten im Verfahren wiederholt bestritten, dass die deutschen Gesellschaften unüberwindbare Schwierigkeiten gehabt hätten.

Im Falle PCK kam laut Ministerium hinzu: Um die Raffinerie ohne russisches Öl wirtschaftlich weiter zu betreiben, brauche sie Lieferungen von Tankeröl über den Hafen Danzig. Dies sei nach polnischen Angaben erst denkbar gewesen, wenn russische Gesellschafter nicht mehr beteiligt seien. Tatsächlich kam eine Abmachung mit Polen über Lieferungen via Danzig erst nach Beginn der Treuhandverwaltung zustande.

Bundesverwaltungsgericht gibt Bund recht

Das Bundesverwaltungsgericht hatte vier Tage ausführlich über die Klage verhandelt und dabei auch intensiv Zeugen zur Lage bei den Rosneft-Töchtern im Sommer 2022 befragt. Im Ergebnis sei der Senat zur Auffassung gelangt, dass damals eine konkrete Gefahr bestand, dass die Firmen ihre Aufgaben in der Energieversorgung nicht mehr erfüllen könnten. „Es drohte eine Einschränkung der Versorgungssicherheit“, sagte die Vorsitzende Richterin Ulla Held-Daab.

Die Kläger hatten unter anderem moniert, dass die Treuhand-Anordnung ohne vorherige Anordnung erfolgt war. Das Bundesgericht bestätigte dieses Vorgehen allerdings. Es sei „Gefahr im Verzug“ gewesen, weil es mindestens Hinweise auf einen drohenden Kapitalabzug aus den deutschen Firmen gegeben habe, die einen Zusammenbruch der Rosneft-Firmen ähnlich der Gazprom Germania befürchten ließen.

Verlust der Haftpflichtversicherung der PCK-Raffinerie drohte

Die Rosneft-Töchter hätten ihre Probleme mit Banken und Versicherungen auch nicht im Griff gehabt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass ein Verlust der Haftpflichtversicherung der PCK-Raffinerie drohte, die zur kritischen Infrastruktur gehört. „Wenn die PCK-Raffinerie ausfällt, dann bricht der Grundversorger weg“, sagte Richterin Held-Daab.

Die Treuhandverwaltung galt zunächst für sechs Monate – bis zum 15. März. Am Dienstag teilte das Bundeswirtschaftsministerium nach der Urteilsverkündung mit, dass die Treuhandverwaltung um sechs Monate verlängert werde. Offen bleibt allerdings, wie es langfristig weitergeht.