Markus Lanz nahm Robert Habeck ins Kreuzverhör. Foto: ZDF und Markus Hertrich/Markus Hertrich

Bei Markus Lanz verteidigt Robert Habeck die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock lauwarm. Die Fehler der „Sauberfrau“, wie eine Publizistin sie nennt, werden aber klar.

Stuttgart - Schwarzes Hemd, vom Urlaub gebräunt, geschwollenes Auge wegen einer Strandfliederallergie und immer schön authentisch. Robert Habeck – einst von den Medien als „coolste Socke“ der Nation gehypter Grünen-Politiker – hatte bei Markus Lanz am Mittwochabend im ZDF wieder einen so starken Auftritt, dass ihn der am Schluss der Sendung noch mit ein paar Minuten Redezeit bedachte Infektiologe Peter Kremsner von der Universität Tübingen tatsächlich zweimal als „zukünftigen Kanzler“ ausrief – bevor er die Panne mit dem Impfstoff Curevac erklären wollte.

Die Grünen ducken sich weg

Natürlich ging es Moderator Markus Lanz an diesem Abend einzig und allein um Annalena Baerbock, den Absturz der Grünen in den Umfragen und ob die grüne Kanzlerkandidatin nun eine „Hochstaplerin“ sei oder nicht. Die Grünen ducken sich offenbar weg, ließ Lanz wissen, 28 Absagen für seine Sendung habe er von Grünen-Politiker vergangene Woche erhalten, auch von Annalena Baerbock.

„Wir dürfen keinen Scheiß erzählen“

Der Vize-Fraktionschef Oliver Krischer war dann als Studiogast gekommen, doch dessen Verteidigung eines Plagiats über eine Irak-Schilderung vom Deutschlandfunk durch Annalena Baerbock geriet so ungelenk, dass Robert Habeck jetzt erneut von „kommunikativen Fehlern“ sprechen musste. Da seien ärgerliche Fehler passiert, sagte er, und „wir dürfen den Menschen keinen Scheiß erzählen“. Habeck, der in der jüngsten Krisenzeit der Grünen „irgendwo in der Wildnis“ beim Campen gewesen ist und nicht alles genau im Detail mitbekommen haben will, sagte: „Der Urfehler war, dass wir, wo wir nicht im Recht waren, den Berichterstattern eine moralische Diskreditierung zugeschoben haben.“

„Shit happens“, sagt Robert Habeck

Gefragt, wie er die Plagiatsvorwürfe zu Baerbocks Buch, das er irgendwann in der kalten Jahreszeit gelesen haben will, empfunden habe, sagte Habeck, dass die ersten vier bis fünf abgekupferten Stellen ja noch okay gewesen sein, – „Shit happens“ – aber dass es dann „ein bissle mehr als sechs“ waren, das sei schon ernst zu nehmen – „nicht cool“ –, und er stimme Annalena Barebock voll zu, wenn sie sage, es sei ein Fehler gewesen. Das Buch werde jetzt ja korrigiert, und im übrigen seien diese populär-wissenschaftlichen Sachbücher- wie es sie als Gattung gibt – so etwas wie ein Schwarzer Schimmel. Beiden Ansprüchen könne man gar nicht gerecht werden.

Etwas auf Distanz ging er zur Aussage von Baerbock, dass niemand ein Buch allein schreibe. Gemeint sei ja, so Habeck, der schon fast 20 Bücher geschrieben hat, dass man „in einem Echoraum“ schreibe, beflügelt von vielen Gesprächen. Aber sehr viele Schriftsteller – und er war früher auch einer – schrieben wirklich einsam und alleine.

Man will nicht „Trottel der Nation“ sein

Ob Baerbock eine Hochstaplerin sei, wie Lanz fragte, stellte Robert Habeck lauwarm in Abrede. Nein, sie sei halt eine Frau, die von politischer Leidenschaft durchdrungen sei und der genannte Vorwurf gehe zu weit. Aber es sei schon so, dass Politiker und Politikerinnen größer erscheinen wollten als sie seien. Markus Lanz hakte da nach und fragte, ob es Baerbock denn an Demut fehle. „Das müssen Sie Annalena fragen“, antwortete Robert Habeck und führte dann aus: „Es gibt so einen Sog oder einen immensen Drang, gut zu erscheinen. Man will als Politiker ja nicht als Trottel der Nation da stehen. Da gibt es eine Verführbarkeit, immer einen auf dicke Hose zu machen, wenn man das politisch korrekt so sagen darf.“ Jetzt gehe es darum, dass die Grünen wieder Vertrauen aufbauten, denn das sei die Leitwährung in der Politik, und das sei leider angeknackst.

Rückzieher von Baerbock? Wäre jetzt falsch

Dass er selbst nun als Ersatzkanzlerkandidat einspringen könnte für Baerbock, das ist für Habeck völlig ausgeschlossen. Aber erstaunt und mit einem „Aha“ reagierte er auf eingespielte Filmausschnitte von 1987, die Plagiatsvorwürfe gegen Joe Biden – er hatte eine Redepassage bei einem britischen Labour-Politiker geklaut – belegten und ihn damals zum Rücktritt als Präsidentschaftskandidaten zwangen. Er würde einen Rückzieher von Baerbock für „politisch falsch“ halten, sagte Habeck, und es gebe bei den Grünen gar keine Debatte über einen Personaltausch jetzt zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl.

Das Bild von der „Sauberfrau“ wankt

Nach Habeck sezierte dann die Journalistin Helene Bubrowski (FAZ), wie Baerbock auch eine Völkerrechtlerin, die Schwächen der grünen Kanzlerkandidatin. „Dass sie sich selbst als Sauberfrau inszeniert hatte, das war ihr Fehler“, so Bubrowski. Detailverliebt und als eine „Korinthenkackerin“ habe sich Baerbock dargestellt, ihr „Streberimage“ habe sie gepflegt. Dass dann Ungenauigkeiten beispielsweise über ihren Lebenslauf über die Salamitaktik eingeräumt worden seien, das sei „verheerend“ gewesen. Aber sind die Angriffe auf Baerbock vielleicht auch besonders stark, weil sie eine Frau ist, wollte Markus Lanz wissen. Ja und nein, meinte Bubrowski. Auch Frauen seien ja nicht von der Pflicht entbunden, ordentlich zu arbeiten. Auf der anderen Seite gebe es – zum Teil aus Russland gesteuert – Angriffe mit falschen Informationen, beispielsweise die Darstellung von Baerbock als Nacktmodell. „Die sexuellen Anspielungen treffen Frauen deutlich stärker als Männer.“

Tübinger Rätsel: Warum Curevac floppte

So spannend das grüne Desaster auch ist, ohne Corona kann keine Talkrunde auskommen, und es oblag dann dem Habeck-Sympathisanten und Professor für Tropenmedizin Peter Kremsner, am Ende der Sendung ein Rätsel aufzuklären: Warum der mit vielen Hoffnungen belegte Impfstoff Curevac – an dessen Erforschung Kremsner beteiligt war – so gefloppt ist mit einer Wirksamkeit von nur 48 Prozent. Was war nun Schuld? „Es war die Dosis“, sagte Kremsner. Man habe den Wirkstoff mit 2, 4, 6 und mehr Mikrogramm getestet, aber bei zwölf Mikrogramm sei Schluss gewesen mit der Verträglichkeit. Beim Hersteller Biontech aber seien 30 Mikrogramm im Einsatz, bei Moderna 100. „Was drin ist, das ist bei allen Herstellern das Gleiche“, sagte Professor Kremsner. „Aber die Konkurrenten haben die Moleküle chemisch modifiziert. Curevac hat das nicht getan, sozusagen die Bio-Version eingesetzt.“ Am Anfang habe er das auch gut gefunden, so Kremsner, aber höhere und wirksamere Dosierungen bei der Bio-Version seien offenbar schlechter verträglich.

Corona bei Kindern? Nicht so schlimm

Trotz dem Rückschlag setzt Kremsner auf Curevac, der Impfstoff habe keine schweren Nebenwirkungen und er denke, dass die Europäische Arzneimittelagentur EMA ihn zulassen werde. Was die Impfung von Kindern und Jugendlichen gegen Corona anbelangt, hatte Kremsner im übrigen eine klare Meinung: Nein, wenn es um die individuelle Betrachtung der Kinder und Jugendlichen gehe, denn „wenn die Corona kriegen ist es nicht so schlimm“. Noch müssten aber 100 Prozent der jungen Leute beispielsweise bei einer Impfung mit Biontech mit Nebenwirkungen rechnen: „Wir sollten warten mit der Impfung von Kindern, bis wir verträglichere Impfstoffe für sie haben.“ Anders sei die Betrachtung, wenn die Gesellschaft eine Herdenimmunität wünsche und die Kinder deshalb impfen wolle. Er selbst würde aber das Kindeswohl obenan stellen.