Die Luftrettung in Baden-Württemberg wird in den kommenden Jahren umorganisiert. Für Nachtflüge soll mit Pattonville ein zweiter Standort hinzukommen. Foto: SDMG/Boehmler

Der Rettungshubschrauber in Pattonville soll künftig nicht mehr nur tagsüber fliegen – sondern auch nachts. Nicht nur die Region soll er abdecken, sondern die Notfallrettung für den Norden Baden-Württembergs übernehmen.

Seit November ist entschieden, dass der Rettungshubschrauber Christoph 41 von Leonberg nach Tübingen verlegt wird, um die Notfallversorgung in der Albregion zu verbessern. Auswirkungen hat das auch auf Christoph 51. Der Hubschrauber ist in Pattonville (Kreis Ludwigsburg)  stationiert und soll den Wegfall in Leonberg mit kompensieren.

Mit der Entscheidung des Innenministeriums ist es zudem noch wahrscheinlicher, dass der Hubschrauber in Pattonville – wie bereits vor zwei Jahren diskutiert – künftig auch nachts starten wird. Denn in Leonberg, wo bis zuletzt um den Verbleib von Christoph 41 gekämpft worden war und die Wogen noch immer nicht geglättet sind, war zwischenzeitlich ebenso eine 24-Stunden-Verfügbarkeit im Gespräch. Die ist durch den Umzug nach Tübingen vom Tisch – der Fokus liegt wieder auf Pattonville. Eine Lösung braucht es, weil ein Gutachten besagt, dass die nächtliche Luftrettung im Land verbesserungsbedürftig ist. Bislang wird nur von Villingen-Schwenningen aus geflogen.

Lärmschutzgutachten steht vor dem Abschluss

Wie also geht es in Pattonville weiter? Gesichert ist der Nachtflugbetrieb bei der von Remseck und Kornwestheim verwalteten Siedlung noch nicht. Dafür muss erst die bestehende Genehmigung erweitert werden. In der Vorbereitung für dieses Verfahren lässt das Innenministerium derzeit vom Regierungspräsidium ein Lärmschutzgutachten erstellen, das bis Jahresanfang vorliegen sollte, sich aber etwas verzögert. „Wir hoffen, dass es in den nächsten Wochen vorliegt“, sagt Ministeriumssprecherin Yvonne Kremer. Das dann folgende Genehmigungsverfahren dauere in der Regel rund ein Jahr. Wann es starten wird, ist noch unklar.

Sollte für die Nachtflüge grünes Licht erteilt werden, bliebe das Tageseinsatzgebiet laut Stefanie Kapp von der DRF Luftrettung unverändert. Das umfasst bei Notfällen in der Regel den Radius, der in 20 Minuten erreichbar ist: von Heilbronn bis Tübingen, von Pforzheim bis Göppingen. Nachts würde hingegen schwerpunktmäßig der Norden Baden-Württembergs abgedeckt, von Villingen-Schwenningen aus der Süden. Zudem würden nachts Intensivpatienten von Klinik zu Klinik geflogen werden.

Als das Thema Nachtflug in Pattonville vor zweieinhalb Jahren schon mal aufgeploppt war, überwog der Zuspruch für die geplante Veränderung. Zumindest, was einen Beschluss des Gemeinderats Remseck sowie Rückmeldungen unserer Leser betrifft. Das Thema ist nicht einfach: Denn zwischen dem Startplatz und der Wohnbebauung liegen nur knapp 200  Meter.

So hatten die Oberbürgermeister Ursula Keck in Kornwestheim und Dirk Schönberger in Remseck 2020 erklärt, dass sie die Ausweitung auf die Nacht nicht befürworten, da eine zusätzliche Belastung durch Fluglärm bestünde. In der Abwägung – Notfallversorgung oder Nachtruhe – stimmte der Remsecker Rat kurz darauf dennoch für die Aufhebung des Nachtflugverbots. Mit dem Wunsch, dass alles getan wird, um Lärm zu verringern. „An der Position hat sich seither aus Remsecker Sicht nichts geändert“, teilt Sprecher Philipp Weber mit. Prinzipiell sei der Stadtverwaltung eine gute und schnelle Luftrettung für alle Menschen sehr wichtig.

Remseck sagte Ja, Kornwestheim wartet ab

Das ist sie auch dem Rathaus Kornwestheim, wie Bürgermeisterin Martina Koch-Haßdenteufel betont. „Dass sie für uns alle wichtig ist, ist unstrittig.“ In der Stadt hatte man, anders als in Remseck, vor zwei Jahren noch keinen Beschluss gefasst. „Das wollen wir erst angehen, wenn uns alle Unterlagen zum Genehmigungsverfahren vorliegen“, sagt die Bürgermeisterin. Ein Hauptansinnen des Rathauses ist es, dass die Anwohner am Verfahren beteiligt werden. „Das beschäftigt die Bürger einfach. Seit November haben uns immer wieder Anwohner angeschrieben und gefragt, wie es weitergeht“, sagt Koch-Haßdenteufel. Noch fehlt aber das Lärmschutzgutachten. Über Sprecherin Yvonne Kremer sagt das Ministerium zu: „Die Beteiligung der Öffentlichkeit wird entsprechend den gesetzlich geregelten Verfahrensschritten erfolgen.“

Die Vorgaben für die Piloten sind tags wie nachts gleich: Sie fliegen in definierten An- und Abflugsektoren. Schon jetzt macht Christoph 51 einen Bogen um Pattonville. „Zu seltenen Ausnahmen kann es durch Wetterbedingungen kommen“, sagt Stefanie Kapp von der DRF Flugrettung. Aufgekommen war einmal der Gedanke, den Startplatz von der Wohnbebauung abzurücken. Das ist laut Innenministerium aber kein Thema. Gut vorstellen konnte sich die Maßnahme anfangs der Bürgerverein Pattonville. „Dann wäre man aber näher an Aldingen dran und würde das Problem nur verlagern. Es gibt leider keine gute Alternative“, sagt die Vorsitzende Stephanie Daimer.

An sie hätten sich zuletzt in der Sache keine Bürger gewandt. Der Verein würde aber aktiv werden, wenn dem so wäre. Auch wenn das Vorstandsgremium die Entwicklung für „sinnvoll“ hält. „Für die Anwohner wirkt sich das aber extrem aus. Lärm ist relevant.“ Die Beteiligten sollten damit sensibel umgehen.

Wie sind die Erfahrungen in Villingen-Schwenningen?

Nachtflug-Erfahrung
 Vom Klinikum Villingen-Schwenningen aus wird seit 2017 nachts geflogen. Im Jahr sind das rund 400 Einsätze – ein Fünftel der Gesamteinsätze am Standort. Entfallen tagsüber fast 90 Prozent auf Notfälle, sind es in der Nacht nur 60 Prozent. 40  Prozent machen den Transport von Intensivpatienten zwischen Kliniken aus. Eine Lärmdiskussion gibt es laut der DRF-Luftrettung nicht. „Wir genießen eine große Rückendeckung und Unterstützung durch die Bevölkerung und lokale Politik.“ Auch Madlen Falke, Sprecherin der Stadtverwaltung erklärt, dass in den vergangenen Jahren keine Beschwerden eingegangen seien. „Wir sind froh und dankbar für das wichtige Angebot für die Region.“

Station Pattonville
 Die offiziell zu Stuttgart gehörende Station existiert seit 1989. Seit 2021 kommt hier die bundesweit erste H 145 mit Fünfblattrotor im Rettungsdienst zum Einsatz. Christoph 51 startete 2022 zu 1151 Einsätzen.