Sahra Wagenknecht spricht von einem „Armutszeugnis“ für die Ampelregierung: Die Zahl der Altersrentner mit Grundsicherung nimmt weiter zu. Woran liegt das?
Immer mehr Senioren in Deutschland sind zusätzlich zu ihrer Rente auf Sozialhilfe angewiesen. Im ersten Quartal 2024 bezogen 719 330 Rentner die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts auf Anfrage der BSW-Gruppe im Bundestag hervor. Der Übersicht zufolge ist das ein Höchstwert und ein Anstieg um knapp 35 000 im Vergleich zum März 2023. Seit 2015 gab es einen Anstieg um rund 40 Prozent (511 915).
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht erklärte: „Das Allzeithoch bei der Altersarmut ist das nächste Armutszeugnis für die Ampel.“ Die Entwicklung zeige, „dass das deutsche Rentensystem viele alte Menschen zu entwürdigender Armut verdammt“.
Was sind die Gründe für die höhere Zahl an Altersrentnern mit Grundsicherung?
Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung in Berlin ist der Zuwachs hauptsächlich auf die Auswirkungen einer Freibetragsregelung zurückzuführen. Diese Regelung war mit der Anfang 2021 gestarteten Grundrente eingeführt worden. Ziel war es, dass Menschen mit besonders geringem Lohn Altersbezüge über der Grundsicherung erhalten.
Wer mindestens 33 Jahre Beiträge für Beschäftigung, Erziehung oder Pflege geleistet, aber besonders wenig verdient hat, kann seit Januar 2021 einen zusätzlichen Freibetrag bei der Beantragung von Leistungen der Grundsicherung im Alter geltend machen. So sind 2021 bis zu 223 Euro der Rente bei der Grundsicherung anrechnungsfrei geblieben, 2023 waren es bis zu 251 Euro.
„Wer mit seinem Einkommen bisher knapp über einem Grundsicherungsanspruch lag, kann durch den neuen (jährlich steigenden) Freibetrag anspruchsberechtigt werden“, erläuterte eine Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung. „Damit erklärt sich die Zunahme der Zahlen.“
Was ist die Grundsicherung?
Die Grundsicherung ist Teil der aus Steuergeldern staatlich finanzierten Sozialleistungen. Sie wird seit dem 1. Januar 2023 auch als Bürgergeld bezeichnet. Sie soll den Lebensunterhalt von bedürftigen Menschen, wie beispielsweise Bezieher von gesetzlichen Renten, die nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichen, sicherstellen. Man spricht auch vom Aufstocken einer geringen Rente durch die Grundsicherung im Alter.
Wenn die Einkünfte im Alter oder bei voller Erwerbsminderung nicht für den Lebensunterhalt ausreichen, kann ein in Deutschland lebender Bürger Grundsicherung beantragen. Darin sind alle Leistungen enthalten, die nach dem Sozialhilferecht, so wie es im zwölften Sozialgesetzbuch festgelegt ist, gezahlt werden.
Wie hoch ist die Grundsicherung?
Seit dem 1. Januar 2024 gelten für die Grundsicherung neue Regelsätze:
- Regelbedarfsstufe 1: 563 Euro - erwachsene Person, die in einer Wohnung lebt
- Regelbedarfsstufe 2: 506 Euro - erwachsene Person, die in einer Wohnung mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschafts-ähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenlebt
- Regelbedarfsstufe 3: 451 Euro - erwachsene Person in einer stationären Einrichtung
- Regelbedarfsstufe 4: 471 Euro - Jugendliche oder einen Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
- Regelbedarfsstufe 5: 390 Euro - Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
- Regelbedarfsstufe 6: 357 Euro - Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres
Wie werden Rente und Grundsicherung verrechnet?
Die Rentenbezüge werden auf die Grundsicherung angerechnet. Steigt die Rente, sinkt dann automatisch die Grundsicherung und die Betroffenen gehen bei einer Rentenerhöhung leer aus.
Wie hoch ist die Grundsicherung für Rentner?
Die Bezuschussung hängt davon ab, welches Einkommen jemand insgesamt hat. Dazu gehört neben der gesetzlichen Rente beispielsweise auch ein Verdienst, den ein Rentner aus einer zusätzlichen Nebentätigkeit bezieht.
Wer durch den Bezug von Grundsicherung mehr Geld erhält, als er durch die gesetzliche Rente und möglicherweise weitere Einkommen zur Verfügung hat, kann durch die Grundsicherung im Alter aufstocken. Wie hoch die Grundsicherung ist, hängt davon ab, welchen finanziellen Bedarf man hat.
Hier eine Beispielrechnung:
Ein Rentner erhält die volle Regelleistung in Höhe von 563 Euro.
- Seine Warmmiete beträgt 460 Euro.
- Daraus ergibt sich ein Gesamtbetrag von 1023 Euro.
- Seine monatliche Rente beträgt 810 Euro.
- Die Differenz (1023 Euro minus 810 Euro), also 213 Euro wird ihm monatlich an Grundsicherung zusätzlich ausgezahlt.
- Hat der Rentner ein zusätzliches Einkommen, beispielsweise einen Minijob, so wird dieses teilweise angerechnet.
- Fazit: Die Höhe der Grundsicherung für Rentner ist individuell unterschiedlich, je nachdem, wie hoch das gesamte monatliche Einkommen ist.
Gibt es eine Einkommensgrenze für Grundsicherung?
Als Faustregel gilt: Wenn das gesamte Einkommen unter 1016 Euro liegt, besteht ein Anspruch auf Grundsicherung.
Wer also mit der gesetzlichen Rente und eventuell einem zusätzlichen Erwerbseinkommen weniger als 1016 Euro im Monat zum Leben hat (inklusive Kaltmiete, Nebenkosten wie Wasser, Strom etc.) erhält eine Aufstockung seiner Rente durch die Regelleistungen der Grundsicherung im Alter (mit dpa-Agenturmaterial).