Glücklich über das tolle Erlebnis über der Albhochfläche: Marco Gotterbarm-Dangel und Evelyn Scheer Foto: R. Scheer

Ein Rundflug über den Heidengraben auf der Schwäbischen Alb zeigt: Von oben eröffnet sich noch einmal ein ganz neuer Blick auf die Gegend.

Ein kühler Herbstmorgen auf der Schwäbischen Alb. Nebelschwaden wabern wie weiße Tücher über die Felder und Wälder. Langsam zieht sich der Schleier in die Täler und Senken zurück, löst sich zögerlich auf. Auf der Albhochfläche zeigt sich bereits ein anderes Bild. Die Sicht ist klar, und die Sonne strahlt auf die taufeuchten Wiesen. Eine Szene, die gut zur Mystik des Ortes passt, über den wir gleich mit einem Motorgleitschirm fliegen werden: den Heidengraben.

Als ich einmal schrieb, nur wer die Schwäbische Alb auch von unten gesehen hat – und meinte die Höhlen – kennt sie wirklich, habe ich mich geirrt. Der Blick von oben offenbart wiederum eine neue Perspektive auf die Heimat. Das ist mir seit heute klar.

Warum die Kelten auf der Alb siedelten, wie sie siedelten

Bei perfektem Flugwetter, also mit wenig Wind und guter Thermik, unternimmt der Fluglehrer und Pilot Marco Gotterbarm-Dangel von der Flugschule „Black Sheep Paramotor“ mit mir einen motorisierten Gleitschirmflug über das Heidengrabenareal und die Region rund um Teck und Neuffen.

Die Kelten bewiesen schon vor über 2000 Jahren ein gutes Gespür, als sie sich auf dem Hochplateau der Schwäbischen Alb ansiedelten. Freilich war die Schönheit der Berghalbinsel nicht ihre Motivation. Vielmehr standen bei ihnen abwehrstrategische Erfordernisse im Vordergrund. Die Hochfläche zwischen den heutigen Gemeinden Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten und Hülben bot mit ihren steilen Abhängen einen natürlichen Schutz für das keltische Oppidum, also die stadtähnliche, befestigte Siedlung. Die ungeschützten Stellen sicherten sie mit einem Wall und Zangentoren ab. Bei einem Rundflug über den Heidengraben erkennt man die Zusammenhänge und die riesigen Dimensionen gut.

Wir heben ab! Foto: Ralph Scheer

Doch bevor wir in die Luft gehen können, unterzieht Marco Gotterbarm-Dangel sein Fluggerät einer ausführlichen Kontrolle – von den Leinen über den Schirm bis zum Motor. Bei einer Sicherheitseinweisung erfahre ich, worauf ich achten muss.

Im Motorschirm-Trike, einem Gefährt mit drei Rädern, sitzt der Pilot vorne, der Passagier hinten. Es ist wichtig, die Hände und Füße an den richtigen Stellen zu positionieren, um nicht versehentlich an den Steuerleinen zu ziehen oder gar den Rettungsschirm zu aktivieren. Alle Taschen müssen geleert werden, ein Schal ist tabu, damit nichts in den Propeller gerät, was fatal wäre. Der Einstieg ins Gefährt hat etwas von der Akrobatik eines Schlangenmenschen, zumal man mit einem großen Helm nebst Kopfhörern und Mikrofon ausgestattet ist. Beruhigend sind beim Blick auf das filigrane Gefährt, dem man sein Leben anvertrauen wird, die technischen Fakten. „Wir haben hier einen zuverlässigen Motor aus dem Kommunaltraktorenbau, der ist für die Ewigkeit gebaut“, sagt Marco. Die Sicherheitsmargen bei Karabinern und Leinen sind groß. „Die Karabiner sind bis rund 3,5 Tonnen zugelassen, und wir wiegen insgesamt 300 Kilogramm“, ergänzt er.

Von Grabenstetten über Schlattstall in Richtung Teck

Marco wirft den Motor an, und wir fahren zum Startpunkt, der nicht wie beim Gleitschirm auf einer Anhöhe, sondern auf einer flachen Wiese liegt. Er legt den Schirm aus und testet unsere Bluetooth-Verbindung. „Es ist das einzige Fluggerät, das zu dem Zeitpunkt, an dem wir starten, noch nicht flugfähig ist“, sagt er, das Tuch umrundend. Auch hier beruhigen, neben Marcos Ausstrahlung und Professionalität, die Daten.

Der Schirm ist mit rund 40 Quadratmetern Fläche größer als meine Wohnung zu Studentenzeiten. Aus speziellem, handgefertigtem Ripstop-Gewebe mit kleinen Einnähungen gefertigt, kann er maximal bis zum nächsten Faden und nicht vollständig reißen. Der Pilot befestigt den Schirm am Trike, gibt Vollgas und los geht’s.

Der Start ist überraschend angenehm, kein Ziepen in der Magengegend wie sonst beim Fliegen. Unsere Flughöhe ist zwischen 150 und 300 Metern, die Geschwindigkeit etwa 40 bis 50 Kilometer pro Stunde. Die Temperatur liegt bei sieben Grad, es weht ein leichter Ostwind. Wir fliegen an Grabenstetten und dem Albabbruch vorbei, weiter um Schlattstall und das Schopflocher Torfmoor herum, über den Breitenstein und von Osten kommend in Richtung Teck.

Das Tal ist umhüllt von einem Nebelmeer, nur die Burg Teck wird von der Sonne ins Rampenlicht gerückt. Unter uns kreisen Bussarde, während wir uns Erkenbrechtsweiler und dem Keltentor nähern. Wir erblicken die Burg Hohenneuffen und fliegen weiter an der Albkante entlang. Häuser, Schafe, Straßen und Autos wirken wie die Miniaturlandschaft einer Märklin-Eisenbahn. Über das Heidengrabenzentrum nähern wir uns wieder der Erde. Die Dreiviertelstunde vergeht wie im Flug – im wahrsten Sinne des Wortes.

Meine Frage, was am Fliegen so schön ist, erübrigt sich: Ich habe ein Dauergrinsen im Gesicht. Ich verstehe Marco und seine Flugschüler. Neben dem Trike-Motorschirm fliegt der 37-jährige Oberlenninger auch Gleitschirm und Ultraleichtflugzeug. Bei seinem Flugunterricht kommt ihm sein Studium als Grundschullehrer zugute.

Die Leidenschaft fürs Fliegen hat er von seinem Opa, mit dem er als Kind in Laichingen Modellflugzeuge lenkte. Seit 2011 hebt er mit Gleitschirm ab, sechs Jahre später war der Startschuss für den Motorgleitschirm. Zahlreiche internationale Wettkämpfe und Trainings später eröffnete er 2023 seine Flugschule. Allein 2024 absolvierte er 250 Flüge. Im August 2025 startete Marco mit dem Heidengrabenzentrum die Tandemflüge mit dem Motor-Gleitschirm. www.region-heidengraben.de/projekte/blacksheep